
Zehn Meter, 30 Meter und Feldarmbrust – so heißen die Disziplinen der 17. Armbrust Weltmeisterschaft, die vom 4. bis 10. August in Frankfurt ausgetragen wird. Rund 250 Schützen aus aller Welt kommen dann in die Stadt. Einer von ihnen ist Peter Neumann aus Erdbach.
Ihr Name mutet etwas altertümlich an. Viele assoziieren mit einer Armbrust denn wohl auch zu allererst eine bekannte historische Sage, nämlich die des treffsicheren Schweizer Freiheitskämpfers Wilhelm Tell, der einst einen Apfel vom Kopf des eigenen Kindes geschossen haben soll. Was jedoch kaum wahrgenommen wird: Die Armbrust hat sich im Laufe der Zeit zu einem echten Hightech-Sportgerät entwickelt. Der moderne Wilhelm Tell misst sich in professionellen Wettkämpfen, tritt zu Landesmeisterschaften genauso an wie zu Weltmeisterschaften.
Ganz besonderer Reiz
Ein solcher Tell ist auch Peter Neumann, der aus Erdbach in der Nähe von Herborn stammt. Das Armbrustschießen hat für ihn einen ganz besonderen Reiz: „Mit einer Armbrust gut zu sein, ist wesentlich schwieriger als mit einem Gewehr“, sagt Neumann über das Sportgerät, das im Prinzip ein auf einem Luftgewehrschaft horizontal befestigter Bogen ist. Neumann ist einer von rund 250 Sportlern aus 15 Nationen, die sich vom 4. bis 10. August bei der Armbrust Weltmeisterschaft auf der Schießanlage der Schwanheimer Bahnstraße in Frankfurt messen werden. Sie alle haben das gleiche Ziel: Bei den internationalen Disziplinen „zehn Meter“, „30 Meter“ und „Feldarmbrust“ möglichst oft ins Schwarze treffen.
Gute Kondition ist gefragt
Wenn Neumann an den Schießstand tritt, sind nicht nur eine hohe Konzentration und Präzision gefragt. Dieser Sport, es klingt zunächst etwas merkwürdig, erfordert auch eine besonders gute körperliche Kondition. Schießen die Schützen zum Beispiel bei einem internationalen Wettbewerb in zehn Metern Abstand auf die Zielscheibe, geben sie an einem Tag jeweils 60 Schüsse ab. Das bedeutet auch: Die mehr als sechs Kilogramm schwere Armbrust 60 Mal neu laden beziehungsweise spannen, sie 60 Mal in die richtige Position bringen. Vor allem das Spannen ist anstrengend, schließlich müssen die Schützen jedes Mal eine Kraft aufbringen, die zum Anheben eines Gewichts von 50 bis 60 Kilogramm nötig ist. Geschossen wird in der Zehn-Meter-Disziplin im Stehen, als Munition dient ein kleiner Bolzen aus Metall, Holz oder Carbon.
In der Ruhe liegt die Kraft
Ansonsten gilt für einen erfolgreichen Wettkampf: In der Ruhe liegt die Kraft. Peter Neumann, Mitglied der Schützenvereine Erdbach und Mademühlen, ist ein behutsamer und bodenständiger Mensch. Bevor er den Auslöser seiner Armbrust mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung seines Fingers betätigt, ist er ganz bei sich, atmet mehrmals tief durch, schaut konzentriert durch das Visier und wartet den richtigen Moment ab, in dem alles passt. Fähigkeiten, die keine Selbstverständlichkeit sind. „Das Ganze hat viel mit Psychologie zu tun“, erklärt der gelernte Großhandelskaufmann. Heißt: Hat man andere Sorgen im Kopf, wirkt sich das gerade beim Schießsport negativ auf die Leistungen aus.
