Kirchenpräsident zur Reichspogromnacht: „Die Erinnerung verpflichtet dazu, Verantwortung zu übernehmen“

„Die Vergangenheit ist nicht vergangen“

75 Jahre nach der Reichspogromnacht sind nach den Worten von Kirchenpräsident Christian Schad die Christen dazu verpflichtet, Verantwortung für eine Gesellschaft in Freiheit zu übernehmen und aufmerksam jeder Form von Ausgrenzung zu begegnen.

Die Erinnerung an das „himmelschreiende Unrecht“, als in Deutschland Synagogen brannten, jüdische Gesch&¨fte und Wohnungen zerstört und geplündert wurden, liefe ins Leere, „wenn wir sie nicht mit der Frage nach der praktischen Solidarität verbänden, die wir den in unserer Zeit zu Unrecht Verfolgten schulden“, sagte Schad anlässlich des 75. Jahrestages in Speyer. Verantwortung heiße, wach zu sein gegen jeden Versuch, Menschen ihre Würde abzusprechen.

„Wo heute Menschen Unrecht geschieht oder sie ihrer Würde beraubt werden, darf es nicht wie damals heißen ‚Da kann man nichts machen’“, sagte die Ludwigshafener Dekanin Barbara Kohlstruck. Im Jahr des 100. Jubiläums des Kirchenbezirks gelte es in Erinnerung zu rufen, „wie Christen in unserer Stadt die Ereignisse des 9. November 1938 hingenommen haben und was jüdischen Menschen hier angetan wurde“.

„Wir stehen vor der Geschichte unserer christlichen Gemeinden und suchen danach, ob sich nicht doch die eine Stimme finden lässt, der dem Ungeheuerlichen widersprach. Es waren zu wenige. Es mangelte an Klarheit“, sagte Schad. Es gehöre zur Würde des Menschen, sich seiner Geschichte zu erinnern – „auch dort, wo sie gegen uns zeugt“. In einer Zeit, da die Augenzeugen allmählich verstummten, sei die Erinnerung an die Schreckensnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von großer Bedeutung. Die Vergangenheit sei nicht vergangen. Vielmehr mahne sie, alles zu tun, um eine Gesellschaft in gegenseitiger Achtung zu gestalten, „die sich ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen bewusst ist“.

Kirchenpräsident Schad wird am 9. November um 18 Uhr bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, der Landeskirche, des Bistums und der Stadt Speyer im Gemeindesaal der Synagoge „Beith Schalom“ der Zerstörung der ehemaligen Speyerer Synagoge durch die Nationalsozialisten gedenken. Zu einem ökumenischen Gottesdienst laden die Christen in Ludwigshafen, ebenfalls am 9. November um 18 Uhr, in die protestantische Melanchthonkirche ein. In der Kuseler Stadtkirche erinnert ein Gedenkgottesdienst am Sonntag, 10. November, an die Ereignisse vor 75 Jahren. Eine Zusammenstellung der Schicksale jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Kusel in der Zeit des Nationalsozialismus gibt es als PDF unter http://stadt.kusel.de/stadtgeschichte/auf-lastwagen-fortgeschafft/.

 

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