Blutwäsche kann Abstoßung von Spenderniere verhindern

Heidelberger Wissenschaftler und Transplantationsmediziner zeigen: Bestimmte Eiweiße des Immunsystems sind besonders gefährlich für das Spenderorgan / Neues Behandlungskonzept bereits europaweit im Einsatz / Dietmar Hopp Stiftung unterstützte Projekt mit rund 360.00 Euro

Ärzte und Immunologen des Universitätsklinikums Heidelberg haben ein Therapiekonzept entwickelt, das eine schnelle Abstoßung der Spenderniere zuverlässig verhindert. Mit Hilfe des Verfahrens, das inzwischen an zahlreichen Zentren in Europa zum Einsatz kommt, werden bestimmte Bestandteile des Immunsystems, sogenannte Antikörper, die eine Gefahr für das neue Organ darstellen, identifiziert und aus dem Blut gefiltert. So können auch Hochrisiko-Patienten auf planbare Transplantationen nach Lebendspende vorbereitet werden. Validierung dieses neuen Behandlungskonzepts und Umsetzung des Verfahrens in die klinische Routine sind in den letzten beiden Jahren von der Dietmar Hopp Stiftung mit rund 360.000 Euro gefördert worden.

Die beste Therapie für Patienten mit endgültigem Nierenversagen ist derzeit die Transplantation einer Spenderniere. Doch selbst wenn Blutgruppe und sogenannte Gewebemerkmale übereinstimmen, ist das Immunsystem des Organempfängers in der Lage, die neue Niere als fremd zu erkennen und gegen sie eine Immunantwort auszubilden. Transplantierte Patienten müssen daher ihr Leben lang Medikamente einnehmen, um Abwehrreaktionen zu unterdrücken. Trotz komplexer Therapien wird das neue Organ bei ca. zehn Prozent der Patienten innerhalb der ersten drei Jahre abgestoßen. Eine entscheidende Rolle bei der Abstoßungsreaktion spielen Antikörper, die speziell gegen bestimmte Oberflächenmerkmale des Spenderorgans gerichtet sind. Sie binden an das fremde Gewebe und markieren es gewissermaßen zum Abschuss.

Einige Patienten weisen bereits vor der Transplantation Antikörper gegen Oberflächenmerkmale des zukünftigen Spenders auf. Die Abwehrreaktion des Körpers fällt dann besonders heftig aus, da die entsprechenden Immunzellen und Antikörper nicht erst gebildet werden müssen, sondern zum Zeitpunkt der Transplantation schon im Blut vorhanden sind.

Nieren-Lebendspende trotz vorbestehender Gewebe-Unverträglichkeit

Diese Patienten profitieren von einem in Heidelberg entwickelten Therapiekonzept zur Desensibilisierung des Immunsystems. Zentraler Bestandteil dieser Desensibilisierung ist die sogenannte Immunadsorption zur Entfernung von schädlichen Antikörpern aus dem Blut des Patienten. Durch die anschließende Gabe des Medikaments Rituximab wird gleichzeitig die Bildung neuer Antikörper verhindert. "Wir können bereits vor Transplantation die Menge der schädlichen Antikörper gegen das Spenderorgan fast komplett eliminieren", sagt Privatdozent Dr. Christian Morath, Oberarzt am Nierenzentrum Heidelberg.

Ähnliche Ausgangsbedingungen und Langzeitergebnisse Hochrisiko-Patienten

Im Rahmen eines von der Dietmar Hopp Stiftung großzügig geförderten Projekts konnten Arbeitsgruppen des Nierenzentrums der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Leiter: Professor Dr. Martin Zeier) und der Abteilung Transplantationsimmunologie des Immunologischen Instituts (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Gerhard Opelz) dieses Verfahren in den letzten beiden Jahren weiterentwickeln und inzwischen bei einer Vielzahl von Patienten erfolgreich einsetzen. Im Rahmen von Studien zeigte sich, dass es unter den zahlreichen Arten von Antikörpern, die in jedem Menschen vorkommen, bestimmte Varianten gibt, die schwer zu unterdrückende Abstoßungsreaktionen fördern. "Bei Patienten mit diesen Antikörpern im Blut kommt es deutlich häufiger zum Versagen des Spenderorgans", erklärt Professor Dr. Caner Süsal, Leiter des Antikörperlabors in der Abteilung für Transplantationsimmunologie. Die Studien zeigten zudem, dass eine genaue Kenntniss dieser Antikörper und der zielgerichtete Einsatz der Immunadsorption vor und nach Transplantation die Funktion der Spenderniere nachhaltig schützen kann.

Bislang wurden in Heidelberg ca. 60 Patienten mit sehr hohem Abstoßungsrisiko auf diese Weise zur Lebendspende vorbehandelt. Nach einem Jahr funktionieren noch rund 95 Prozent der Transplantate. Inzwischen entsprechen die Ergebnisse denen von Patienten ohne erhöhtes Risiko. "Auf diese Weise ersparen wir vielen Patienten eine erneute und sehr belastende Dialyse-Therapie oder die erneute Transplantation", sagt Dr. Morath. Das Langzeitergebnis nach mehr als drei Jahren ist inzwischen annähernd vergleichbar mit dem von Patienten ohne vorsensibilisiertes Immunsystem. "Die Behandlung verschafft Hochrisiko-Patienten zunächst fast die gleichen Ausgangsbedingungen, erfordert aber auch nach der Transplantation sorgfältiges Wirken und vor allem regelmäßige Einnahme der das Abwehrsystem unterdrückenden Medikation", sagt Professor Süsal. "Selbst kleine Lücken in der Medikation können in solchen Fällen zum Wiedererwachen des Immunsystems führen".

Transplantation anderer Organe und Blutgruppenunverträglichkeit

Das neue Therapiekonzept findet inzwischen auch dann Anwendung, wenn zwischen Spender und Empfänger eine Blutgruppenunverträglichkeit vorliegt, sowie bei der Transplantation anderer Organe: So wurde der erste Patient mit Antikörper-vermittelter Abstoßungsreaktion nach einer Lebertransplantation erfolgreich behandelt.

Solche Eingriffe sind nur an wenigen Transplantationszentren in Deutschland in diesem Maße möglich, da neben einer guten Chirurgie und Nephrologie auch eine leistungsstarke transplantationsimmunologische Abteilung benötigt wird. Nur in Zentren mit solchen Strukturen kann geforscht und die in der Forschung erzielten Ergebnisse, wie in Heidelberg, umgehend in die Routine überführt werden.

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