Früher war mehr Musik im Radio

Ein Kommentar von Hannes Blank

Man sitzt im Auto auf der A5, vielleicht zwischen Karlsruhe und Heidelberg, gerade passiert man den ewig geschlossen Parkplatz Lußhardt. Oder fährt gerade auf der B44 nach Ludwigshafen, in der Ferne kann man schon die Kräne des Hafen sehen.

Die Radiosender spielen schon seit geraumer Zeit nur noch die gleiche Handvoll Musiktitel immer wieder rauf und runter. Das soll angeblich die Hörerbindung an den Sender erhöhen. Die Titel auf den Listen der unterschiedlichen Sender sind zudem oft dieselben. Das führt zu einer gewissen Monotonie. Manche Songs, obwohl seinerzeit sehr erfolgreich, hört man im Radio nicht wieder, andere dafür um so öfter.

Das ist schade, denn keineswegs wurden Titel aussortiert, weil sie es nicht verdient haben, wieder einmal gehört zu werden, sondern die Auswahl mutet stellenweise willkürlich an. Ganz schlecht steht es um die sog. Remixes, also so eine Art Neubearbeitung altbekannter Songs: Für diese ist im Radio überhaupt kein Platz.

Aber es gibt ja noch das Internet, und dort sind mit etwas Stöbern einige Raritäten zu finden. Unter den Remixes – in den Nullerjahren waren sie sehr beliebt – gibt es zudem viele Kuriositäten. Die Grenzen zwischen Remix, Feature und Cover verschwimmen dabei zunehmend, aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass das Zuhören Spaß macht. Dann ist vielleicht auch der Dauerstau am Autobahnkreuz Walldorf erträglicher.

Eine Top Ten der kuriosesten Remixes und Coverversionen:

Platz 10. „Go Down Moses“ von Louis Armstrong im „DJ Zed Extended Club Mix“
Der biblische Song ist schon alt, ein Spiritual aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Version des Jazztrompeters und Sängers Louis Armstrong ist die mit Abstand bekannteste. DJ Zed hat dem verknatterten Song wieder richtig Pepp eingehaucht und gibt den pastoralen Anstrich weitgehend auf: Sein „Extended Club Mix“ von „Go down Moses“ wurde ein Gute-Laune-Lied mit der kernigen Stimme von Armstrong.

Platz 9: „Eleanor Rigby“ im „Sonic State Mix“ von Godhead
Erstaunlicherweise gibt es von Beatles-Songs nicht allzu viele Remixes. Ausnahme ist „Eleanor Rigby“ von 1966, das Lied rangiert in Großbritannien vier Wochen auf Platz 1. Darin geht es um die Beerdigung einer alten Frau, die offenbar ein einsames Leben führte. Das ist zwar kein Gute-Laune-Thema, aber der „Sonic State Mix“ von einem gewissen „Godhead“ holt aus dem Song noch richtig was raus und macht ihn erheblich moderner.

Platz 8: Elvis Presleys „A Little Less Conversation“ im Dj Denis RUBLEV & DJ ANTON summer mix“
Der eher unauffällige Song von 1966 war 2002 so etwas wie die Initialzündung, aus altem Hitparadenmaterial etwas Halbneues zu machen. Tatsächlich wurde dann der Remix des lebenslustigen Liedes erfolgreicher als das Original.

Platz 7: „Zarah“ im Dance Mix von Nina Hagen
„Davon geht die Welt nicht unter“ der schwedischen Sängerin Zarah Leander, der just 1942 in Deutschland ein großer Erfolg wurde, mutet es gruselig an. Die Coverversion der Ost-Berlinerin Nina Hagen (Veröffentlichung 1983) gab dem alten Song einen neuen, fast bizarren, wuchtigen Dreh. Eine Schippe drauf setzt der Dance Mix.

Platz 6: Queen – Bohemian Rhapsody (Moska Tribute Mix)
45 Sekunden braucht es, bis der Queen-Klassiker überhaupt zu erkennen ist. Der Moska Tribute Mix hat den Song komplett auseinander genommen und wieder zusammengesetzt – mit einen tollen Ergebnis.

Platz 5: Riders on the Storm (Infected Mushroom Rmx) The Doors
Was ein infektiöser Pils mit dem legendären The Doors-Hit „Riders on the Storm“ aus dem Album „L.A. Woman“ von 1971, erschließt sich nicht. Den viereinhalb Minuten langen „Infected Mushroom Rmx“ muss man nun der elektronischen Musik zurechnen. Das ist so gut gelungen, dass der psychedelischen Song auf jeden Fall in die Top 5 der besten Remixes gehört.

Platz 4: „Gold“ von Spandau Ballet im Paul Oakenfold
Der britische Trance-DJ Paul Oakenfold hat schon viele alte Pophits durch den den Remixwolf gedreht. Besonders gut gelungen ist ihm dies bei dem 80er Jahre-Hit „Gold“ von Spandau Ballet im „Club Mix“.
Always believe in your soul
You’ve got the power to know
You’re indestructable
Always believe in
‚Cause you are gold (gold)
Glad that you’re bound to return
There’s something I could have learned
You’re indestructable
(Refrain von „Gold“)

Platz 3: „Sweet Dreams“ von „Eurythmics“ im „DJ Trance Mix“
Von kaum einem Popsong gibt es so viele Versionen wir für diesen (ähnlich viele kurioserweise auch von Suzanne Vegas „Tom’s Diner“). Der DJ Trance Mix ist deshalb vielleicht der Aussergewöhnlichste, weil er den Gesang von Annie Lennox komplett auseinandernimmt und über die bekannten Rhythmus in kleinsten Häppchen verteilt.

Platz 2: „Fade to Grey“ von „Nouvelle Vague feat. Marina Celeste“
Wie verrückt muss man sein, um den Synthie-Pophit „Fade to Grey“ der Band „Visage“ aus dem Jahre 1980, auf dem Akkordeon, also auf der Ziehharmonika nachzuspielen? Das ist sehr schräg, beide Dinge passen aber weitaus besser zusammen, als man es vorab vermuten mag. Das Akkordeon steht sowieso für eine gewisse musikkulturell-tranige Verlorenheit. Und der Songtext von „Fade to Grey“ liefert den Text dazu:

Stepping out from a back shop poster
Wishing life wouldn’t be so long
(Devenir gris)

Platz 1: „ No, je ne regrette rien“ von Edith Piaf im „Skorpionz Mix“
Fängt ganz normal an, wie eben der originale Song von einer Frau, die ihr Leben Revue passieren lässt: Sehr französisch. Aber nach 30 Sekunden schleichen sich auf dem Hintergrund fremde Klänge ein, die Frau Piaf sicherlich unbekannt waren. Nach etwa 80 Sekunden geht es so richtig los. Harte Techno-Beats ergänzen das Lied, das dadurch nochmal so richtig Power bekommt. Der blanke Wahnsinn.