Die Kombination passte gut

Humor trotzt Demenz

Die ZDF-Moderatorin Susanne Conrad und der Mainzer Universitätspräsidenten Georg Krausch zeigten, wie man Demenz auch mit Humor entgegentreten kann

Mainz – Humor und Demenz: Wie soll denn das zusammen gehen? Eine Lesung mit ZDF-Moderatorin Susanne Conrad und dem Mainzer Universitätspräsidenten Georg Krausch stand unter dem Motto: „Humor trotz(t) Demenz“.

Auf Einladung der Stiftung Diakonie in Hessen und Nassau sowie des Evangelischen Dekanats begaben sich Conrad und Krausch im Café 7 Grad in der Mainzer Kunsthalle auf eine literarische Reise in die Welt derer, die ihre Erinnerung verlieren oder verloren haben. Auch einige Filmausschnitte wurden den rund 50 Besuchern gezeigt. Pfarrerin Annette Bassler, Beauftragte der Evangelischen Kirche in Rheinland-Pfalz beim SWR, moderierte. Der Abend war Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung „Kunst trotz(t) Demenz“ im Mainzer Rathaus, die dort bis 24. Oktober zu sehen ist.

„Der alte König in seinem Exil“ lautet der vielsagende Titel des Buches von Arno Geiger, aus dem Susanne Conrad zum Auftakt liest. Der demente Vater hat etwas vermeintlich Selbstverständliches vergessen – sein eigenes Haus. Alle fünf Minuten sagt er, dass er nach Hause will. Obwohl er zu Hause ist. Nach endlosen Wiederholungen geht die Tochter mit ihm hinaus auf die Straße und sagt: „Das ist dein Haus.“ „Nein“, erwidert der Vater. „Dann sag‘ mir, wo du wohnst?“ Er nennt die richtige Adresse. Triumphierend zeigt die Tochter auf das Straßenschild und die Hausnummer. „Und, was steht hier?“ Er liest die Adresse vor. Es ist dieselbe, die er zuvor genannt hat. „Und, was schließen wir daraus?“ Der Vater antwortet ohne zu zögern: „Dass jemand die Schilder gestohlen und hier angeschraubt hat.“

Es sind solche und ähnliche Begegnungen mit Demenzkranken, die zahlreiche Autoren in der jüngeren Vergangenheit literarisch verarbeitet haben. Und die den Zuhörer der Lesung schmunzeln lassen. Oft geht es um die Kommunikation zwischen Menschen, die sich nicht (mehr) verstehen. Daraus resultiert nicht selten eine gewisse Komik. „Im Humor steckt auch die Hoffnung, eine Krise bewältigen zu können“, erläutert Annette Bassler.

Georg Krausch liest aus „Der Doktor braucht ein Heim“ von Irene Dische: „Mein Labor befindet sich in der Universitätsklinik. Wissen Sie, wo das ist? Ich werde es Ihnen erklären. Sie nehmen die breite Straße, die vom Platz in Drohobyc abgeht, neben der koscheren Metzgerei an der Ecke. Die Straße führt am Fluss entlang zu einer großen Brücke. Die überqueren Sie und gehen dann immer weiter, bis sie zum Kentucky-Fried-Chicken kommen.“ Der Doktor wohnt in New York und vermischt die Realität mit seiner Kindheit in Drohobyc in der Ukraine. Und das Labor, von dem er spricht, ist ein Untersuchungsraum.

Dass die Krankheit auch neue Perspektiven eröffnen kann, verdeutlicht Krausch mit einer weiteren Passage aus Arno Geigers „König im Exil“: „Doch irgendwann verschwanden die fixen Ideen, es war ein wenig gespensterhaft, und der Vater fing an, kreativ zu werden.“ Er entwickelte eine Privatlogik, wie Geiger sie nennt. „Was für ein schönes Wetter, sagte ich, als wir neben dem Haus standen mit Blick auf den Gebhardsberg. Der Vater schaute sich um, dachte nach über das, was ich gesagt hatte, und erwiderte: Von zu Hause aus konnte ich das Wetter zuverlässig vorhersagen, von hier aus geht das aber nicht.“ Der Autor entdeckt, was es bei seinem Vater trotz der Erkrankung noch gibt: Charme, Selbstbewusstsein, Witz und Würde.

Zwei Ausschnitte aus den Filmen „An Ihrer Seite“ und „Vergissmeinnicht“ ergänzen den Abend. Beide spielen in einem Alten- bzw. einem Pflegeheim. Es sind rührende Szenen zu sehen. In „Vergissmeinnicht“ etwa lernt ein alter Mann jeden Tag eine ältere Frau kennen. Es ist immer dieselbe. Sie lässt ihn gewähren ohne ihn zu belehren. Das Publikum im Café 7 Grad ist vertraut mit der Thematik. Das merkt man. So ruft ein Herr mittleren Alters nach dem Ende des Filmausschnittes ganz beherzt: „Das waren keine Szenen aus Vergissmeinnicht. Vergissmeinnicht habe ich schon zweimal gesehen.“ Kurzes Schweigen im Raum. Ist das jetzt Realsatire? Die Gastgeber sind sich ganz sicher, dass sie Szenen aus „Vergissmeinnicht“ gezeigt haben. Ein anderer Herr im Publikum löst das Rätsel auf: „Es gibt einen Kinofilm mit Maria Schrader, der den Titel „Vergiss mein Ich“ trägt. Bestimmt haben sie den gesehen.“  Es war ein stimmiger Abend im Café 7 Grad. Manchmal mit traurigen Zügen, aber nicht ohne Humor.