Mittlerweile ist Peter Neumann schon ein alter Hase in der Szene. Das erste Mal hielt er im Jahr 1998 als 18-Jähriger eine Armbrust in der Hand, zuvor war er schon mit dem Gewehr im Schützenverein aktiv. „Armbrustschießen gab es damals noch gar nicht bei uns. Unser Trainer wollte das ändern und schlug uns vor, es einfach mal auszuprobieren“, erinnert sich der Sportschütze. Kurze Zeit später war es um ihn geschehen: Bei einem internationalen Turnier in Berlin landete er in der Juniorenklasse ganz vorn. Ein Motivationsschub, von dem Neumann immer noch zehrt. Dadurch, sagt er, sei er in die Armbrust-Familie endgültig hineingewachsen.
Wie eine Familie
Das Wort „Familie“ wählt er dabei nicht zufällig. Die Community ist klein, nur eine Minderheit der rund 1,4 Millionen Schützen, die Mitglied des Deutschen Schützenbundes sind, übt sich mit dem „Gewehr mit Flügeln“, wie Peter Neumann das Sportgerät auch nennt. Genauere Zahlen dazu gibt es zwar nicht. Doch klar ist: Armbrustschießen fristet ein Nischendasein, das schweißt die Sportler zusammen. Nach Einschätzung von Hans Bröer, Geschäftsführer des Hessischen Schützenverbandes, gibt es für den geringen Stellenwert dieser Schießsportart einen einfachen wie triftigen Grund: Sie ist vergleichsweise teuer. Rund 4.500 Euro hat auch Peter Neumann für seine erste Armbrust auf den Tisch gelegt. Ein gutes Sportgewehr ist da mit einem Preis um die 2.000 Euro deutlich günstiger. Bezahlt werden muss auch das umfangreiche Zubehör, zu dem etwa eine spezielle Schießjacke gehört, welche die Rückenmuskulatur des Armbrustschützen während eines Wettkampfes stützt.
Der Spaß treibt an
Peter Neumann war es das wert. Auch zeitlich investiert der 34-Jährige viel: Vor wichtigen Wettkämpfen trainiert er bis zu fünf Mal die Woche. Heute ist er einer der besten seines Fachs in Deutschland. Er gehört dem Nationalkader an, wurde 2011 Deutscher Meister sowie 2009 und 2013 Vize-Europameister in der Zehn-Meter-Disziplin. Leben kann man von diesem Sport trotz solcher Erfolge nicht. Auch berühmt macht er einen nicht. Der Schießsport gilt gemeinhin als wenig medienwirksam und hat dementsprechend eine geringe Präsenz in der Sportberichterstattung, eine Ausnahme ist lediglich das Biathlon. So sind es vor allem Spaß und sportlicher Ehrgeiz, die Peter Neumann antreiben.
Eine wichtige Erfahrung fehlt ihm dabei noch in seiner Sportlerkarriere: Bei einer Weltmeisterschaft, die im Armbrustschießen alle zwei Jahre stattfindet, war der Sportschütze noch nie dabei. Nach seiner erfolgreichen Qualifikation über die zehn Meter wird sich das nun ändern. Neumanns erste WM ist zugleich eine ganz besondere, findet diese doch im Landesleistungszentrum in Frankfurt statt. Lange hat er auf dieses Ziel hingearbeitet. Neumann: „Eine Heim-WM ist das Größte für einen Sportler. Da geht es uns Armbrustschützen ganz genauso wie etwa den Fußballern bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland.“
Zuschauer können die Armbrust-Weltmeisterschaft auf den Wettkampfanlagen des Landesleistungszentrums kostenlos verfolgen. Die große Eröffnungsfeier findet am Mittwoch, 6. August, 15 bis 21.30 Uhr, mit buntem Programm auf dem Römerberg statt. Dort gibt es unter anderem die Möglichkeit, sich an Armbrust und Bogen einmal selbst auszuprobieren. Ab 18 Uhr beginnt die offizielle Eröffnungszeremonie mit dem „Einmarsch der Nationen“. Weitere Informationen zur Armbrust-WM und zur Eröffnungsfeier gibt es im Internet unter http://wch-crossbow2014.de .