Digitalisierung, Deine Digitalisierer

Die neuen heimlichen Herrscher - ein Kommentar von Hannes Blank

ITler in seiner Freizeit (Foto: Pixabay)
ITler in seiner Freizeit (Foto: Pixabay)

Überall spricht man von der Digitalisierung. Sie hat bereits in unser Leben Einzug gehalten, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Doch wer sind diejenigen, die die Digitalisierung verwirklichen, wer sind die Menschen hinter den Programmen, den Apps, den Netzseiten und den Datenbanken? Wer sind sie, die „Digitalisierer“ unseres Alltags?

Im Bezug auf die Digitalisierung und die Ausbildung zu einer Person, die Digitalisierung betreiben kann, hatte die Hochschule Karlsruhe (heute: KIT) einst eine führende Rolle. Denn sie hatte (und hat) eine Fakultät für Informatik. Die Studenten dort galten als noch etwas verschrobener als der Rest (Elektro- und Bauingenieure), aber äußerlich unterschieden sie sich bis in die ersten Nullerjahre hinein kaum: Cordhose und kariertes Hemd waren das Markenzeichen fast aller Karlsruher Studenten (Studentinnen gab es so gut wie keine) und sie fuhren auf einem klapprigen Rad zur Uni.

Nun hat sich seit dieser Zeit viel verändert. Die Bezeichnung „Informatiker“ hat sich nicht durchgesetzt, vielmehr spricht man vom „ITler“ (sprich „Ai-Ti-Ler“). Seit überall und jederzeit so ziemlich jedes Unternehmen die Digitalisierung vorantreibt, weil es sich ansonsten völlig abgehängt wähnt, sind die ITler in aller Munde und verbreiten sich in den Unternehmen massenhaft. Sie sind sehr begehrt und hochbezahlt. Im Puncto Vergütung haben sie ihre früheren Kommilitonen der Elektrotechnik oder des Bauingenieurwesens längst angehängt. Aber nur weil die ITler über gefragtes Wissen verfügen, müssen sie, was ihre menschlichen Fähigkeiten („social skills“) betrifft, noch lange nicht auf der Höhe ihrer Arbeitskollegen sein. Das Talent zum komplexen Rechnen und für abstrakte Computersprachen bringt es mit sich, dass nicht wenige ITler ein wenig autistisch erscheinen, vor allem Empathie ist Mangelware. Da fällt schon mal ein „Guten Morgen!“ aus, oder ein sehr angebrachtes „Danke“. Und fast jeder kennt die Situation, schon mal einen ITler gefragt zu haben, was er denn eigentlich mache: Die Antwort war immer inhaltlich unmöglich zu verstehen. Auf wiederholte Nachfrage antwortet der ITler zwar brav und formuliert um, aber zu verstehen ist es immer noch nicht. ITler leben in ihrer eigenen Welt mit einer eigenen Sprache. Auffällig oft fällt in ihren Erklärungen der Begriff „Content“, aber nach konkreten Inhalten gefragt, werden die Antworten der ITler über alle Maßen kryptisch und entziehen sich jedem Verstehen völlig.

Das geht bei den ITlern einher mit einer gewissen infantil-unreifen Lebenseinstellung, man hört diesbezüglich so einiges aus den Firmen. Laut sagen will das natürlich keiner, den ITler sind Mangelware. Viele Chefs fürchten die kindischen Launen ihrer ITler, denn wenn diese in einer Trotzreaktion mal keine Lust haben zu arbeiten und für jedermann unverständlich formulierte Gründe vorschützen, steht der Laden still. Das haben einige der ITler inzwischen selbst gemerkt und testen landauf, landab, wie weit sie gehen können in ihrem zunehmend exzentrischen Auftreten: Einem Dresscode, wie in vielen Büros noch üblich, folgen sie schon länger nicht mehr, farbenfrohe T-Shirts, alberne Hipster-Caps und Schlabberpullis mit Motiven aus der Comicwelt sind eher angesagt.

Bei einer großen Heidelberger Lebensversicherung wurde kürzlich sogar ein ITler mit einer Propellermütze gesichtet, also so eine lustige Knaben-Kopfbedeckung mit einem drehbaren Propeller oben drauf, der sich auch drehen kann. Da mag man dann über die Digitalisierung denken, was man will.