An die Eltern der Grundschüler und Kindergartenkinder in Rheinstetten

Offener Brief

Mit dem folgenden Brief wenden sich der Oberbürgermeister, die Rektorinnen der Rheinstettener Grundschulen und der Gesamtelternbeiratsvorsitzende an die Öffentlichkeit.

Liebe Eltern der Grundschüler und Kindergartenkinder,

in den letzten Wochen wird der in unserer Stadt laufende Grundschulentwicklungsprozess verstärkt von Eltern und Schulangehörigen diskutiert. Das zeigt das große Interesse an diesem Prozess und in der Tat stehen in Kürze Entscheidungen hierzu an. Daher wollen wir heute gemeinsam über den bisherigen Prozess und die anstehenden Entscheidungen informieren.

Was ist der Grundschulentwicklungsprozess?

Begonnen hat die Entwicklung eines zukunftsfähigen Grundschulkonzepts für Rheinstetten vor knapp zwei Jahren mit der Erkenntnis, dass die Schülerzahlen in Rheinstetten dauerhaft auf einem Niveau bleiben werden, welches uns zum Nachdenken bewegen muss. Dass es aufgrund dieser Überlegungen auch zu Veränderungen am bestehenden Angebot kommen kann, war uns Beteiligten von Anfang an klar. Aber genau dieser Zwang zur Veränderung wurde in dem Prozess als einmalige Chance begriffen, die Schullandschaft in unserer Stadt so zu gestalten, wie wir sie uns in Zukunft wünschen.

Zur Beantwortung der Frage "Wie soll unsere Grundschullandschaft im Jahre 2020 aussehen?" haben der Gemeinderat und die Verwaltung beschlossen, alle Beteiligten rechtzeitig an einen Tisch zu holen, um diesen Prozess offen und aktiv zu gestalten. Wir wollten gemeinsam rechtzeitig agieren und die Zukunft gestalten anstatt nur zu reagieren.

Wer war beteiligt? Der Arbeitskreis und die Lenkungsgruppe.

Zur Teilhabe an diesem Entwicklungsprozess wurden alle Elternbeiratsvorsitzenden und alle Rektorinnen der Grundschulen, Vertreter aller Fraktionen, Vertreter der Verwaltung und des Staatlichen Schulamts eingeladen. Geleitet und moderiert wurden die vielen Treffen von einem externen Referenten, der sich auf die pädagogische und inhaltliche Seite von Schulentwicklungsprozessen spezialisiert hat.

Diese „große“ Runde traf sich zunächst zwei Mal zu jeweils 6-stündigen Veranstaltungen. Um die Arbeit besser zu strukturieren, wurde aus der Mitte des Arbeitskreises eine Lenkungsgruppe aus insgesamt sechs Vertreterinnen und Vertretern gebildet. Diese setzt sich aus einem Elternvertreter, einer Rektorin, einem Stadtrat, dem Oberbürgermeister, dem Bürgermeister und einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung zusammen und ist für die Prozesssteuerung und die Information und Kommunikation innerhalb der jeweiligen Interessensgruppen im Arbeitskreis verantwortlich.

Der Arbeitskreis und die Lenkungsgruppe bekamen vom Gemeinderat einen klaren Arbeitsauftrag: Erarbeiten eines Konzeptes, welches es der Stadt ermöglicht, auf Dauer eine Grundschullandschaft vorzuhalten, die den Bedürfnissen unserer Kinder, der Familien und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Schulen gerecht wird. Dieses Konzept soll auch neue Angebotsformen ermöglichen und die Veränderungen in der Schulpolitik des Landes Baden-Württemberg (z. B. Verankerung der Ganztagesgrundschulen im Schulgesetzt) berücksichtigen.

Ziel und Aufgabe war es dabei nicht, fertige Konzepte für jede einzelne Schule bis ins letzte Detail auszuarbeiten – dies können im nächsten Schritt nur die Schulen zusammen mit den Eltern leisten. Und dies erst dann, wenn klar ist, wohin die Reise geht. Ziel war es vielmehr, die Qualität und die möglichen Inhalte der zukünftigen Grundschulen in unserer Stadt zu definieren.

So haben Eltern, Schulleitungen, Gemeinderat und Verwaltung in vielen Treffen zunächst erarbeitet, unter welchen Voraussetzungen flexible Betreuungskonzepte in Rheinstetten in Verbindung mit Grundschulen überhaupt entstehen können. Dabei wurden sich ändernde politische Rahmenbedingungen auf Landesebene (z. B. durch Aufnahme von Ganztagesgrundschulen in das Schulgesetz) beachtet.

