Kaiserslautern – Fast ein Drittel der Studierenden an deutschen Universitäten und Fachhochschulen beenden ihr Studium ohne Abschluss.
In manchen naturwissenschaftlichen Fächern liegt die Abbrecherquote sogar bei 40 Prozent. Gleichzeitig wird es für viele Handwerksbetriebe immer schwieriger, geeignete Bewerber für ihre Ausbildungsstellen zu finden. Deshalb sind Studierende, die ihr Studium nicht zu Ende führen wollen und sich beruflich neu orientieren müssen, ein vielversprechendes Potential für das Handwerk.
Vor diesem Hintergrund haben die vier Handwerkskammern in Rheinland-Pfalz und die Handwerkskammer des Saarlands das Projekt „Vom Hörsaal zum Handwerk“ ins Leben gerufen. Ziel des Projekts, das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird, ist es, Studierende, die ihre akademische Ausbildung abgebrochen haben, für eine duale Berufsausbildung im Handwerk zu gewinnen. Darüber hinaus ermöglicht eine gemeinsame Lehrstellenbörse eine Vermittlung, die über die jeweilige Heimatregion hinausgeht.
Studentencoach bei der Handwerkskammer der Pfalz ist seit 1. Juli Roger Bier. Neben den Studienaussteigern gehören Handwerksbetriebe, die Studienaussteiger ausbilden können, zu seiner Zielgruppe. Fünf Ausbildungsverhältnisse hat er bislang vermittelt und 45 potentielle Ausbildungsbetriebe akquiriert. Dazu gehören Betriebe aus den Gesundheitshandwerken, technische Gewerke wie Elektroniker, Feinwerkmechaniker, Tischler und Anlagenmechaniker sowie kaufmännische Berufe, die sich nach seiner Einschätzung für Studienaussteiger besonders eignen.
Von potentiellen Ausbildungsbetrieben erwartet Roger Bier, dass der Ausbildungsbeginn jederzeit möglich ist und dass sie Studienaussteigern „gute Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten anbieten können“. Dazu gehören im Idealfall „Zusatzqualifikationen, da diese Zielgruppe in der Regel gut qualifiziert und hoch motiviert ist“. Auch für eine Verkürzung der Ausbildung sollten Betriebe aufgeschlossen sein. Denn Studienaussteiger „bringen eine anrechenbare Vorbildung mit“ – und für den Betrieb habe eine Ausbildungsverkürzung den Vorteil, „dass der Auszubildende schneller als qualifizierte Fachkraft zur Verfügung steht“.
Aus seinen Kontakten mit Studienaussteigern weiß der Studentencoach, dass sie „in der Regel für eine berufliche Neuorientierung offen sind“. Häufig führe der „Wunsch nach einem größeren Praxisbezug oder nach einer stärkeren Identifikation mit der eigenen Arbeit zur Umorientierung“. Und deshalb werde „der Studienabbruch meistens nicht als Karriereknick, sondern als Chance begriffen, die eine neue berufliche Perspektive eröffnet“.
Besonders viel Wert legt Roger Bier darauf, sowohl den Betrieben als auch den Studienaussteigern zu vermitteln, welche Vorteile sich aus dem Wechsel vom Hörsaal zum Handwerk ergeben.
Für Studienabbrecher stünde nach dem Berufsabschluss „eine Weiterqualifizierung bis hin zum Meister, Betriebswirt oder Techniker offen“, erläutert er. Und das Handwerk könne damit „seinen Bedarf an Leistungsträgern und Führungskräften bis hin zur Betriebsübernahme decken“.