LSB-Forum zur Gewinnung und Bindung von Schiedsrichtern in Mainz

Patenprogramme und mehr öffentliche Würdigung

Die Diskutanten Roland Schäfer, Moiken Wolk, Erich Schneider (Fußball), Marco Marzi (Basketball), Andreas Adam (Ringen), Thorsten Kuschel (Handball) und Moderator Prof. Dr. Eike Emrich.

Eine höhere Aufwandsvergütung, die Einrichtung einer Beratungsstelle für Konflikte, transparentere Auf- und Abstiegskarrieren, kreative Werbekampagnen und nicht zuletzt mehr öffentliche Würdigung: Die Dach- und Fachverbände in Rheinland-Pfalz können einiges tun, um Kampf- und Schiedsrichter künftig besser zu unterstützen. Das wurde beim Forum unter dem Motto "Ohne Sie geht gar nichts! – Gewinnung und Bindung von Schiedsrichtern als Problem des organisierten Sports" deutlich, zu dem der Landessportbund an diesem Samstag in die Lotto Lounge der Mainzer Coface Arena geladen hatte.

Auch eine praxisnähere Ausbildung, Patenprogramme sowie eine psychologische Betreuung von Schiedsrichtern nach Übergriffen können helfen, neue Unparteiische zu gewinnen bzw. bereits aktive Schiris bei der Stange zu halten. "28 Prozent fühlen sich durch den Verband gut betreut, fast 60 Prozent sind jedoch der Auffassung, dass der Verband mehr für Schiedsrichter tun kann", kommentierte Referent Christian Rullang, Doktorand an der Universität des Saarlandes, vor mehr als 50 Zuhörern. Natürlich seien Schiedsrichter zuweilen Opfer von Tätlichkeiten, es gebe auch Beleidigungen und Bedrohungen. 27 Prozent der Befragten seien im Rahmen ihrer Tätigkeit schon einmal beleidigt worden. Aber nur 4,6 Prozent hätten angegeben, häufig oder sehr häufig bedroht worden zu sein. Auch (versuchte) tätliche Angriffe, Beschimpfungen oder Verfolgungsjagden seien die Ausnahme. Grundsätzlich reiche die Palette der unerfreulichen Vorkommnisse allerdings vom Schubser bis hin zu Drohbriefen, Drohanrufen oder sogar der Pistole am Kopf nach dem Spiel. Insgesamt 16,1 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal Opfer körperlicher Übergriffe geworden zu sein, 2,9 Prozent schon mehrmals.

Hauptreferent Prof. Dr. Eike Emrich bezeichnete in seinem Vortrag über die Rekrutierung, Bindung und Ausstiegsgründe von Schiedsrichtern den Regelhüter als "sozialen Dritten – er ist dabei, gehört aber nicht dazu". Aufmerksamkeit erfahre ein Referee nur im Falle von Fehlentscheidungen. "Für den Verband ist er Agent der sozialen Kontrolle und verlängerter Arm, für gegnerische Mannschaften neutraler Dritter und Garant der Chancengleichheit und für die Zuschauer je nach Identifikationsneigung irrelevant, institutionalisierter Sündenbock oder Anlass geselliger Kommunikation", dozierte der Vorsitzende des LSB-Kuratoriums Sportwissenschaft. Die Qualität eines Schiedsrichters zeige sich in der Bewältigung des Zielkonflikts zwischen Regelüberwachung und Wahrung des Spielflusses.

Laut Emrich, der wie Rullang die Ergebnisse einer im Spätsommer 2013 durchgeführten Befragung von knapp 5.000 Schiris präsentierte, gibt es bei Schiedsrichtern "offenbar so etwas wie eine Ehrenamtspersönlichkeit". Drei Viertel der Unparteiischen würden ihren Job als Ehrenamt betrachten. "Sie vergleichen ihre Tätigkeiten am ehesten mit denen von Richtern, Polizisten, Sportlern, Lehrern, Sozialarbeitern und Regisseuren", so der Inhaber des Lehrstuhls für Sportökonomie und Sportsoziologie der Universität des Saarlandes. Einen guten Regelhüter machten neben Regelkenntnis vor allem Selbstvertrauen, Stressresistenz und sicheres Auftreten aus. Experten seien der Auffassung, dass man schon an der Art, wie der Schiedsrichter den Platz betritt – schon an seinem Habitus in der ersten Minute – erkennen könne, ob er ein Match in Griff haben werde oder eher nicht.

Was die Rekrutierungspfade anbelange, gebe es den "klassischen" Weg ("Die direkte Ansprache durch den Verein bzw. Schiedsrichter im Verein"), die Ansprache durch Freunde und Bekannte, generationenübergreifende Reziprozität ("Etwas von den positiven Erwartungen zurückgeben") und – gar nicht so selten – auch kuriose Fälle wie eine Wette mit einem Freund.

In seinem Vortrag unter dem Motto "Schiedsrichterinnen – empirische Befunde zu einer wenig untersuchten Sozialfigur im Sport" legte Rullang auf Basis der Antworten von 216 Regelhüterinnen dar, dass die Zahl der Schiedsrichterinnen in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen ist. Fast 41 Prozent der Schiedsrichterinnen indes hätten in den vergangenen zwölf Monaten ans Aufhören gedacht – meist aus beruflichen oder privaten Gründen. Aber auch aus "verbandlichen Problemen" oder deshalb, weil sie keine Lust mehr hatten, sich weiter beschimpfen zu lassen.