VG Neustadt: Abfallanlagen in Neustadt-Branchweiler – Betreiberklage der Stadt erfolglos

Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 28. Oktober 2020 – 5 K 1374/19.NW

Neustadt an der Weinstraße – Die Stadt Neustadt/Wstr. ist mit ihrer Klage gegen den Feststellungsbescheid der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd vom 29. Juni 2018, sie sei Betreiberin der Abfallanlagen auf dem Abfallwirtschaftszentrum (AWZ) im Stadtviertel Branchweiler, gescheitert. Beteiligt als Beigeladene im Verfahren war die Firma Gerst Recycling GmbH, für die das Urteil damit auch Wirksamkeit entfaltet.

Die klagende Stadt Neustadt/Wstr. unterhält im Neustadter Stadtviertel Branchweiler auf in ihrem Eigentum stehenden Gelände durch ihren Eigenbetrieb Stadtentsorgung (ESN) u.a. die stillgelegte Deponie Maifischgraben. Darauf befinden sich im AWZ mehrere Abfallanlagen, und zwar eine Anlage zur Aufbereitung von Bauschutt, eine Anlage zur Kompostierung von Grünabfällen, eine Anlage zur Behandlung ölkontaminierter Böden (Biobeet-Anlage), eine Anlage zur Zwischenlagerung und Aufbereitung von teerhaltigem Straßenaufbruch sowie eine Anlage zur Sortierung und zum Umschlag gemischter Siedlungsabfälle. Die jeweiligen Genehmigungen für diese Anlagen wurden der Klägerin von der Bezirksregierungen Rheinhessen-Pfalz bzw. ab dem Jahr 2000 von der SGD Süd erteilt. Seit dem Jahre 1981 ist die Firma Gerst, ein u.a. auf Bauschuttaufbereitung und Aufbereitung und Verwertung von teerhaltigem Straßenaufbruch spezialisiertes Unternehmen, in den Betrieb der Abfallanlagen involviert.

Nachdem im Sommer 2017 die Staatsanwaltschaft Frankenthal wegen illegaler Ablagerung von Abfällen auf der Deponie Maifischgraben u.a. ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen einen Angestellten dieser Firma eingeleitet worden war, machte die Klägerin gegenüber der SGD Süd geltend, der ESN sei nicht Betreiber der Anlagen des AWZ, sondern die beigeladene Firma Gerst. Daraufhin stellte die SGD Süd mit Bescheid vom 29. Juni 2018 fest, dass die Klägerin Betreiberin der Abfallanlagen des AWZ sei. Am 1. Oktober 2018 kündigte die Klägerin den mit der Firma Gerst geschlossenen Vertrag und reichte Räumungsklage ein. Dieser hat das Landgericht Frankenthal inzwischen stattgegeben. Die Streitsache ist nunmehr beim Oberlandesgericht Zweibrücken anhängig.

Den von der Klägerin eingelegten Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 29. Juni 2018 wies die SGD Süd im November 2019 zurück. Daraufhin erhob die Klägerin im Dezember 2019 Klage, die sie damit begründete, aus den Verträgen ergebe sich, dass nicht sie, sondern die beigeladene Firma Gerst Recycling Betreiberin der Abfallanlagen im AWZ sei. Denn diese Firma handele in eigener Regie und auf eigene Kosten. Unabhängig von den vertraglichen Regelungen sei es gerade nicht das gemeinsame Verständnis aller Beteiligten gewesen, dass der ESN die Stellung als Betreiber innegehabt habe. Sie sei zu einer tatsächlichen Einwirkung auf die Anlage oder andere Gefahrenquellen nicht in der Lage gewesen und habe nicht die notwendige Entscheidungsgewalt innegehabt.

Die 5. Kammer des Gerichts hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

Der Beklagte habe nach Ansicht der Kammer zu Recht die Feststellung getroffen, dass die Klägerin in Form ihres rechtlich unselbstständigen Eigenbetriebs ESN und nicht die Beigeladene Betreiberin der verschiedenen immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlagen im AWZ sei.

Anlagenbetreiber sei derjenige, der unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Gegebenheiten den bestimmenden Einfluss auf Errichtung, Lage, Beschaffenheit und Betrieb der Anlage ausübe. Für die rechtliche und wirtschaftliche Betrachtung von maßgeblicher Bedeutung sei, wer die Entscheidung über die für die Erfüllung der Umweltpflichten maßgeblichen Umstände trage. Denn der Betreiber sei nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes der Verantwortliche für die Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge.

Eine Gesamtwürdigung aller Umstände ergebe vorliegend, dass die ordnungsrechtliche Verantwortung für die Abfallanlagen auf dem Gelände des AWZ von Anfang an, d.h. teilweise schon ab Oktober 1981, bei der Klägerin gelegen und sich daran bis zum Tag der Entscheidung durch das Gericht nichts Substanzielles geändert habe. Die der Beigeladenen von der Klägerin eingeräumten rechtlichen und tatsächlichen Befugnisse habe nicht ein solches Ausmaß erreicht, dass dieses Privatunternehmen damit auch selbst zur Betreiberin der Abfallanlagen im AWZ geworden sei. Sowohl die Bezirksregierungen Rheinhessen-Pfalz als auch ab 2000 die SGD Süd hätten die Klägerin als verantwortliche Betreiberin der Anlagen auf dem AWZ behandelt, ohne dass die Klägerin dem bis zum Jahre 2018 widersprochen hätte. Die Klägerin habe sich der ihr vom Beklagten auferlegten umweltrechtlichen Verantwortung in all den Jahren auch tatsächlich gestellt. Sie habe ihre bestimmende Rolle in sämtlichen Angelegenheiten des AWZ wahrgenommen, insbesondere im Zusammenhang mit den erfolgten Nachbarbeschwerden. Gegen die in all den Jahren ergangenen Ordnungsverfügungen habe die Klägerin sich nicht mit der Begründung zur Wehr gesetzt, sie sei der falsche Adressat.

Dem Einwand der Klägerin, sie habe zuletzt keine Einwirkungsmöglichkeiten mehr auf die in Rede stehenden immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen gehabt und sei von der Beigeladenen in Bezug auf Auskünfte zu den Anlagen an deren Rechtsanwälte verwiesen worden, komme daher keine wesentliche Bedeutung mehr zu. Allein ein stillschweigendes Gewährenlassen nehme der Klägerin nicht in rechterheblicher Weise den bestimmenden Einfluss auf den umstrittenen Betrieb.

Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.


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