Darmstadt: Brexit-Abstimmung: IHK fürchtet schwerwiegende Folgen für südhessische Unternehmen

Darmstadt – Handelsbilanz: Importe aus Großbritannien haben zugelegt / Insgesamt wächst der regionale Außenhandel – „Mit der Entscheidung ist nun tatsächlich die schlechteste aller Lösungen sehr wahrscheinlich geworden“, sagt Axel Scheer, Experte für Außenhandel bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar zum gestrigen Scheitern der Brexit-Abstimmung im britischen Parlament.

„Damit drohen Zollanmeldungen und viel bürokratischer Aufwand. Dazu kommen enorme Zusatzkosten durch Zölle auf die südhessische Wirtschaft zu. Allein im Automobilbereich würden, gemessen an den Importen im Jahr 2017, für die hessischen Unternehmen zusätzlich Zölle in Höhe von 40 bis 50 Millionen Euro entstehen.“ Ein Brexit ohne Abkommen bedeute auch Chaos an den Grenzen. Es sei unklar, wie Lieferketten oder Just-in-Time-Produktionen aufrechterhalten werden können oder was mit den entsandten Mitarbeitern aus Deutschland und von der Insel wird, wenn über Nacht der Schlagbaum fällt. „Kurzfristig könnte das absolute Chaos an den Grenzen entstehen, allein schon weil nicht genügend Zöllner verfügbar sind“, sagt Scheer.

Großbritannien bleibt fünftwichtigster Handelspartner

Großbritannien ist mit einem Handelsvolumen von über 7,84 Milliarden Euro (2017) Hessens fünftwichtigster Handelspartner und wird dies wohl auch 2018 sein. Die Exporte betrugen 3,63 Milliarden Euro (2017: 3,71 Milliarden Euro) und sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,5 Prozent gesunken. Dem gegenüber legten die Importe von Januar bis Oktober mit 4,18 Milliarden Euro deutlich zu (2017: 3,09 Milliarden Euro; Plus 34,8 Prozent). „Der Anstieg ist bemerkenswert“, sagt IHK-Experte Scheer. Getrieben sei dieser Anstieg vor allem durch den Automobilsektor. Nach den vorliegenden Zahlen hat sich der Import von Neufahrzeugen aus dem Königreich in den ersten zehn Monaten 2018 mit rund 983 Millionen Euro gegenüber 2017 (398 Millionen Euro) weit mehr als nur verdoppelt. Einige Fahrzeughersteller, die auch in Großbritannien produzieren, haben ihre europäische Hauptverwaltung oder die Deutschlandzentrale im Rhein-Main Gebiet und unterhalten Vertriebseinrichtungen. Scheer: „Bei einem harten Brexit werden diese Unternehmen auf Grund der Mehrimporte etwa 60 Millionen Euro an Zöllen einsparen.“

IHK verbucht Rekordwert bei Außenhandelsdokumenten

Insgesamt hat der Außenhandel in Südhessen 2018 trotz Brexit-Drohung und weltweiter Handelskonflikte wieder angezogen. Die IHK Darmstadt stellte im abgelaufenen Jahr 35.989 Außenhandelsdokumente (2017: 35.505) aus und verbucht damit einen neuen Rekordwert. „Verglichen mit dem Vorjahr verzeichnen wir ein Plus von 1,3 Prozent. Auf Grund der gestiegenen Anzahl ausgestellter Außenhandelsdokumente können wir davon ausgehen, dass auch die südhessischen Exporte 2018 mit einem Plus abschließen werden“, sagt Scheer weiter. Diese positive Einschätzung bestätigen die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die Monate Januar bis Oktober 2018. Danach betrugen die hessischen Exporte in den ersten 10 Montane 54,01 Milliarden Euro (2017: 52,52 Milliarden Euro) und legten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,8 Prozent zu. Importiert wurden Waren im Wert von 83,31 Milliarden Euro (2017: 78,12 Milliarden Euro) und damit 6,8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Treibende Branchen waren vor allem die chemische und pharmazeutische Industrie, aber auch der Automobilbau, der Maschinenbau sowie elektrotechnische Erzeugnisse sind weltweit gefragt.

Trotz Handelsstreit: USA weiter wichtigster Handelspartner

Die Exporte in die USA betrugen in den ersten zehn Monaten 6,42 Milliarden Euro und haben im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (5,82 Milliarden) deutlich um 10,6 Prozent zugelegt. Auch die Importe sind erneut kräftig gewachsen. Importiert wurden von Januar bis Oktober Waren im Wert von 8,74 Milliarden Euro (2017: 7,54 Milliarden Euro; Plus 15,9 Prozent). „Der US-amerikanische Markt ist für die südhessischen Exporteure weiterhin der mit Abstand wichtigste. Das zeigt, dass man stark verflochtene und intensive Wirtschaftsbeziehungen nicht einfach durch Strafzölle oder anderen Protektionismus kappen kann“. Zu groß seien die gegenseitigen Abhängigkeiten.

Zweitwichtigster Abnehmer bleibt weiterhin Frankreich. Die Exporte ins Nachbarland bewegen sich mit 4,15 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau. Die Importe legten mit 4,84 Milliarden Euro deutlich zu (2017: 4,18 Milliarden Euro; Plus 13 Prozent).

Der Warenaustausch mit China hat in den ersten 10 Monaten sowohl beim Import als auch beim Export anders als im Vorjahr nur leicht zugelegt. Die Ausfuhren dorthin betrugen 3,14 Milliarden Euro (2017: 3,04 Milliarden). Das ist ein Zuwachs von 3,2 Prozent. Importiert wurden Waren im Wert von 9,33 Milliarden Euro (2017: 9,1 Milliarden Euro; Plus 2,5 Prozent).

Russland legt zu – Türkei bröckelt

Trotz der weiterhin wirksamen Sanktionen sowohl der EU als auch der USA, die sich zusätzlich auf deutsche Firmen auswirken, hat sich der Handel zwischen Russland und Hessen weiter positiv entwickelt. Der Handel mit der Türkei ist weiter rückläufig.