Tag der seltenen Erkrankungen am 28. Februar macht auf Schicksale aufmerksam

Ein langer Weg zur Diagnose für Julian

Dr. Ann-Sophie Kaiser, Ärztin der neuropädiatrisch-genetischen Sprechstunde, zeigt Julian an einem Plüschtier, wie sie den Kopfumfang messen wird

Julian ist Star Wars Fan und liebt es mit Lego zu bauen wie viele zehnjährige Jungen. Doch er entwickelt sich verzögert und lernt das Sprechen langsamer als andere Kinder. Ursache ist eine Veränderung am Chromosom Nummer 17. Die Erkrankung ist so selten, dass sie nicht einmal einen eigenen Namen hat. Auf Schicksale wie Julians macht der Internationale Tag der seltenen Erkrankungen am 28. Februar aufmerksam.

„Together for better care – gemeinsam für eine bessere Versorgung!“ lautet das Motto des diesjährigen Aktionstages; denn nur, wenn Ärzte und Wissenschaftler über die Grenzen von Ländern und Fachrichtungen zusammenarbeiten, können sie  Betroffenen effektiv helfen. Ein starker Knoten in diesem Netzwerk ist das Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSE) am Universitätsklinikum Heidelberg (Sprecher: Prof. Dr. Georg F. Hoffmann, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin).
An einer seltenen Erkrankung leiden nur wenige Patienten. Doc

h insgesamt sind in Deutschland etwa vier Millionen Menschen betroffen. Rund 9.000 verschiedene seltene Erkrankungen gibt es. Zu den bekanntesten zählen die Mukoviszidose, angeborene Stoffwechsel- und Herzerkrankungen. Circa 80 Prozent aller seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt und machen sich bereits kurz nach der Geburt oder im frühen Kindesalter bemerkbar. „Julian hat nach der Geburt nicht geschrien und hatte keinen Saugreflex“, erzählt seine Mutter Carmen Barm, Krankenschwester aus Neustadt an der Weinstraße. Später lernte er nur langsam Sprechen und auch seine motorischen Fähigkeiten waren nicht altersentsprechend.

Veränderung im Erbgut ist bei Julian zufällig entstanden

Die Vielzahl unterschiedlicher Symptome bei Julian gab den Ärzten lange Zeit Rätsel auf: Hinweisen auf Stoffwechselstörungen, Epilepsie und Migräne musste nachgegangen werden. Doch trotz umfangreicher Untersuchungen, ambulanter und stationärer Aufenthalte, blieb die Ursache unklar. Im Januar 2013 wurde Julians Fall schließlich in einer gemeinsamen Sprechstunde von Neuropädiatern und Humangenetikern behandelt. Sie ist Teil des Zentrums für Syndromale Entwicklungsstörungen, einer von 14 Teilbereichen, die unter dem Dach des ZSE am Universitätsklinikum Heidelberg zusammengeschlossen sind und sich verschiedenen Erkrankungen widmen. Bei der sogenannten Array-Untersuchung, mit der man auch kleinste Veränderungen der Chromosomen feststellen kann, fanden die Ärzte schließlich den Grund für die Beschwerden: ein Abschnitt der Erbinformation liegt statt wie gewöhnlich doppelt dreifach vor. Diese Veränderung ist nicht vererbt, sondern bei Julian zufällig neu entstanden.

Am ZSE wird Julian von Kinderneurologen, Humangenetikern, Zahnmedizinern und anderen Mitarbeitern des Sozialpädiatrischen Zentrums betreut. „Bislang gibt es keine Möglichkeit eine Chromosomenveränderung zu heilen; sie liegt schließlich in jeder einzelnen Körperzelle vor. Aber es ist wichtig herauszufinden, ob es bestimmte Folgeerkrankungen gibt, denen man vorbeugen kann“, sagt Dr. Stephanie Karch, Ärztin der Sektion Neuropädiatrie. Seltene Krankheiten in nationalen und internationalen Verbünden zu erforschen ist dabei unerlässlich. Die Ärzte des Zentrums konnten in weltweiten Datenbanken bisher nur zwei weitere Kinder mit der gleichen Mutation im Erbgut aufspüren. „Wir vermuten, dass es eine große Dunkelziffer gibt, da die Diagnose so schwierig zu stellen ist“, betont Dr. Ann-Sophie Kaiser, Ärztin des Instituts für Humangenetik. Um die Versorgung der Betroffenen zu verbessern, hat sich das Zentrum u.a. zur Aufgabe gemacht, niedergelassene Ärzte auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen fortzubilden und für diese zu sensibilisieren.

Julians Eltern sind erleichtert, nach der langen Suche nun endlich eine Diagnose zu haben. „Wir sind froh, dass schlimmere Erkrankungen ausgeschlossen wurden“, sagt Carmen Barm. Julian ist ein lebensfroher Junge, der es genießt mit den zwei Hunden der Familie zu spielen. „Der Kontakt zu Tieren tut ihm sehr gut. Er scheint einen besonderen Draht zu ihnen zu haben“, erzählt die Mutter.

In seiner neuen Schule, die auf die Förderung motorischer Fähigkeiten spezialisiert ist, findet er beste Voraussetzungen für seine weitere Entwicklung: Fahrradfahren und Schwimmen lernen stehen als nächstes auf dem Plan.