Niemand – auch nicht die Rektoren oder Lehrer – hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt vertieft mit diesem Thema im Bereich der Grundschulen befasst. Daher besuchte der Arbeitskreis zunächst eine Ganztagesgrundschule in unserer Nähe, die schon mehrere Jahre in Betrieb ist. Hier konnten sich die Teilnehmer/-innen ein Bild von einem gelungenen Konzept machen. Zusätzlich wurden die Eltern über die Elternbeiratsvorsitzenden und die Lehrer über die Rektorinnen frei und ergebnisoffen nach ihren Wünschen für eine „Grundschule 2020“ befragt.

In einem Arbeitstreffen der Eltern, Lehrer und Rektorinnen wurde aus dem Ergebnis dieser Befragung eine Auflistung erstellt, welche viele Wünsche vieler Personen beinhaltet. Dabei wurde auch deutlich, welche Selbstverständlichkeiten für den Schulbetrieb heute schon fehlen und welche Notwendigkeiten für die Zukunft erkannt werden. Die Ergebnisse vieler Workshops, der Besichtigung, einiger Klausurtagungen und Wochenenden der Arbeitskreise in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen mündeten dann im Juni dieses Jahres in einem ausführlichen, mit Zahlen, Daten und Fakten unterlegten Eckpunktepapier. Aus diesem Papier wurde eine Qualitätsmatrix mit dem Titel "Der Rheinstettener Weg" erstellt. Die Qualitätsmatrix fasst die wichtigsten Ergebnisse und Wünsche auf wenigen Seiten zusammen und diente als Grundlage für den Beschluss durch den Gemeinderat.

Kernaussagen der Qualitätsmatrix zu den Grundschulen in 2020

  • Ganztagesschule – Ganztägig leben und lernen.
  • Die Betreuungssituation der Eltern soll stärker berücksichtigt und der steigenden Nachfrage an verlässlichen Betreuungszeiten durch eine Ausweitung des Angebotes begegnet werden. Das heißt, dass die Betreuungszeiten in Zukunft im Vergleich zu heute (z. B. im Hort) noch ausgeweitet werden sollen – auch in den Ferienzeiten.
  • Die Eltern sollen die Wahlfreiheit haben, ob sie Ihr Kind im Ganztageszug oder im Regelbetrieb an den Schulen anmelden.
  • Schulen geben sich eine neue Rhythmisierung, d.h. Unterricht und Lernen wechseln sich mit Spiel und Entspannung über den Tag verteilt ab.
  • Neue Lernkultur – Auf dem Weg zum lebenslangen Lernen.
  • Neue Formen der Wissensvermittlung, d.h. stärkere Differenzierungs- und Fördermaßnahmen kommen unseren Kindern zugute. Der Unterricht erfolgt fächerübergreifend und fächerverbindend.
  • Mehr eigenverantwortliches Lernen in einer neuen Lernorganisation, d.h. z.B. individuelles, personalisiertes und differenziertes Lernen unserer Kinder.
  • Lernort und Rollen verändern sich, indem die Lehrer als Teams zusammenarbeiten und gemeinsam den Unterricht für die Schüler/-innen vorbereiten.
  • Schule als Lebensraum – Der Raum ist der „3. Pädagoge“.
  • Schule ist mehr als das Aufeinanderfolgen von Unterricht und Pausen, die Schule wird vom Lernraum zum Lebensraum ausgestaltet. Das bedingt eine großzügige Raumgestaltung, neue Räume und eine gute Ausstattung der Schulen.
  • Neuer Schulalltag: Soziale Erfahrungen. Mehr Raum für Sport und Muße.

Weshalb ist es so wichtig, die Grundschulstandorte an der Qualitätsmatrix auszurichten?

Wir sind stolz darauf, dass diese Qualitätsmatrix im September vom Gemeinderat als Grundlage für alle weiteren Planungen zur Stärkung unseres Schulstandortes einstimmig über alle Fraktionen hinweg beschlossen wurde – dies in dem Wissen, dass die Umsetzung dieser Matrix mit großem planerischem und finanziellem Aufwand für die Stadt verbunden ist. Denn letztendlich verlangt diese Qualitätsmatrix eine Vergrößerung des Raumangebots an unseren Schulen. Zudem werden neue schulische Angebote ermöglicht. Ziel ist, dass unsere Kinder im Jahr 2020 den Lern- und Lebensraum vorfinden, den wir uns heute schon für unsere Kinder wünschen.

