Setzlinge schon vor den Eisheiligen ausgepflanzt

Neuer Tabak auf dem Feld

Tabakpflanzer nehmen Pflanzen aus dem Frühbeet

„Eisheilige kommen seltener“, hatte eine Zeitung getitelt und diese Einschätzung kam den Lorscher Tabakanbauern in diesem Jahr gerade Recht. Denn sie mussten jetzt schon vor dem, wegen der späten Nachtfrösten gefürchteten Datum die Tabaksetzlinge aus dem Frühbeet auf den Acker pflanzen: Die warme Witterung im April hatte die Keimlinge ungewöhnlich rasch groß werden lassen.

Damit wurde das Tabakfeld entlang der neu entstandenen Kulturachse im Welterbe Areal Kloster Lorsch nun zum zweiten Mal mit knapp dreitausend Pflanzen bestellt und die Wiederaufnahme des im letzten Jahrhundert unterbrochenen, gut dreihundertjährigen Tabakanbaus in Lorsch erneut fortgesetzt. Eine Tradition, von der Lorsch jahrhundertelang außerordentlich profitierte und wie sie für die gesamte Region prägend und wirtschaftlich grundlegend war.

Das ist auch der Anlass, warum das initiierende Lorscher KULTour-Amt zusammen mit dem Heimat- und Kulturverein Lorsch e.V. diese Tradition in einem Bürgerprojekt 2012/2013 wieder aufleben ließ. „Rauchen tut von uns nämlich fast keiner!“, schmunzelt Bernhard Stroick, einer der beiden Projektleiter. Vielmehr geht es um ein Stück lebendige Kultur und regionales Brauchtum. Denn ist der Tabak auch anspruchslos, was den von ihm bevorzugten Sandboden angeht: Eine Pflanze, die innerhalb von fünf Monaten von Stecknadelspitzengröße auf zweieinhalb bis drei Meter heranwächst, verlangt viele punktgenaue Pflegeschritte und eine dem schnellen Wachstum entsprechende, sorgsame Hege und zwar über die Ernte hinaus. Damit entstanden im Laufe der Zeit viele dörfliche Rituale und Gewohnheiten, gemeinsame Arbeiten und Gepflogenheiten.

Das erfuhren die ersten frisch ernannten Tabakpflanzerinnen und –pflanzer schon im letzten Jahr. Und viele wollten auch 2014 wieder mit dabei sein, wenn es – vornehmlich an Samstagen – heißt: gemeinsam säen, pflanzen, gießen, haken, düngen, geizen und schließlich ernten. Thomas Schumacher, angehender Förster, kennt all dies seit der Kind war. Er ist der zweite Projektleiter und lernte vieles über den Tabak von seinem schon verstorbenen Großvater. Doch es mischen sich in der etwa vierzig Personen umfassenden Gruppe „alte Hasen“, die mit dem Tabakbauen und der -verarbeitung in jungen Jahren noch vertraut waren, mit absoluten „Greenhorns“, die einfach Spaß an der Initiative haben. Im Übrigen versammelt das Projekt Aktive aus der ganzen Region, also weit über Lorsch hinaus.

„Das Interesse ist in jeder Hinsicht enorm“, weiß auch Gabi Dewald vom KULTour-Amt. Selbst an die Initiative von Deutschlands größtem Zigarren-Club, dem Club de Fumadores, der die Zigarre als UNESCO-Kulturgut geadelt sehen will, ist man mittlerweile angedockt.

Und schließlich wird sie auch kommen: die Lorscher Zigarre, „Lorsa Brasil“ genannt. Im Rahmen des Frühlingsmarktes (17. und 18. Mai) wird sie an beiden Tagen des nächsten Wochenendes vorgestellt und ab dann auch verkauft werden. Sie ist das stolze Ergebnis der ersten wieder erfolgten Lorscher Tabakernte. „Wir vermuten, an diesem Tag wird man auf aus dem All geschossenen Satellitenbildern eine riesige Rauchwolke über Lorsch sehen“, flachsen die Tabakbauern. Denn fast jeder – auch die hartgesottensten Nichtraucher – haben angekündigt, das Lorscher Produkt dann doch wenigstens testen zu wollen.

Infokasten

  • Das Lorscher Tabakprojekt ist jetzt im zweiten Jahr. Etwa 40 Pflanzerinnen und Pflanzen kümmern sich dabei ehrenamtlich um Aussaat, Pflege und Ernte des Tabaks. Angebaut wird der Zigarrentabak Geudertheimer.
  • Das Tabakfeld befindet sich zwischen Tabakscheune und Odenwaldallee entlang der Kulturachse.