Verstoßen Ärzte gezielt gegen die Berufsordnung um sich zu bereichern?

Mainz – Jeder dritte Umfrageteilnehmer hat von seinem Arzt in der Sprechstunde Gratisproben von Nahrungsergänzungsmitteln erhalten. Dies ist ein Ergebnis einer Umfrage der Verbraucherzentralen auf der Internetseite www.klartext-nahrungsergaenzung.de.

„Dieses Vorgehen der Ärzte kann nach unserer Auffassung als Verstoß gegen ihr Berufsrecht gewertet werden“, so Susanne Umbach von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Denn nicht nur der Verkauf, sondern auch die bloße Werbung für Nahrungsergänzungsmittel – wie die kostenlose Abgabe – sind grundsätzlich untersagt. Eine Arztpraxis darf kein Krämerladen für Gesundheitsprodukte sein. Wirtschaftliche Interessen am Verkauf bestimmter Mittel muss der Arzt von seinem Heilauftrag trennen.

25 Prozent der Umfrageteilnehmer haben einmalig eine Gratisprobe von Nahrungsergänzungsmitteln von ihrem Arzt erhalten, weitere zehn Prozent erhielten sogar mehrmals kostenlose Probepackungen in der Sprechstunde. Rund die Hälfte dieser Patienten (17 Prozent) hat das angebotene Nahrungsergänzungsmittel anschließend auch gekauft. „Offensichtlich verstehen Patienten die Gratisprobe häufig als ärztliche Empfehlung für den Kauf genau dieses Nahrungsergänzungsmittels“, so Umbach.

Eine solche Kaufempfehlung kann zur Verwechslung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Arzneimitteln führen. Zumal auch die Verpackungen oft ähnlich aufgemacht und die Produkte wie Medikamente als Kapseln oder Pulver angeboten werden.

Nahrungsergänzungsmittel unterscheiden sich aber gravierend von Arzneimitteln: Sie sind Lebensmittel, die lediglich die allgemeine Ernährung ergänzen sollen. Arzneimittel sind dagegen dazu bestimmt, Krankheiten zu heilen, zu lindern und vorzubeugen. Sie werden behördlich auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft und zugelassen. Patienten knüpfen dann vergleichbare Erwartungen an Nahrungsergänzungsmittel, die diese nicht erfüllen können und sollen.

„Vorsicht ist vor allem geboten, wenn der Arzt auf ein ganz bestimmtes Mittel drängt und nur dieses angeblich in Frage kommt“, rät Umbach. „Dann liegt ein gewerbliches Interesse des Arztes nahe.“ Betroffene Patienten können sich in solchen Fällen bei der Verbraucherzentrale beschweren oder sich direkt an die Ärztekammer ihres Bundeslandes wenden.

An der nicht repräsentativen Umfrage der Verbraucherzentralen vom 10. März bis 19. April 2017 beteiligten sich 435 Verbraucher. Die ausführlichen Ergebnisse stehen unter verbraucherzentrale-rlp.de/umfrageergebnisse-nahrungsergaenzungsmittel-beim-arzt

Hintergrund

Entsprechend ihrer Berufsordnung ist es Ärzten untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren abzugeben oder gewerbliche Dienstleistungen anzubieten. Diese Vorschrift soll verhindern, dass das Vertrauen der Patienten in den Arztberuf zum Verkauf von Produkten missbraucht wird. Auch der Verweis an bestimmte Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln, beispielsweise die mündliche Empfehlung oder das Auslegen von Flyern bestimmter Anbieter oder die Abgabe von kostenlosen Probepackungen, ist nicht erlaubt. Auskünfte zu Produkten sind dem Arzt nur gestattet, wenn Patienten sie gezielt erbitten.