So wird sich der Raumbedarf für eine dreizügige Grundschule im Regelbetrieb von derzeit ca. 1100 qm auf ca. 2300 qm mehr als verdoppeln. Dieses Raumprogramm beinhaltet neben den Klassenräumen z. B. Differenzierungsräume, Räume für die Schulsozialarbeit an Grundschulen, Ruhe-, Tobe- und Spielräume, eine Mensa und eine Aula. Dieser Raumbedarf kann nicht an allen Standorten umgesetzt werden.

Daher hat der Gemeinderat die Verwaltung im Oktober beauftragt, anhand dieses erweiterten Raumprogramms zu prüfen, wie dieses auf die vorhandenen Schulgebäude in unserer Stadt passt. Zur Bewertung möglicher Standorte hat das Stadtbauamt ein Punktesystem erarbeitet, mit dem jedes Schulgebäude objektiv begutachtet werden kann. Dabei werden in einer Tabelle sowohl standortbezogene Faktoren (Lage im Ort, Entfernung zu Haltestellen) als auch Kostenfaktoren (für Sanierung und notwendige Umbauten) berücksichtigt. Über die Gewichtung der einzelnen Faktoren haben der Ältestenrat der Stadt und der Arbeitskreis Schulentwicklung bereits abschließend beraten.

Diese Tabelle hat das Stadtbauamt nun mit messbaren und berechenbaren Werten für alle in Frage kommenden Standorte gefüllt.

Wie geht es weiter?

Auf dieser Basis wird der Gemeinderat am 16. Dezember 2014 darüber entscheiden, welche Grundschulstandorte zukünftig saniert und ausgebaut werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch eine Entscheidung darüber, welche Standorte mittelfristig aufgegeben werden.

Wann werden voraussichtlich die ersten Grundschulen zusammengeführt?

Aus unserer Sicht heißt das nicht, dass bereits in ein oder zwei Jahren Schulen zusammengeführt werden müssen. Zuerst müssen Sanierungs- und Erweiterungspläne erarbeitet werden, hierzu wird es wieder Architektenwettbewerbe geben. Letzten Endes muss dann der Gemeinderat über die Vergabe und vor allem die Finanzierung beraten und entscheiden. Anschließend wird die eigentliche Bauphase folgen. Zeitgleich werden die bestehenden und zukünftig zusammengeführten Grundschulen gemeinsam ihr neues pädagogisches Profil für die erweiterten Räumlichkeiten erarbeiten müssen. Hierbei werden bestehende Angebote (z. B. aktuelle Schulprofile und Unterrichtsformen) berücksichtigt und Gutes und Bewährtes in die Zukunft getragen werden. Bis das alles abgeschlossen und die „neuen“ Gebäude bezogen werden können, gehen sicherlich noch einige Jahre ins Land. Daher auch der Name des Arbeitskreises: „Grundschule 2020“.

Wie Sie sehen, geht es mit großen Schritten voran. Der Großteil des Weges liegt aber noch vor uns. Wir haben erreicht, dass der Gemeinderat unserer Stadt viel Geld in unseren Schulstandort investieren will. Hierdurch wird den Eltern in Zukunft ein möglichst großes Angebot an schulischer Betreuung ermöglicht – wenn auch nicht mehr an jedem Standort.

Unsicherheiten bei Veränderungen sind verständlich, denn jeder von uns hat aufgrund seiner Erfahrung und seiner Gewohnheit, seiner Schule und seinen Erinnerungen seine eigene Vorstellung der Schule von heute – aber gemeinsam haben wir unsere Vorstellung der Schule von morgen entwickelt. Mit neuen Räumen, mit neuen Möglichkeiten.

Und das ist unser, das ist der Rheinstettener Weg! An diesem wollen wir festhalten und an der bisher in diesem Prozess offenen Kommunikation und Wertschätzung aller Beteiligten untereinander bis zum Abschluss der baulichen Umsetzung festhalten. Damit wir diesen Weg zum Wohle unserer künftigen Schulkinder auch gemeinsam zu Ende gehen können.

Hierfür stehen wir mit unserem Namen.

Sebastian Schrempp Oberbürgermeister

Manuela Zöller  Schwarzwaldschule

Doris Wesserling Rheinwaldschule

Edeltraud Eich Pestalozzi-Schule

Rosemarie Peregovits  Albert-Schweitzer-Schule

Edeltraud Schwarz  Johann-Rupprecht-Schule

Daniel Geisbauer Gesamtelternbeiratsvorsitzender