Diese Möbel könnten Geschichten erzählen. Auf den Tischen wurde ungeduldig mit Fingern getrommelt, zustimmend mit den Knöcheln der Hand geklopft. Manchmal fiel auch eine geballte Faust auf sie hernieder, in der Ablage nahmen sie in den letzten Jahren ihres Dienstes Bonbonpapiere auf; es ist aber noch gar nicht so lange her, da waren es Zigaretten und Aschenbecher. Was haben die Weinheimer Ratstische nicht alles schon gesehen; sie könnten Bücher schreiben, wenn sie Hände hätten statt Tischbeinen.
Jetzt gibt das altehrwürdige Mobiliar des Weinheimer Ratssaals im Schloss nicht seinen Geist (der Demokratie) auf – aber seinen Dienst. Nach rund 60 Jahren werden die schweren Ratstische nun ausgemustert, die stoffbezogenen Stühle gleich mit. Die Sitze waren auch nach mehrfachem Aufpolstern nicht mehr für mehrstündige Debatten geeignet. Mit dem neuen Gemeinderat zieht nun auch neues Mobiliar im Ratssaal ein. Es ist moderner, leichter und bequemer. Filigraner, so dass mehr Platz bleibt, falls die Luft zwischen den Fraktionen mal dicker wird. Und funktionaler, weil die Tische zumindest mal Platz und Technik für eine multimediale Ausstattung anbieten. Ob mit dem neuen Gemeinderat frischer Wind ins Rathaus kommt, muss sich beweisen. Frische Möbel kommen in jedem Fall.
Das ausgediente Mobiliar kann von den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt gegen einen kleinen Obulus erstanden werden, das hat das Personal- und Organisationsamt der Stadt jetzt mitgeteilt. Wer will, kann die massiven Holztische und die Stühle zu Hause nutzen und – falls er Lust und Laune hat – seine eigene kleine Gemeinderatssitzung in den eigenen vier Wänden nachspielen.
Pro Tisch will die Stadt mindestens 20 Euro erlösen, pro Stuhl 5 Euro. Jeder kann ab sofort den Großen Sitzungssaal (Aufgang D) aufsuchen und sich ein Möbelstück sichern.
Gabriele Schwarz im Personal- und Organisationsamt (Aufgang A, Zimmer 302, 2. Obergeschoss) nimmt dann die Bestellungen entgegen, die in der Stadtkasse sofort bezahlt werden können. Die Stadtkasse stellt dann Quittungen aus, die gleichzeitig als Abholschein gelten – fast wie bei IKEA. Denn in der letzten Juni-Wochenende wird der Ratssaal leergeräumt, damit der neue Rat am 23.Juli schon auf neuen Stühlen debattieren kann.
Ab dem 30. Juni können dann die neuen Besitzer des alten Ratsmöbels ihre Antiqutäten mit demokratischer Vergangenheit abholen und sich einen Hauch Weinheimer Lokalgeschichte ins Haus holen.