Frankfurt: „Hessisches Ladenöffnungsgesetz praxisuntauglich – Gesetzgeber muss endlich handeln“

Frankfurt am Main – Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat am 21. August 2017 beschlossen, dass die geplante Öffnung von Ladengeschäften im Stadtgebiet von Frankfurt am Main anlässlich der Buchmesse am Sonntag, dem 15. Oktober 2017, nicht zulässig ist.

Bereits bei den untersagten verkaufsoffenen Sonntagen aus Anlass der IAA und des Museumsuferfests hat die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main ihre Mahnung bekräftigt, dass der Landesgesetzgeber eine praxisuntaugliche Regelung im Hessischen Ladenöffnungsgesetz endlich ändern muss. „Seit vielen Jahren nimmt die Landesregierung in Wiesbaden hin, dass verkaufsoffene Sonntage in Hessen nach und nach zum Erliegen kommen“, sagte Matthias Gräßle, Hauptgeschäftsführer der IHK Frankfurt am Main. „Mit der Entscheidung zur Buchmesse sind nun praktisch alle denkbaren Optionen für einen verkaufsoffenen Sonntag in Frankfurt unmöglich geworden. Auch in vielen Kommunen im IHK-Bezirk werden verkaufsoffene Sonntage aus Sorge einer Klage nicht mehr angesetzt. Da der Gesetzgeber sich 2006 aber die Mühe gemacht hat, eine Regelung für verkaufsoffene Sonntage mit dem hessischen Ladenöffnungsgesetz zu finden, nehmen wir an, dass verkaufsoffene Sonntage nach dem Willen des Gesetzgebers eigentlich auch stattfinden sollen. Die aktuelle Regelung unterbindet in der Praxis aber die Durchführung von Sonntagsöffnungen – das ergibt aus unserer Sicht keinen Sinn und beschäftigt unnötig Gerichte. Der Gesetzgeber muss endlich tätig werden und sich um eine praxistaugliche Änderung des Anlassbezugs im Hessischen Ladenöffnungsgesetz kümmern – und zwar nicht erst im Rahmen der Evaluierung 2019“, so Gräßle weiter.

Mehrere IHK-Landesverbände haben dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das von dem Düsseldorfer Staatsrechtler Prof. Dr. Johannes Dietlein erstellt wurde. „Wir verfolgen das Ziel, dass künftig wieder vier verkaufsoffene Sonntage als erfolgreiches Stadtmarketinginstrument in Hessen möglich werden und nicht in letzter Minute von den Gerichten untersagt werden“, fordert Gräßle. „Der Gesetzgeber schuldet es auch den engagierten Einzelhändlern und Gewerbevereinen, die sich um die Belebung und Attraktivität ihrer Einkaufsstraßen bemühen, dass sie nicht immer wieder Vorbereitungen für verkaufsoffene Sonntage treffen, nur um dann zu erleben, dass die Sonntagsöffnung untersagt wird.“

Professor Johannes Dietlein, der an der Heinrich-Heine-Universität den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre innehat, kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten mit der derzeitigen engen Regulierung keineswegs ausgeschöpft werden. Eine wesentliche Folgerung des Gutachtens ist, dass der gegenwärtige geforderte Anlassbezug keine zwingende Vorgabe für eine Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen darstellt.

Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist durch das Grundgesetz als „Regelfall“ geschützt, so dass auch der Handel normalerweise nicht öffnen darf. Vier Mal im Jahr kann davon eine Ausnahme gemacht werden; dies aber nur dann, wenn ein entsprechender Anlass vorliegt – so sieht es die aktuelle Gesetzeslage in Hessen vor. Allerdings stellen die Gerichte zunehmend höhere Anforderungen an den Anlassbezug. Vielfach sind daher Initiativen für Ladenöffnungen an Sonntagen in der jüngeren Vergangenheit gescheitert. Das Gutachten hat die grundgesetzlichen Anforderungen an die Rechtfertigung von Ladenöffnungen, insbesondere auch mit Blick auf künftige Neuregelungen des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes, näher beleuchtet.

Das Gutachten legt dar, dass der derzeit geforderte Anlassbezug in Form eines Festes oder Marktes nur eine Möglichkeit der Gemeinwohlrechtfertigung von Ladenöffnungen darstellt und die Berücksichtigung weiterer Gemeinwohlbelange keinesfalls ausschließt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass alternative gesetzliche Regelungen verfassungskonform möglich sind.

Als geeignete Sachgründe für die Gestattung von verkaufsoffenen Sonntagen werden in dem Gutachten beispielhaft städtebauliche Ziele der Sicherung oder Wiederherstellung attraktiver Wohn- und Lebensverhältnisse in den Innenstädten genannt. Insbesondere zur Vermeidung von Leerständen oder die Wahrung funktionsfähiger zentraler Versorgungsbereiche, die Steigerung der überörtlichen Sichtbarkeit sowie die Eigenpräsentation der Kommunen als attraktiver und lebenswerter Standort.

„Aber auch beschäftigungspolitische Ziele bei der Erhaltung wettbewerbsfähiger stationärer Verkaufsstellen sind nach dem Gutachten ein geeigneter verfassungskonformer Sachgrund für eine Sonntagsöffnung“, so Dr. Alexander Theiss, Geschäftsführer Standortpolitik der IHK Frankfurt am Main. Dies seien nur erste Anhaltspunkte, wie Neuregelungen aussehen könnten. „Wichtig ist die Feststellung von Professor Dietlein, dass der Gesetzgeber einen weiten politischen Ermessensspielraum hat, Sachgründe zu definieren, die geeignet sind, verfassungskonform den Sonn- und Feiertagsschutz per Gesetz zu begrenzen, so wie es der Gesetzgeber in Berlin, durch das Bundesverfassungsgericht abgesegnet, getan hat“, verdeutlicht Dr. Theiss weiter.

Die IHK Frankfurt am Main fordert vom Landtag daher erneut, sich der Änderung des Ladenöffnungsgesetzes anzunehmen, so wie es in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen bereits der Fall ist.

Das Gutachten steht unter folgendem Link zum Download bereit: www.frankfurt-main.ihk.de/vos