Frankfurt am Main (pia) 200 Jahre alt und moderner denn je: So präsentiert sich derzeit das Städel Museum in Frankfurt. Mit innovativen Wegen der Kunstvermittlung für Erwachsene und Kinder erschließt sich das ehrwürdige Haus immer mehr digitale Räume und baut damit seine bundesweite Vorreiterrolle auf diesem Gebiet aus.
„Die digitale Entwicklung schreitet in fast allen Lebensbereichen voran, und mit diesen Veränderungen werden auch die Museen konfrontiert“, sagt Städel-Direktor Max Hollein.
Mit dem „Digitorial“ möchte das Städel die neuen Möglichkeiten der Wissensvermittlung nutzen und den Besuchern eine zeitgemäße Vorbereitung auf die Ausstellung ermöglichen. Wer online ein Ticket für die gerade zu Ende gegangene Monet-Schau kaufte, erhielt damit auch den Link zu einer aufwändig produzierten Website, die wie ein Vorabkurs funktioniert. Bilder, Ton und Text fließen hier förmlich ineinander, weisen auf Details und Zusammenhänge in Monets Werken hin, erläutern den historischen Kontext und stimmen leicht zugänglich auf die Themen der Ausstellung ein.
Digitorial zu Monet-Schau erhielt den Grimme Award
Das Digitorial, das im März 2015 online ging, war gleich ein voller Erfolg: Es verbuchte mehr als 260.000 Klicks und gewann Ende Juni den Grimme Online Award.
„Selten hat ein Angebot in der Kategorie 'Kultur und Unterhaltung' hochwertige Inhalte und elegante Form so sinnvoll vereint“, hieß es in der Begründung der Jury.
Der nicht dotierte Award zeichnet seit 2001 deutschsprachige Online-Angebote aus. Für die acht Preise waren 25 Webangebote aus 1.400 Vorschlägen nominiert. Auch zu der derzeitigen Sonderausstellung „Die 80er. Figurative Malerei in der BRD“ ist ein weiteres kostenloses Digitorial abrufbar unter 80er.staedelmuseum.de.
Social-Media-Angebote stellen Kontakt her
Bei dem Angebot gehe es nicht darum, den Besuch vor Ort zu ersetzen, betont Jannikhe Möller, Pressereferentin im Städel:
„Vor einem Original zu stehen, ist und bleibt etwas ganz besonderes.“
Das Städel erweitere seine Vermittlungsangebote, ohne damit etablierte Formate zu verdrängen – im Gegenteil: Während der Monet-Schau mit der Rekordzahl von rund 432.100 Besuchern fanden mehr als 3.500 Führungen im Haus statt, und jeder Vierte nutzte den von der Schauspielerin Diane Kruger besprochenen Audioguide.
Die Vermittlungswege ergänzen einander: Wenn beispielsweise eine Schulklasse zur Führung kommt, nutzen die Jugendlichen danach gern die Social-Media-Angebote des Städel, um sich auf Facebook, Twitter und verstärkt auch Instagram zu melden – und das Museum bleibt mit dieser Zielgruppe in Kontakt.
Computerspiel entschlüsselt den Code der Bilder
Für noch jüngere Besucher hat das Städel gemeinsam mit dem erfolgreichen Frankfurter Videospiele-Entwickler Deck13 Interactive ein ganz neues Format realisiert: Das Computerspiel „Imagoras – Die Rückkehr der Bilder“ nimmt Kinder ab acht Jahren mit auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise. In einer düsteren Welt ohne Fantasie und Farben treffen die Spieler auf Flux, einen quirligen Begleiter, der mit ihnen die Kunstwerke des Städel aus der Dunkelheit befreit.
„Die etwa 20 Bilder aus verschiedenen Epochen und Stilrichtungen erzählen spannende Geschichten, wenn man ihren Code entschlüsselt“, erläutert Deck13-Geschäftsführer Florian Stadlbauer.
Diese Geschichten und die Ziele des Projekts wurden in gemeinsamen Workshops mit einem Städel-Team entwickelt. Von der Idee über die Auswahl der Bilder bis zur Realisierung von Imagoras als kostenlose Tablet-App dauerte es gut ein Jahr. Zu den zu erforschenden Gemälden zählen beispielsweise „Der Geograf“ von Johannes Vermeer (1669), Manets „Krocketpartie“ (1873) und Daniel Richters „Horde“ von 2007.
Nachbarskinder wirkten aktiv mit
Hortkinder aus der Nachbarschaft von Deck13 haben das Computerspiel abschließend getestet, sie kippten und wischten, sie dachten um die Ecke und hatten ihren Spaß. „Wir wollten kein detailliertes Lernspiel schaffen, sondern einen unterhaltsamen, spielerischen Zugang zur Kunst ermöglichen“, so Stadlbauer. Diese Bemühungen würdigte die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, die Imagoras zur App des Monats Juni erklärte. Mit Auszeichnungen kennt sich Deck13 Interactive aus: Die Frankfurter wurden unlängst mit dem Deutschen Computerspielpreis 2015 geehrt. Ermöglicht wurde die Entwicklung und Nutzung des Angebots von der Willy Robert Pitzer Stiftung.
Museums-Blog erreicht monatlich 10.000 Leser
Der Kontakt zu Deck13 hatte sich ergeben, als Mitarbeiter des Museums einen Vortrag zur Videospiel-Entwicklung besuchten. Eine Arbeitsgruppe im Städel koordiniert die digitale Weiterentwicklung, die ständig im Fluss ist.
„Heutzutage beschleunigt sich alles, auch unsere Vermittlungsarbeit“, weiß Referentin Möller.
Ein aktuelles Projekt ist der Online-Geschichtskurs zur Kunst der Moderne, den das Museum gemeinsam mit der Universität Lüneburg entwickelt. Passend zum Jubiläum wird Ende 2015 zudem das wissenschaftliche Forschungsprojekt „Historische Hängung“ zur Sammlungsgeschichte des Städel digital zugänglich gemacht. Interessierte können dann auf einer Website die historischen Ausstellungsräume und Hängungen aus den Anfangstagen erkunden und somit die Präsentationsformen im Verlauf der Jahrzehnte vergleichen.
Bereits seit März bietet die Digitale Sammlung des Städel einen neuartigen Zugang zu seinen Beständen. Und was heutzutage hinter den Kulissen des Hauses passiert, verfolgen pro Monat bereits rund 10.000 Leser im Städel Blog. Insgesamt biete die digitale Entwicklung dem Museum ein enormes Potenzial, das es zu nutzen gelte, sagt Städel-Direktor Hollein:
„Wenn wir daraus echte alternative Angebote entwickeln, ebnen wir den Weg für die nächsten 200 Jahre.“
Computerspiel für Kinder zum Download: http://www.imagoras.de
Digitorial zur kommenden Ausstellung: http://80er.staedelmuseum.de/
Außerdem: www.digitalesammlung.staedelmuseum.de und http://blog.staedelmuseum.de.