Erste neue Niederflur-Stadtbahn kommt Ende Mai nach Karlsruhe

Produktion und Tests liegen voll im Zeitplan

Die erste Niederflur-Stadtbahn wird derzeit auf der werkseigenen Teststrecke dem dynamischen Testing unterzogen.

Perfekt im Zeitplan wird Ende Mai die erste von insgesamt 25 neuen Niederflur-Stadtbahnen aus dem spanischen Valencia nach Karlsruhe geliefert. Bis Ende September kommen sechs weitere Fahrzeuge hinzu, die nach ihrer Zulassung für den Bau- und Betrieb für Straßenbahnen (BOStrab) alle umgehend im innerstädtischen Betrieb zum Einsatz kommen. Dort ersetzen die nach der neuesten Crash-Norm gebauten, modernen, barrierefreien und klimatisierten Bahnen die „alte Holzklasse“, die derzeit noch auf der Linie 5 unterwegs ist.

Nach einer europaweiten Ausschreibung haben die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) die Stadtbahnen im Oktober 2011 beim traditionsreichen Düsseldorfer Traktionsspezialisten Vossloh Kiepe GmbH und seinem spanischen Schwesterunternehmen, dem Schienenfahrzeug-Hersteller Vossloh Rail Vehicles, bestellt. Das Auftragsvolumen umfasst rund 75 Millionen Euro. Jetzt wartet man in der Fächerstadt gespannt auf das Ergebnis. 

Nahezu fertig montiert und bereits mit Sitzen ausgestattet durchläuft die erste Bahn der Baureihe „Citylink“ in Valencia derzeit die dynamische Testing-Phase. Auf der werkseigenen 2,5 Kilometer langen Teststrecke werden Fahr- und Bremsversuche mit leerem und beladenem Fahrzeug durchgeführt. Gewichte simulieren dabei die Kunden. Reagiert die Bahn auf den Befehl des Fahrers, eine Notbremsung durchzuführen? Und wird bei entsprechender Situation eine automatische Zwangsbremsung ausgelöst? Die VBK-Projektverantwortlichen sind in dieser Phase bereits intensiv eingebunden und von der bisherigen Qualität des Fahrzeugs überzeugt. Aktuell werden beispielsweise intensive Rollierschwingungsmessungen durchgeführt, mit denen der Hersteller sicherstellen will, dass die Antriebsachse keine unzulässigen Belastungen erfährt. Von entscheidender Bedeutung ist zudem, dass der Fahrerstand der Bahn allen Anforderungen eines modernen Arbeitsplatzes entspricht und den Fahrern einen ergonomischen und komfortablen Arbeitsablauf ermöglicht. „Wir haben einen sehr positiven Eindruck von der Fahrzeugfertigung, die zum Teil auf drei Ebenen zeitgleich erfolgt, erhalten und sind überzeugt, dass Vossloh Kiepe den Terminplan wie im bisherigen Projektverlauf auch weiterhin einhält“, sagt Christian Höglmeier, technischer Geschäftsführer der VBK. Von Spanien aus wird das zweite fertige Fahrzeug direkt nach Wien in den Klima-Windkanal geschickt und muss dort den Klimatest bestehen. Alle Ergebnisse werden dann nach dem Konformitätsprinzip auf die anderen Bahnen übertragen. 
Durch diese intensive Vorarbeit reduzieren sich die übrigen Tests, die auf dem Betriebsgelände der VBK beziehungsweise im Schienennetz des Verkehrsunternehmens durchgeführt werden, auf ein Minimum. Das ist ein großer Vorteil und wird den Zulassungsaufwand in Karlsruhe erheblich verkürzen. Mit der technischen Aufsichtsbehörde für den Straßenbahnbetrieb des Landes Baden-Württemberg werden Vossloh und die VBK einen abgestimmten Nachweisplan abarbeiten, um die Zulassung nach BOStrab zu erhalten. Parallel wird das Eisenbahnbundesamt (EBA) in Bonn alle erforderlichen Fachdossiers und -gutachten erhalten, damit die Stadtbahn auch bis Ende 2014 als Eisenbahn auf der Strecke der Linien S1 und S11 zum Einsatz kommen kann.  

Der NET 2012 hat eine Einstiegshöhe von 34 Zentimetern. Damit kann das Fahrzeug an den entsprechend barrierefrei ausgebauten Bahnsteigen auch von mobilitätseingeschränkten Fahrgästen und Kunden mit Kinderwagen bodengleich betreten werden. Multifunktionsbereiche im Innenraum bieten ausreichend Platz für Rollstuhlfahrer, Kinderwagen und Fahrräder. Durch den hohen Niederfluranteil (wenig Stufen), tief positionierte Fahrscheinautomaten und Haltewunschsignalgeber, die farblich kontrastreich gestaltet sind, entsteht in der Bahn zusätzliche Barrierefreiheit. „Wir bekommen mit dem NET 2012 ein hochmodernes Fahrzeug, das den neuesten Sicherheitsanforderungen entspricht und unseren Kunden – vor allem auch den mobilitätseingeschränkten Fahrgästen – höchst komfortables Reisen ermöglicht“, sagt Christian Höglmeier. 

Besonders laufruhig und komfortabel sind die neuen Fahrzeuge dank ihrer Luftfederung. Eine Klimaanlage sorgt im Sommer wie im Winter für angenehme Temperierung. Der Hersteller Vossloh Rail Vehicles hat seinen Citylink, den er in ähnlicher Ausführung auch für Sheffield in England und Chemnitz im Osten der Republik baut, den Vorgaben der neuesten Crash-Norm entsprechend gefertigt. Unter der Frontverkleidung sind Puffer eingebaut, die bei einem Zusammenstoß die entstehende Energie aufnehmen und das Fahrzeug besonders sicher machen. Trotz dieser Puffer kann der Fahrer durch eine tief gezogene Frontscheibe, speziell angeordnete Bedienelemente und den bewusst weit vorn geplanten Sitz eine 1,20 Meter große Person bei einem Abstand von gerade einmal 30 Zentimetern noch sehen. Das macht die neue Stadtbahn gerade im Innenstadtbereich zu einem höchst sicheren Fahrzeug. 

Während die erste Bahn inmitten von Orangenplantagen ihre Fahrtests durchläuft, wird in den verschiedenen Werkshallen von Vossloh parallel an fünf weiteren Fahrzeugen für Karlsruhe gebaut. Das zweite befindet sich gerade in der statischen Testphase, bei Nummer drei läuft der Innenausbau auf Hochtouren. In der Halle daneben wird am Herzstück der Fahrzeuge, den Drehgestellen, gearbeitet, während wiederum parallel die Rohbauelemente verschweißt werden. Der Schienenfahrzeugbau hat in Valencia eine lange Tradition. Bereits seit 1897 werden hier Eisenbahnen und Straßenbahnen gefertigt. „Wir sind froh, mit einem so erfahrenen und höchst zuverlässigen Hersteller zusammenzuarbeiten und freuen uns auf die Ankunft des ersten Fahrzeugs im Mai“, blickt die kaufmännische Geschäftsführerin der VBK, Stefanie Haaks, mit Vorfreude in Richtung Frühsommer.