Tagung Verfassungsgericht, Mainz
v.l. Prof. Dr. Thomas Raab, Prof. Dr. Piotr Tuleja, Prof Dr. Dr. h. c Fryderyk Zoll, Hendrik Hering, Herber Mertin, Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz, Prof. Dr. Mathieu Disant, Prof. Dr. Alexander Proelß (Foto: Lotti Klein, Metropolnews)

Mainz – Die gemeinsame Tagung des Landtags Rheinland-Pfalz und des Instituts für Rechtspolitik an der Universität Trier am 20. Okt. 17 im Plenarsaal des Landtages befasste sich mit den Verfassungsgerichten der Länder Polen, Frankreich und Deutschland.

Prof. Dr. Thomas Raab, vom Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier begrüßte die Gäste.

„Durch die enge Beziehung von Rheinland-Pfalz zu Polen und Frankreich lohnt sich ein Vergleich der Gerichtsbarkeiten“,

so Prof. Dr. Thomas Raab.

Hendrik Hering, Präsident des Landtages Rheinland-Pfalz betonte, dass die erste (Legislative) und dritte (Judikative) Gewalt Pfeiler der Demokratie seien.

„Sie verhindern, dass Verwaltungen übermächtig werden können und die einzelnen Bürgerinnen und Bürger mit ihren Rechten in den Hintergrund treten.“

Für Herbert Mertin, Minister der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz war Rheinland-Pfalz eine „Zangengeburt“ hinsichtlich der Geschichte in früheren Jahren. Er findet es richtig und gut, dass das Gericht völlig unabhängig ist und wünscht sich das für ganz Europa.

Das System der Verfassungsgerichtsbarkeit in Frankreich erläuterte Prof. Dr. Mathieu Disant von der Université Lyon Saint-Étienne und Direktor des Centre de Recherches Critiques sur le Droit.

Prof. Dr. Mathieu Disant
Prof. Dr. Mathieu Disant
(Foto: Lotti Klein, Metropolnews)

Es sei in Frankreich nicht einfach die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtes zu verstehen, viele Faktoren spielten dabei eine Rolle. Zum Beispiel sei eine Doppelbelegung von Ämtern bei Richtern nicht möglich. Der Haushalt werde in Frankreich nicht vom Parlament verhandelt, sondern von der Finanzabteilung des Gerichtes selbst entwickelt und dem Präsidenten vorgelegt. Die Verwaltung des Verfassungsgerichtes bestehe nur aus 60 Personen mit einem Haushalt von 13 Mio. Euro in 2017.

Das System der Verfassungsgerichtsbarkeit in Polen stellte Prof. Dr. Piotr Tuleja, Richter des Verfassungsgerichtshofs und Professor an der Jagiellonen-Universität Krakau vor.

Prof. Dr. Piotr Tuleja
Prof. Dr. Piotr Tuleja (Foto: Lotti Klein, Metropolnews)

Er sieht ein Problem in der Evolution des polnischen Verfassungsgerichtes. Die Konstitutivbildung (Konstitutiv lat. für „festsetzend, bestimmend“) decke sich nicht mit den Fakten und Grundlagen des polnischen Rechtes. Richter dürften die Richtigkeit der Gesetze nicht hinterfragen.

„Seit 1980 ist Polen ein Rechtsstaat ohne einen Katalog für Menschenrechte“,

so Prof. Tuleja. Die Macht des Verfassungsgerichts wurde immer größer und hat sich mit Kompetenzen anderer Gewalten ausgestattet, welches zu Konflikten führte. Im Moment befänden sich die Fundamente der Unabhängigkeit der Gerichte in öffentlicher Debatte.

Prof. Dr. Dr. h. c Fryderyk Zoll von der Jagiellonen-Universität Krakau und Direktor des European Legal Studies Institute an der Universität Osnabrück spricht als Privatperson.

Prof. Dr. Dr. h. c Fryderyk Zoll
Prof. Dr. Dr. h. c Fryderyk Zoll (Foto: Lotti Klein, Metropolnews)

„In Polen hat die Macht der Juristen eine Demokratie verhindert“,

es wurde an einer Machtbeschränkung gearbeitet was zur Folge hatte, dass das Verfassungsgericht mehr Kompetenz bekam und gleichzeitig die beschlossenen Gesetze nicht schnell genug umgesetzt werden konnten. Es entstand ein Gesetzeswirrwarr in dem viele Entscheidungen der Richter nicht veröffentlicht wurden. Die Richter folgten trotzdem den Beschlüssen und führten somit eine „zerstreute Verfassungskontrolle“ durch.

Einblicke in die Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland gab Peter Müller, Richter des Bundesverfassungsgerichts und Ministerpräsident des Saarlandes a. D..

Peter Müller
Peter Müller (Foto: Lotti Klein, Metropolnews)

„Unser Bundesverfassungsgericht ist geprägt von historischen Erfahrungen“,

so Peter Müller. Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland sei unabhängig in seinen Entscheidungen und ein Instrument zur Sicherung der Unabhängigkeit. Müller sieht Kapazitätsprobleme bei den Richtern. Von 10.000 Eingängen müssten 6.000 von Richtern entschieden werden, somit hat ein Richter mehr als 1.000 Entscheidungen zu treffen. Es sei eine enorme Belastung und hinsichtlich der Entwicklung in Europa sieht Müller eine schrittweise Erosion des Verfassungsstaates.

Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und Vorstand der Gesellschaft für Rechtspolitik sieht nahezu paradiesische Zustände in Deutschland.

Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz
Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz (Foto: Lotti Klein, Metropolnews)

Das Bundesverfassungsgericht sei sehr beliebt in Deutschland, 75 % der Bevölkerung vertraue dem Gericht. Die Akzeptanz des Gerichtes regelt die Funktionsfähigkeit und ist der Motor der Verfassung. Mit einem Etat von 28 Mio. Euro und 200 Mitarbeitern kann das Gericht politisch unabhängig seine Entscheidungen treffen. Das Verfassungsgericht hat Erfahrung für die Zukunft und in einer „Liebesbeziehung mit dem Grundgesetz“ sei es unschlagbar.

Im Anschluss an die Tagung gab es eine Podiumsdiskussion mit den Referenten. Die Moderation führte Prof. Dr. Aleander Proelß vom Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier.