Naturschutzbeirat wendet sich mit offenem Brief an Regierungspräsident Baron

In einem offenen Brief wendet sich der Naturschutzbeirat des Kreises Bergstraße an Regierungspräsident Johannes Baron mit der Bitte, Windkraftanlagen auf der Hüttenfelder Deponie nicht zu genehmigen, da diese Anlagen insbesondere bedrohte Vogel- und Fledermausarten schwerwiegend schädigen würden.

Dem Naturschutzbeirat gehören eine Reihe von Sachverständigen an, die das Gebiet aus erster Hand kennen und über zahlreiche eigene Beobachtungsdaten verfügen und die die bislang vorliegenden Gutachten des Antragstellers, des Zweckverbands Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße (ZAKB), als völlig unzureichend und teilweise sogar als fehlerhaft betrachten. So wurden schon bei der Vorgehensweise der Datenerhebung für Fledermäuse geltende Standards wie Netzfang und Besenderung außer acht gelassen, weshalb eine Reihe vorhandener, besonders seltener Arten gar nicht erfasst sind. Beispielsweise fehlen Arten wie Fransenfledermaus, Bechsteinfledermaus, Kleinabendsegler und Breitflügelfledermaus, für die es im Waldbereich neben der Deponie Nachweise gibt. Nicht untersucht ist auch die Große Bartfledermaus, obwohl der Riedwald vermutlich in ganz Hessen die dichteste Besiedlung dieser sehr seltenen Art aufweist und mindestens eine Kolonie im Umfeld der Deponie nachgewiesen ist. Insgesamt sind den Experten im Naturschutzbeirat 13 Fledermausarten im Bereich Hüttenfeld bekannt, so dass von einem sehr hohen Konfliktpotenzial bezüglich der Planung von Windkraftanlagen ausgegangen werden muss.

Das Gleiche gilt für eine ganze Reihe bedrohter Vogelarten. Die Deponie stellt durch ihre Hügelbildung in der ansonsten flachen Riedlandschaft vor allem für Großvögel auf dem Zug eine besondere Gefahr dar. Die Rheinebene ist eine stark frequentierte Zugroute vor allem für die Segelflieger wie Kraniche, Störche und Weihen, die bei ihrer Suche nach Aufwinden gerne Hügel ansteuern. Doch auch eine Reihe von im Umfeld der Deponie brütenden Großvögel wären ständig in der Gefahr, Schlagopfer bei ihren Suchflügen zu werden. Dazu gehören Rot- und Schwarzmilan ebenso wie Wander- und Baumfalke.

Abschließend weist der Naturschutzbeirat darauf hin, dass sich gemäß der Windpotenzialkarte des hessischen Energieministeriums der Standort auf der Hüttenfelder Deponie nicht eignet, da hier keine ausreichende Windhöffigkeit gegeben ist. Folgerichtig wurde mit Beschluss der Regionalversammlung vom 13.12.2013 dieser Bereich nicht als Vorranggebiet für Windenergienutzung ausgewiesen. Wenn wie von der hessischen Landesregierung beabsichtigt, 2 % der Landesfläche als Windkraftvorranggebiet ausgewiesen werden sollen, dann müssen es konsequenterweise die Flächen sein, wo die Windhöffigkeit hoch und das Konfliktpotenzial mit dem Artenschutz gering ist. Nur dadurch ist gewährleistet, dass die nötige Menge an Windstrom mit dem geringstmöglichen Eingriff in Natur und Landschaft auskommt.

Offener Brief

Naturschutzbeirat bei der Unteren Naturschutzbehörde Der Vorsitzende im Kreis Bergstraße Herwig Winter

Herrn
Regierungspräsidenten
Johannes Baron
Luisenplatz 2
64283 Darmstadt
OFFENER BRIEF

Betr.: Windkraftanlagen auf der Deponie Hüttenfeld
Bezug: Sitzung des Naturschutzbeirats am 19.12.13

Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Baron,

wir wenden uns an Sie als zuständige Genehmigungsbehörde mit der Bitte, die geplante Windkraftanlage des Zweckverbands Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße (ZAKB) auf der Deponie bei Hüttenfeld nicht zu genehmigen. Unsere Bitte erwächst aus der begründeten Sorge, dass dem Artenschutz, insbesondere was Fledermäuse und Vögel anbelangt, mit dem Betrieb von Windkraftanlagen an dieser Stelle schwerwiegender Schaden zugefügt würde. Dem Naturschutzbeirat des Kreises Bergstraße gehören eine Reihe von Sachverständigen an, die das Gebiet aus erster Hand kennen und über zahlreiche eigene Beobachtungsdaten verfügen. Der Naturschutzbeirat ist der Auffassung, dass die bislang seitens des Antragstellers vorgelegten Gutachten zu diesen beiden Tiergruppen völlig unzureichend sind, teilweise sogar Fehler enthalten und deshalb zu falschen Schlüssen bezüglich einer möglichen Beeinträchtigung geschützter Arten führen. Im Folgenden möchten wir darauf etwas detaillierter eingehen:

