Wir sind Richter – Twitter, die Medien und der Hoeneß-Prozess – Die dunkle Seite einer Demokratie

Nun ist er zu Ende. Der Prozess, den man sicherlich als Prozess des Jahres bezeichnen darf. Uli Hoeneß wurde vom Landgericht München II zu 3 Jahren und 6 Monaten wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Der Prozess war wie nicht anders zu erwarten, begleitet von Polarisierungen sowohl auf der einen, als auch auf der anderen Seite.

Auf der einen Seite die Anhänger, die ihren Uli nicht im Gefängnis sehen. Auf der anderen Seite die Verteidiger des Rechtsstaates, die die Taten von solch ungeheurem Ausmaß in jedem Fall geahndet sehen wollen.

Eine Sonderrolle spielen wieder einmal die Medien und das Internet. Bereits vor Beginn begannen auf Twitter Häme und Spott. Vermeintlich sarkastische und vorgeblich witzige Tweets sollten dies sein. Während des Prozesses überschlugen sich die unlustigen Trittbrettfahrer. Viele kopierten die Sprüche und Bilder. Eine gigantische Flut ergoß sich unter dem Hashtag „#hoenessprozess“.

Üble Hetzjagd

Ich war schockiert über das Ausmaß der Tweets und Posts. Dabei hatten wir uns alle informative Tweets erwartet. Das Niveau sank von Stunde zu Stunde und hatte am Ende nicht mal mehr Boulevard-Level. Selbsternannte Richter, Comedy-Autoren und scheinheilige Wichtigtuer wechselten sich im Sekundentakt ab. Es war in höchsten Maße beleidigend.

Die Hetzjagd gipfelte in dem Überbieten des gewünschten Strafmaßes. Medien beteiligten sich ebenfalls. Unter Ausblendung des Pressekodexes wurden niedrigste Instinkte bedient. Die Menschlichkeit, die Objektivität und die Fairness wurden Klickzahlen und Auflagenzahlen geopfert.

Allen voran: BILD

Die Bildzeitung toppte, wie immer zum Schluß mit der größten aller Anmaßungen: Im Namen aller ehrlichen Steuerzahler  Verknackt Hoeneß! ..

Konnten wir mit den grössten aller möglichen Buchstaben lesen.

Selbst Richter Rupert Heindl, der Vorsitzende der 5. Strafkammer, war das zuviel. Er watschte die Medien deutlich ab. So habe es ihn genervt, ließ er während der Urteilsbegründung verlauten. Gemeint waren sicherlich alle Medien.

Ein Medium als oberste, richterliche Möchtegern-Instanz? Ein Medium, das Rügen vom Presserat sammelt, wie normale Menschen Software auf dem PC. Ausgerechnet dieses Medium spielt sich in einer Weise auf, die journalistisch nicht mehr tragbar ist. Vierte Gewalt ja – Richter Ratschläge (Anweisungen) durch die Hintertür geben zu wollen – Nein.

Der Medienprozess

Es war im Vorfeld bereits erkennbar, dass sich dieser Prozess auch im Internet abspielen wird. Und so überboten sich die Tweets mit Beleidigungen, Mißgunst und vielen schlechten Wünschen. Was Uli Hoeneß gemacht hat, war nicht gut. Er hatte bis zum Schluß gepokert. Richter Heindl attestierte ihm ein taktisches Vorgehen. Selbst als der Ankauf der Schweizer Steuer-CD bekannt wurde, habe er, Hoeneß, nicht reagiert.

Nach dem Scheitern des Steuerabkommens Deutschland-Schweiz wäre es höchste Zeit gewesen. Auch in dieser Situation hat Hoeneß nicht den Ernst der Lage erkannt. Wer mit solchen Summen am Fiskus vorbei agiert, riskiert viel. Und manchmal geht es eben schief. Deswegen ist er noch lange kein schlechter Mensch und ein kranker schon gar nicht.

Nun hat er alles verloren.

Sein Lebenswerk, seine Reputation, sein Geld und seine Freiheit. Und natürlich trägt er daran Schuld und ist voll verantwortlich. Weder die Bank noch seine Berater, wie der vorsitzende Richter deutlich machte.

Dennoch ist ein solcher Prozess trotz hoher Medienaufmerksamkeit eine persönliche Sache.

Dass sich Einige mittels Twitter & Co als Richter aufgespielt haben, liegt an den Medien selbst. Zumindest bei Twitter gab es kein Halten und keine Grenze.

Um es klar und deutlich zu sagen: Liebe Twitterer – Ihr wart weder witzig noch informativ. Ihr habt dazu beigetragen, dass das Internet wieder mal als Tummelplatz für Hetzjagden angesehen wird. Demokratie von der dunkelsten Seite.

Uli Hoeness akzeptiert das Urteil

Er hat das einzig Richtige getan. Er hat seine Ämter niedergelegt und stellt sich der Sache. Eine Revision hätte nichts gebracht. Bleibt zu hoffen, dass ihm Familie und Freunde entsprechende Unterstützung geben können um die schwere Zeit durchzustehen. Und dass so mancher Journalist sich in Zukunft besinnt:

Herr Hoeness ist nach Niederlegung seiner Ämter ein Privatmann. Und nun sollte ab sofort die Privatsphäre gelten. Auch wenn das so mancher der totschreibenden Zunft aus monetären Gründen anders sehen mag. Liegt jemand am Boden, ist es ganz schlechter Stil noch nachzutreten.

Am Ende nur Verlierer

Es bleibt anzumerken, dass nur Verlierer übrigbleiben: Der Verurteilte, die Medien, die Twitterer. Und liebe Bildredaktion. Ihr habt zwar Klicks generiert und eure Auflage erhöht. Trotzdem könnt ihr darauf nicht stolz sein. Und die Frage, wann er seine Haftstrafe antritt, ist seine private Angelegenheit. Das solltet ihr akzeptieren und die Treibjagd einstellen.

Ich frage Euch: Seid ihr nun Alle zufrieden?

Schämt Euch …