Schlüsselzuweisung an Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach wegen Nichtberücksichtigung kasernierter US-Streitkräfte verfassungswidrig?

Frage dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt

Ramstein-Miesenbach / Neustadt an der Weinstraße – Ist die Schlüsselzuweisung des beklagten Landes Rheinland-Pfalz an die klagende Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach für das Haushaltsjahr 2013 wegen Nichtberücksichtigung kasernierter US-Streitkräfte verfassungswidrig? Diese Frage legt das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße mit Beschluss vom heutigen Tage dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz vor.

Nach der Grundkonzeption des Landesfinanzausgleichgesetzes (LFAG) wird der Finanzbedarf einer Gemeinde im Wesentlichen durch die Zahl der Einwohner bestimmt, für die kommunale Einrichtungen vorgehalten und Leistungen erbracht werden müssen. Dieser Systematik entsprechend stellt der Gesetzgeber zur Festsetzung der für die Bemessung der Schlüsselzuweisung B2 maßgeblichen Bedarfsmesszahl auf die Zahl der Einwohner ab, die zu einem bestimmten Stichtag mit ihrer Hauptwohnung den melderechtlichen Vorschriften unterliegen. Dieser Hauptansatz wird zum Ausgleich besonderer Belastungen durch so genannte Leistungsansätze ergänzt. So werden in der Finanzverteilung des kommunalen Finanzausgleichs zu den mit Hauptwohnsitz gemeldeten Einwohnern bestimmte „Sondereinwohner" im Rahmen von Leistungsansätzen hinzugezählt. Dazu gehören insbesondere die nicht kasernierten Soldaten, Familienangehörigen und Zivilangehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte, soweit diese nicht den deutschen Meldevorschriften unterliegen.

Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehen seit Jahren unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der konkreten Anzahl der in der Verbandsgemeinde zu berücksichtigenden nicht kasernierten Soldaten, Familienangehörigen und Zivilangehörigen der ausländischen Stationierungskräfte.

Mit Bescheid vom 9. September 2013 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Schlüsselzuweisungen endgültig fest. U.a. brachte er für nicht kasernierte Soldaten, Familienangehörige und Zivilangehörige der ausländischen Streitkräfte, unabhängig davon, ob sie in den amerikanischen Housings „on base“ oder in einer Zivilgemeinde wohnen, zum Stichtag 30. Juni 2012 2.442 Personen in Ansatz.

Die Klägerin hat dagegen im April 2014 Klage erhoben und geltend gemacht, der  Beklagte habe bei seiner Berechnung des Leistungsansatzes für nicht kasernierte Soldaten, Familienangehörige und Zivilangehörige der ausländischen Streitkräfte eine zu geringe Anzahl dieser Personen zugrunde gelegt. Tatsächlich liege die Zahl um bis zu 2.800 Personen höher. Bis zu 1.500  Personen seien von den amerikanischen Militärbehörden der Klägerin unzutreffenderweise überhaupt nicht gemeldet worden. Weitere rund 1.300 Personen würden von dem Beklagten als nicht berücksichtigungswürdig gewertet, weil er diese als kasernierte Soldaten ansehe, da diese in den sog. Barracks „on base“ untergebracht seien.

Die 3. Kammer des Gerichts hat das Klageverfahren gemäß Art. 130 Abs. 3 Landesverfassung Rheinland-Pfalz (LV) ausgesetzt, um eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz einzuholen. Die 3. Kammer hält die Regelung im Landesfinanzausgleichgesetz, wonach kasernierte Soldaten ausländischer Stationierungskräfte bei dem Leistungsansatz für „Sondereinwohner“ nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG unberücksichtigt bleiben, für nicht vereinbar mit Art. 49 Abs. 6 LV.

Taugliches Merkmal einer systemkonformen Differenzierung zwischen nicht kasernierten Soldaten, Familienangehörigen und Zivilangehörigen einerseits und kasernierten Soldaten andererseits könnte das unterschiedliche Maß ihrer Einbindung innerhalb der Stationierungsstreitkräfte sein. Allein diese Unterschiede begründen nach Auffassung der Kammer aber noch nicht die Annahme, das Verhalten der verschiedenen Gruppen in ihrem privaten Wohnumfeld weiche so erheblich voneinander ab, dass ihre unterschiedliche Berücksichtigung im Rahmen des Leistungsansatzes im kommunalen Finanzausgleich durch den Gesetzgeber vertretbar sei. Sowohl den nicht kasernierten Soldaten, Familienangehörigen und Zivilangehörigen als auch den kasernierten Soldaten stünden in gleicher Weise Einrichtungen der Stationierungsstreitkräfte (z.B. Einkaufsmöglichkeiten, Sportstätten) zur Verfügung. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese Einrichtungen auf dem Militärgelände von den nicht kasernierten Soldaten, Familienangehörigen und Zivilangehörigen in geringerem Umfang genutzt würden als von den kasernierten Soldaten. Ein Unterschied in dem Nutzungsumfang dieser von den Streitkräften vorgehaltenen Einrichtungen und damit verbunden eine unterschiedliche Nutzung kommunaler Einrichtungen der Klägerin sei insbesondere nicht im Verhältnis der „on base“ in Gemeinschaftsunterkünften („Soldatenwohnheim“) untergebrachten kasernierten Soldaten zu den „on base“ in Housings untergebrachten nicht kasernierten Soldaten mit ihren Familien zu sehen. Plausible Gründe für die Begrenzung des Leistungsansatzes auf nicht kasernierte Soldaten unabhängig davon, ob sie „on base“ oder „off base“ wohnen würden, seien nicht zu erkennen. Hierin sieht die Kammer eine mit Art. 49 Abs. 6 Landesverfassung unvereinbare Systemwidrigkeit.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 3 K 359/14.NW –.