1. Fledermäuse
Die artenschutzrechtliche Prüfung wurde nicht gemäß dem empfohlenen Standard (Leitfaden HMUELV) durchgeführt und weist daher eine Reihe von Mängeln bis hin zu Versäumnissen auf. Es fehlen beispielsweise weitgehend aussagekräftige Untersuchungen auf der Basis von stationären bioakustischen Verfahren im näheren Umkreis der Deponie. Im vorliegenden Gutachten sind deshalb Arten wie Fransenfledermaus, Bechsteinfledermaus, Kleinabendsegler und Breitflügelfledermaus, für die es im Waldbereich neben der Deponie Nachweise gibt, nicht erfasst. Ferner nicht untersucht ist die Große Bartfledermaus, obwohl der Riedwald in ganz Hessen vermutlich die dichteste Besiedlung dieser sehr seltenen Art aufweist und mindestens eine Kolonie in rund 4,5 km Entfernung von der Deponie nachgewiesen ist. Angesichts der Tatsache, dass im Umfeld der Deponie mindestens 13 Farten nachgewiesen wurden, muss hier von einem sehr hohen Konfliktpotengegangen werden. Solche Gebiete sollten von Windkraftanlagen grundsätzlich freigehalten werden. Die aus Ihrem eigenen Haus stammende artenschutzrechtliche Bewertung der Suchräume für die Windenergienutzung in der Region Südhessen vom Juni 2013 kennzeichnet in Bezug auf Fledermäuse zwei Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Deponie Hüttenfeld mit sehr hohem suchraumspezifischem Konfliktpotenzial.

2. Vögel
Das Rheintal stellt einen der Hauptwege für den Vogelzug in Deutschland dar. Hügel wie die Deponie bilden Stellen in der ansonsten flachen Landschaft, an denen Aufwinde entstehen und die deshalb auf die im Segelflug gleitenden Großvögel eine starke Anziehung ausüben. Schlagopfer durch Windkraftanlagen an solchen Stellen sind vorprogrammiert. Davon betroffen wären im vorliegenden Fall Arten wie Kranich, Schwarzstorch und Rotmilan. Letzterer ist aber nicht nur Durchzieher, sondern er brütet auch im näheren Umfeld der Deponie ebenso wie eine Reihe weiterer Arten, die durch Windkraftanlagen besonders gefährdet sind. Dazu gehören Weißstorch, Schwarzmilan, Baumfalke, Wanderfalke und Rohrweihe. Kraniche und Rotmilane haben ihre Hauptzugzeit in den Monaten Februar/März und November/Dezember. Unseres Wissens hat eine konkrete Untersuchung des Vogelzugs zu diesen Zeiten nicht bzw. nur stichpunktartig stattgefunden. Nur wenige Stunden Beobachtungszeit lassen keinen Aufschluss darüber zu, wie oft und wie viele Tiere in der relevanten Höhe der Rotoren tatsächlich geflogen sind. Kranich und Rotmilan gehören zu den niedrig ziehenden Vogelarten. Das bedeutet, dass sie sich auf dem Zug immer wieder genau auf der Höhe der Windkraftrotoren moderner Windkraftanlagen bewegen. Da beide Arten auch im Umfeld der Deponie Rast auf ihren Zügen einlegen, bedeutet das, dass sie beim Starten und Landen besonders häufig den Bereich der geplanten Rotoren passieren. Die aus Ihrem eigenen Haus stammende artenschutzrechtliche Bewertung der Suchräume für die Windenergienutzung in der Region Südhessen vom Juni 2013 kenn-zeichnet in Bezug auf Vögel zwei Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Deponie Hüttenfeld mit hohem und mittlerem suchraumspezifischem Konfliktpotenzial.

Abschließend erlauben wir uns den Hinweis, dass sich gemäß der Windpotenzialkarte des hessischen Energieministeriums der Standort auf der Hüttenfelder Deponie nicht eignet, da hier keine ausreichende Windhöffigkeit gegeben ist. Folgerichtig wurde mit Beschluss der Regionalversammlung vom 13.12.2013 dieser Bereich nicht als Vorranggebiet für Windenergienutzung ausgewiesen. Wenn wie von der hessi-schen Landesregierung beabsichtigt, 2 % der Landesfläche als Windkraftvorranggebiet ausgewiesen werden sollen, dann müssen es konsequenterweise die Flächen sein, wo die Windhöffigkeit hoch und das Konfliktpotenzial mit dem Artenschutz ge-ring ist. Nur dadurch ist gewährleistet, dass die nötige Menge an Windstrom mit dem geringstmöglichen Eingriff in Natur und Landschaft auskommt.

In der Erwartung, dass Sie unsere Bitte nicht abschlägig bescheiden, verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
(Herwig Winter)