Pirmasens: Hugo-Ball-Preisträger Robert Menasse erhält Deutschen Buchpreis

Pirmasens / Frankfurt am Main – Hugo-Ball-Preisträger Robert Menasse hat mit seinem Europa-Roman „Die Hauptstadt“ den Deutschen Buchpreis gewonnen. Das hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gestern Abend in Frankfurt am Main bekanntgegeben.

Der österreichische Schriftsteller war 1996 von der Stadt Pirmasens mit dem Hugo-Ball-Preis für sein künstlerisch-philosophisches Schaffen ausgezeichnet, „in dem sich Genauigkeit und Seele, Witz und Verstand, Ironie und Intellekt mühelos, ja elegant die Waage hielten“, so das Urteil der damaligen Jury.

Mit dem Deutschen Buchpreis wird vor der Frankfurter Buchmesse der beste deutschsprachige Roman des Jahres gewürdigt. Die Auszeichnung für den 63-jährigen Autor aus Wien ist mit insgesamt 25.000 Euro dotiert. Im Finale standen sechs Titel. In der Endausscheidung setzte sich Menasse gegen Gerhard Falkner („Romeo oder Julia“), Franzobel („Das Floß der Medusa“), Thomas Lehr („Schlafende Sonne“), Marion Poschmann („Die Kieferninseln“) und Sasha Marianna Salzmann („Außer sich“) durch.

Menasses Buch, ein ironischer Gesellschaftsroman mit Krimi-Elementen, spielt in Brüssel und setzt sich mit der EU-Bürokratie auseinander. Am Beispiel zahlreicher Figuren und Erzählstränge entwirft er ein schillerndes Panorama der europäischen Eliten.

Die siebenköpfige Jury würdigte das Buch als „vielschichtigen Text, der auf meisterhafte Weise existenzielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt“. „Dramaturgisch gekonnt gräbt er leichthändig in den Tiefenschichten jener Welt, die wir die unsere nennen“, urteilte die Jury weiter. Das Buch mache „unter anderem unmissverständlich klar: Die Ökonomie allein, sie wird uns keine friedliche Zukunft sichern können.“

Der 63-Jährige gilt als leidenschaftlicher Anhänger eines supranationalen Europas. Mit der europäischen Idee hat er sich schon mehrfach in Büchern und Essays beschäftigt. Für seinen neuen Roman hat Menasse auch in Brüssel recherchiert. Bei der Langen Nacht der Preisträger im Hugo-Ball-Jahr 2011 – aus Anlass des 125. Geburtstages des Pirmasenser Literaten – hatte Menasse von seiner Arbeit an seinem damals neuen Romanprojekt am Rande berichtet.

Termin-Vorschau:

Literaturfreunde dürfen sich heute Abend auf einen weitere Leckerbissen freuen:

Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu, Hugo-Ball-Preisträger 2005, stellt am heutigen Dienstag, 10. Oktober 2017, seinen neuen Luther-Roman „Evangelio“ in Pirmasens vor. Um von Martin Luthers Zeit auf der Wartburg in den Jahren 1521/1522 zu berichten, nimmt der 1964 im anatolischen Bolu geborene Autor eine Ich-Erzähler-Perspektive ein. Mittels deftiger Sprache und Zuspitzung gewährt Feridun Zaimoglu einen erkenntnisreichen Blick in Luthers Leben. Die Lesung im Carolinensaal am Buchsweiler-Tor-Platz beginnt um 19.30 Uhr. Eintrittskarten zum Preis von zehn Euro gibt es an der Abendkasse, die ab 19 Uhr geöffnet ist.

Hintergrund: Der Hugo-Ball-Preis war am 12. März 2017 an die aus den USA stammenden Autorin und Übersetzerin Ann Cotten und der Förderpreis an den Historiker und Kulturwissenschaftler Professor Dr. Philipp Felsch vergeben worden. Die Auszeichnung ist mit insgesamt 10 000 Euro dotiert. Mit dem renommierten Preis wird das Gesamtwerk des in Pirmasens geborenen Schriftstellers Hugo Ball gewürdigt, der unter anderem 1916 im Züricher Cabaret Voltaire mit Dada eine der wichtigsten Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts begründet hat. Zu den früheren Trägern der Auszeichnung, die seit 1990 verliehen wird, gehören Oskar Pastior, Cees Nooteboom, Robert Menasse, Klaus Wagenbach, Patrick Roth, Feridun Zaimoglu, Max Goldt, Andreas Maier und zuletzt Thomas Hürlimann.

Seit vergangenem November können sich Interessierte im Hugo-Ball-Kabinett, einer interaktiven Dauerausstellung im Forum Alte Post, über Leben und Wirken des berühmten Sohnes der Stadt und Dada-Mitbegründers informieren. Auf knapp 180 Quadratmetern in drei ineinander übergehenden Räumen finden sich zahlreiche historische Fotografien, Grafiken, Zitate, Texte und Zeitungsartikel des Lautgedicht-Pioniers zu unterschiedlichsten Aspekten und Prinzipien seines Werks. Die Besucher sind eingeladen, sich über die eigene Interaktion innerhalb der effektvollen Inszenierung mit Hugo Ball sowie Dada in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beschäftigen.

Die Pflege des künstlerischen Erbes Hugo Balls (1886 – 1927) hat sich die Stadt Pirmasens bereits vor mehr als vier Jahrzehnten zum Anliegen gemacht. Um der Ball-Forschung ein Forum zu schaffen, wurde 1970 in Pirmasens die Hugo-Ball-Sammlung gegründet. Seit 1977 wird der Hugo-Ball-Almanach herausgegeben. Die literaturwissenschaftlich ausgerichtete Sammlung verfügt über rund 6. 000 Bücher, Dokumente und Objekte. Mittelfristig ist geplant, dass die Hugo-Ball-Sammlung einen neuen Standort beziehen soll, an dem auch Literaturwissenschaftler qualifiziert ihren Forschungen nachgehen können.

Die Hugo-Ball-Gesellschaft wurde am 23. Januar 1998 in Pirmasens, dem Zentrum der Hugo-Ball-Forschung, gegründet. Die Initiative dazu ging von Mitarbeitern des Hugo-Ball-Almanachs und Mitgliedern des Beirates für den Hugo-Ball-Preis aus. Der Hugo-Ball-Gesellschaft gehören namhafte Literaturwissenschaftler, Künstler, aber auch Literaturliebhaber an, die sich für das Werk des Schriftstellers interessieren und engagieren. Erklärtes Ziel ist es, die Gesammelten Werke von Hugo Ball herauszugeben. Darüber hinaus will die Gesellschaft die Stadt Pirmasens beim weiteren Ausbau der Hugo-Ball-Sammlung, bei der Herausgabe des Hugo-Ball-Almanachs und anderen Aktivitäten wie etwa Publikationen, Ausstellungen, Aufführungen und Vorträgen unterstützen.