Gesetzespaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität – Bundesregierung bringt Gesetzentwurf auf den Weg

Berlin – Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschlossen. Der Gesetzentwurf setzt das Maßnahmenpaket um, das die Bundesregierung am 30. Oktober 2019 nach dem rechtsterroristischen Anschlag auf die Jüdische Gemeinde in Halle beschlossen hat.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt: „Der jüngste Schlag gegen eine mutmaßliche rechtsextremistische Terrorzelle zeigt erneut, wie Extremisten sich zusammenschließen und bewaffnen, um Menschen in unserem Land und unsere Demokratie zu attackieren. Wir müssen den Nährboden austrocknen, auf dem dieser Extremismus gedeiht. Die Flut menschenverachtender Volksverhetzungen und Bedrohungen im Netz lässt Hemmschwellen sinken.

Die Spirale von Hass und Gewalt müssen wir stoppen. Mit dem Gesetzespaket, das wir heute auf den Weg gebracht haben, nehmen wir Hasskriminalität sehr viel stärker ins Visier. Wer im Netz hetzt und droht, wird künftig härter und effektiver verfolgt. Hass-Straftaten sollen endlich dort landen, wo sie hingehören: vor Gericht.

Der Hass trifft Juden, Muslime, Flüchtlinge und besonders häufig Frauen, bis hin zu widerwärtigen Vergewaltigungsdrohungen. Rassismus und Frauenhass liegen bei Hetzern oft nahe beieinander.

Drohungen mit sexuellen Übergriffen und Drohungen mit Gewalttaten sollen künftig strafbar sein – anders als bislang. Vergewaltigungsdrohungen sollen ebenso wie Morddrohungen und Volksverhetzungen von den sozialen Netzwerken an das Bundeskriminalamt gemeldet werden müssen.

Und: Der Hass trifft unsere Demokratie mitten ins Herz. Für viele, die sich für ein menschliches Deutschland engagieren, sind Drohungen Alltag geworden. Manche haben sich zurückgezogen – aus der öffentlichen Debatte, aus ihren Ämtern oder ihrem Engagement. Das dürfen wir niemals hinnehmen. Daher schützen wir Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker besonders. Zudem sehen wir wichtige Änderungen im Melderecht vor, damit Adressen leichter gesperrt werden können.“

Der Gesetzentwurf enthält folgende Kernpunkte:

1. Änderungen des Strafgesetzbuchs

  • § Bedrohung (§ 241 StGB): Bislang ist nach § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen – meist die Morddrohung – strafbar. Künftig sollen auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert, die sich gegen die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen richten, strafbar sein. Der Strafrahmen soll bei Drohungen im Netz bei bis zu zwei Jahren – und bei der Drohung mit einem Verbrechen, die öffentlich erfolgt, bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe liegen. Bislang ist der Strafrahmen bei Bedrohungen bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
  • § Beleidigung (§ 185 StGB): Öffentliche Beleidigungen sind laut und aggressiv. Für Betroffene können sie wie psychische Gewalt wirken. Wer öffentlich im Netz andere beleidigt, soll künftig mit bis zu zwei statt mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden können.
  • § Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB): Der besondere Schutz des § 188 StGB vor Verleumdungen und übler Nachrede soll ausdrücklich auf allen politischen Ebenen gelten, also auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker.
  • § Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB): Künftig soll auch die Billigung künftiger schwerer Taten erfasst sein, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies richtet sich gegen Versuche, ein Klima der Angst zu schaffen. Das öffentliche Befürworten der Äußerung, jemand gehöre „an die Wand gestellt“ ist ein Beispiel für die künftige Strafbarkeit.
  • § Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB): Hier soll künftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung umfasst sein.
  • § Antisemitische Tatmotive sollen ausdrücklich als strafschärfende Beweggründe in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden (§ 46 Abs. 2 StGB). Die Änderung ist eine Reaktion auf einen enormen Anstieg antisemitischer Straftaten – seit 2013 um über 40 Prozent.
  • § Schutz von Notdiensten (§ 115 StGB): Mancherorts ist es Alltag, dass Rettungskräfte, Ärzte und Pfleger attackiert werden. Rettungskräfte im Einsatz sind erst vor zwei Jahren strafrechtlich besser vor Attacken geschützt worden. Dieser Schutz soll nun auf Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen ausgedehnt werden.

2. Pflicht sozialer Netzwerke zur Meldung an das Bundeskriminalamt

Soziale Netzwerke sollen strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in bestimmten schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen, damit die strafrechtliche Verfolgung ermöglicht wird. Um Täter schnell identifizieren zu können, müssen soziale Netzwerke dem BKA auch die letzte IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war, mitteilen. Die Meldepflicht soll folgende Straftaten umfassen:

  • § Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB)
  • § Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB) sowie Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB)
  • § Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB)
  • § Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)
  • § Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit (§ 241 StGB)
  • § Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen (§ 184b StGB)

Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sind nicht von der Meldepflicht umfasst. Soziale Netzwerke sollen allerdings künftig Nutzerinnen und Nutzer darüber informieren, wie und wo sie Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen können.

3. Änderung des Melderechts

Künftig sollen von Bedrohungen, Beleidigungen und unbefugten Nachstellungen Betroffene leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen können und so davor geschützt sein, dass ihre Adressen weitergegeben werden. Dazu soll § 51 des Bundesmeldegesetzes geändert werden. Die Meldebehörden sollen berücksichtigen müssen, ob die betroffene Person einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen oder Angriffen ausgesetzt sieht. Bei einer melderechtlichen Auskunftssperre wird (wie bisher) bei Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben.