Der Abgasskandal (Foto: Pixabay)

Glaubt man dem Daimler-Konzern, dann gibt es in verschiedenen Diesel-Fahrzeugen des Herstellers keinerlei unzulässige Abschalteinrichtungen. Mittlerweile sehen das einige Gerichte durchaus anders und ein neuerliches Gutachten könnte den Konzern durchaus in Erklärungsnot und Bedrängnis bringen.

Mehrheit der Klagen abgewiesen – Änderung in Sicht

Von rund 25.000 Haltern von Diesel-Fahrzeugen wurde Daimler einstweilen auf Schadenersatz verklagt. Nach Auffassung der Kläger und ihrer Anwälte sind in den Autos unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut. Bislang wurden etwa 95 % der Klagen abgewiesen, zumeist mit der Begründung, dass die Behauptung haltlos sei. Die Beweislast in solchen Verfahren liegt bei den Klägern und diese bekommen nun Wind auf die Mühlen.

Laut Gutachten – Acht Abschalteinrichtungen verbaut

Ein aktuelles Gutachten kommt jetzt allerdings zu dem Ergebnis, dass der Konzern in die Steuerungssoftware eines Diesel-Modells alles in allem acht dem Anschein nach unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut hat. Der Software-Entwickler Domke hat die Steuersoftware einer E-Klasse mit dem Diesel Motor Typ OM642 ausgelesen. Den Auftrag dazu erhielt er von einer Anwaltskanzlei aus den USA, die in einigen Ländern Europas Klagen gegen den Daimler-Konzern führt.

Domke selbst in der Kfz-Branche wohlbekannt, hatte er doch in 2015, als der VW-Diesel-Skandal bekannt wurde, nachgewiesen, wie der VW-Konzern die Manipulationen der Motoren vorgenommen hat. Der IT-Experte analysierte dieses Mal die Motorsteuerungssoftware eines Diesel-Modells in unterschiedlichen Fahrsituation und hat dazu etwa 10.000 Kilometer zurückgelegt. Außerdem verglich er die anfänglich verwendete Software mit einem Update, welches von Daimler entwickelt werden musste.

Seit 2019 hat das Kraftfahrtbundesamt verschiedene Diesel-Modelle angesichts unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückgerufen, unter anderem auch solche mit dem Motor, der analysiert wurde. Gegen diese Bescheide reichte Daimler Klage ein. Was nun folgt, ist für Klienten und zukünftige Klienten der Decker & Böse Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, eine der Kanzleien im Kampf gegen die Konzernmacht im Abgasskandal, von Interesse.

Systematische Drosselung des Harnstoff-Verbrauchs

Die Software-Analyse von Domke zeigt, dass sechs von acht lokalisierten Abschalteinrichtungen Auswirkungen auf die Schmutzbefreiung der Abgase mittels des Katalysators haben. Das Eindüsen des Harnstoffs AdBlue wird hierdurch erheblich gemindert. Laut Gutachten führt dies zu einem wesentlich höheren Stickoxid-Ausstoß.

Ungewöhnlich auffällig sei vor allem, dass die Software in den klar verunreinigten Modus überwechselt, sowie der Durchschnittsverbrauch des Harnstoffs eine bestimmte Menge übersteigt. Ein Abgasexperte der TH Aschaffenburg ließ verlauten, dass es sich bei dieser Art der Verbrauchsdrosselung “um die bisher abgekochteste Abschalteinrichtung handelt, die er kennt”. Er ergänzt dazu, dass er keine Rechtfertigung kennt, eine solche Dosierung vom durchschnittlichen Verbrauch abhängig zu machen. Eine derartige Vorgehensweise sei “besonders hinterlistig”.

Keine unzulässigen Abschalteinrichtungen

Gutachter Domke fand noch eine zusätzliche Abschalteinrichtung, die dazu führt, dass das Abgas-Reinigungs-System beim Motorenstart lediglich im Temperaturbereich von 19 bis 35 °C exakt läuft. Die Funktionalität ist nur gegeben, solange die Temperatur des Motors 86 °C nicht überschreitet. Diese Bedingungen treffen im Testbetrieb immer zu, im Regelfahrbetrieb werden sie hingegen nicht erfüllt, so das Gutachten.

In einer Stellungnahme teilte Daimler mit, dass die im Gutachten geschilderten Konfigurationen bekannt sind und aus Konzernsicht seien diese in der Interaktion und Gesamtkontext des hoch komplizierten Abgaskontrollsystems nicht als unzulässige Abschalteinrichtungen zu betrachten.