Science Fiction mit Physik überholen

Datenverarbeitung

Dr. Andrii Chumak

Kaiserslautern – 33-jähriger Physiker der TU Kaiserslautern erhält 1,5 Millionen Euro EU-Förderung.

Der Nachwuchswissenschaftler Dr. Andrii Chumak erforscht physikalische Grundlagen für die Datenverarbeitung der nächsten Generation. Sein Ansatz beruht auf Magnonen, also magnetischen Spinwellen; damit können Computer deutlich schneller und leistungsfähiger werden. Chumak untersucht am Landesforschungszentrum OPTIMAS der Technischen Universität Kaiserslautern unter anderem, wie man in Schaltkreisen, die kleiner sind als ein Zehntausendstel Millimeter, entsprechende Spinwellen anregen und manipulieren kann. Für dieses Ziel soll er nun eine besonders prestigeträchtige finanzielle Förderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro erhalten. Die Mittel, die er über fünf Jahre hinweg in seine Forschung investieren kann, werden vom Europäischen Forschungsrat ERC vergeben. Von diesen „Starting Grant“ genannten Projekten werden über ganz Europa nur ca. 330 vergeben und das quer über alle wissenschaftlichen Fachgebiete hinweg.

„Für uns als TU Kaiserslautern ist diese Förderung ein großer Erfolg. Herr Chumak ist hier, auch mit Blick auf sein junges Alter, einer unserer herausragenden Forscher. Wir sind sehr stolz darauf, ihn bei seiner Arbeit begleiten zu dürfen“, kommentiert TU-Präsident Professor Helmut J. Schmidt die erfolgreiche Projekteinwerbung.

Das Bestreben, elektronische Schaltkreise immer noch kleiner und schneller zu machen, stößt an physikalische Grenzen. So ist es beispielsweise zunehmend schwieriger, die beim Rechnen auftretende Wärme aus den winzigen Strukturen abzuführen. Hier setzt Dr. Chumak mit seiner Forschung an. Der Physiker schlägt vor, eine besondere Art von Spinwellen zu verwenden, die extrem wenig Platz benötigt und sich schnell ausbreitet. Diese sogenannten Austausch-Spinwellen wurden bisher nur wenig erforscht. Deshalb will er künftig mit seinem Team ganz praxisnah testen, wie sich solche Magnonen in Festkörpern erzeugen und manipulieren lassen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

„Wir wollen einen Werkzeugkasten entwickeln, mit dem man magnonische Leitungen herstellen kann, die kleiner sind als 100 Nanometer“, sagt der ukrainische Forscher, der seit sieben Jahren in Kaiserslautern lebt. „Dazu muss man aber erst einmal die zugrunde liegenden physikalischen Phänomene genauer verstehen, die auf diesen winzigen Längenskalen oft sehr exotisch sind.“

Am Ende soll die praktische Entwicklung von Nanoschaltkreisen stehen, die zwei wichtige Elemente der magnonischen Datenverarbeitung kombinieren, nämlich magnonische Transistoren und Majoritätsgatter. Beides sind Konzepte, die für eine andere Art von Spinwellen bereits dargestellt wurden. Dr. Andrii Chumak will nun zeigen, dass man diese auch miniaturisieren kann.

Wellen statt Reibung

Dass die Chips heiß werden, liegt daran, dass die Elektronen durchs Material fließen und dabei eine Art Reibung erzeugen. Eine sehr aussichtsreiche Möglichkeit, dieses und andere Probleme für eine leistungsfähigere Hardware zu überwinden, ist die Magnonik. Sie arbeitet nicht mit Elektronen, sondern mit magnetischen Phänomenen, die durch den Spin, also den Eigendrehimpuls der Elektronen, verursacht werden. Es sind immaterielle Wellen von Spins, die sogenannten Magnonen.

„Wellen können mehr Informationen transportieren als Teilchen“, sagt Andrii Chumak. „Daraus ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, Computer noch schneller und leistungsfähiger zu machen.“

Um aber überhaupt mit der heute üblichen Halbleiterelektronik konkurrieren zu können, müssen auch magnonische Bauelemente sehr, sehr klein sein. Aktuelle Versuchsanordnungen bewegen sich überwiegend noch im Millimeterbereich – viel zu groß, um in konkurrenzfähigen Chips verbaut zu werden.

Werdegang von Dr. Chumak

Der 33-jährige Physiker beschäftigte sich bereits in seiner Doktorarbeit an der Universität Kiew mit magnetischen Spinwellen. Diese Arbeiten unter der Anleitung von Prof. Gennadii A. Melkov waren zunächst reine Grundlagenforschung. Im Jahr 2008 kam er an die TU Kaiserslautern und wurde dort Gruppenleiter im Forscherteam von Professor Burkard Hillebrands. In seinen aktuellen Untersuchungen hat Chumak sich zunehmend der anwendungsorientierten Grundlagenforschung zugewandt. Als Science-Fiction-Fan ist er immer wieder erstaunt, wie die tatsächliche technologische Entwicklung jegliche Phantasie überholt:

„Man hat zwar alle möglichen Dinge vorausgesagt wie die Marslandung, nukleare Batterien oder Antigravitation, aber ich habe niemanden gefunden, der geahnt hätte, dass wir heute Smartphones besitzen, mit denen man den Zugang zum gesamten Wissen der Welt in der Hosentasche hat, telefonieren, fernsehen, navigieren und rechnen kann.“

2015 ist ein ereignisreiches Jahr für Andrii Chumak: Er freut sich nicht nur über die ERC-Förderung, sondern noch mehr über die Geburt seiner zweiten Tochter Emma. Seit 2013 arbeitet er an seiner Habilitation, die er im kommenden Jahr abschließen möchte. Dann will er als Professor an einer deutschen Universität arbeiten, denn er hat die Vorzüge dieses Landes schätzen gelernt, er nennt es ein „smart country“, weil hier die Grundlagenforschung als Investition in die Zukunft vorbildlich unterstützt wird.