Aus Überzeugung standhaft – Der Preis „Das unerschrockene Wort“ wurde an die Ehepaare Lohmeyer und Nierth in Torgau verliehen

Gruppenfoto in der Torgauer Schlosskirche. v.l.: Torsten Zugehör (OBM Wittenberg), Michael Kissel (OBM Worms), Birgit und Horst Lohmeyer, Professor Dr. Rita Süssmuth, Susanna und Markus Nierth, Romina Barth (OBM Torgau), Christian Thieme (OBM Zeits)
Gruppenfoto in der Torgauer Schlosskirche. v.l.: Torsten Zugehör (OBM Wittenberg), Michael Kissel (OBM Worms), Birgit und Horst Lohmeyer, Professor Dr. Rita Süssmuth, Susanna und Markus Nierth, Romina Barth (OBM Torgau), Christian Thieme (OBM Zeits)

Speyer – Haltung zeigen und die eigenen Überzeugungen auch gegen Widerstände verteidigen: Diese Entschlossenheit, die schon Martin Luther auszeichnete, ist heute wichtiger denn je. Für Birgit und Horst Lohmeyer sowie Susanna und Markus Nierth ist sie gelebte Selbstverständlichkeit. Dafür wurden die beiden Ehepaare am 22. April 2017 mit dem Preis „Das unerschrockene Wort“ vom Bund der Lutherstädte geehrt.

„Wer schweigt, stimmt zu. Horst und Birgit Lohmeyer sowie Markus und Susanna Nierth erheben ihre Stimme unerschrocken und mutig gegen Rechtsextremismus. Populismus kennt keine Grenze. Er weicht nur zurück vor entschlossenem Widerstand und engagierter Zivilcourage. Daher geht ‚Das unerschrockene Wort’ zurecht an die Ehepaare Lohmeyer und Nierth“, sagte die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die bei der Preisverleihung in der Torgauer Schlosskirche, dem ersten evangelischen Kirchenbau, die Laudatio auf die Paare hielt. An der Preisverleihung hat auch der Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger teilgenommen.

Der Preis „Das unerschrockene Wort“ wurde im Andenken an Martin Luther zuerst 1996 und seit 1999 alle zwei Jahre vergeben. Er erinnert an den Mut und die Standhaftigkeit des Reformators, der sich auf dem Reichstag zu Worms 1521 für seine Überzeugungen verantworten musste und sich weigerte, seine Kritik an der Amtskirche zu widerrufen, obwohl ihm dafür die Ächtung drohte. Jede der insgesamt 16 deutschen Lutherstädte kann einen Kandidaten aus dem In- und Ausland für den mit 10.000 Euro dotierten Preis nominieren. Im Mittelpunkt stehen dabei Menschen, die bereit sind, „für unerschrockenes Auftreten Unbill in Kauf zu nehmen“. Eine Jury, bestehend aus den Bürgermeistern der Städte und weiteren Vertretern des öffentlichen Lebens, ermittelt die Preisträger. Im Jubiläumsjahr der Reformation sei es darum gegangen, „den Fokus auf gegenwärtige Herausforderungen im Heimatland Luthers zu legen“, so die Jury. Die Ehepaare Nierth und Lohmeyer „stehen mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement beispielhaft für den Kampf gegen demokratiegefährdende und rechtsextremistische Strömungen in Deutschland“, resümierte Torgaus Oberbürgermeisterin Romina Barth die Jury-Entscheidung.

Birgit und Horst Lohmeyer leben in dem mecklenburgischen Dorf Jamel, das immer wieder durch die Umtriebe ansässiger Rechtsextremisten als „Nazi-Dorf“ bekannt wurde. Die beiden Künstler veranstalten hier jährlich das Rockfestival „Jamel rockt den Förster“ und wirken so gegen die Vereinnahmung des Dorfes durch Neonazis. Obwohl sie immer wieder bedroht und angegriffen werden, lassen sie sich nicht vertreiben. Dass ihr Engagement nun ausgezeichnet wird, bestärkt Familie Lohmeyer in ihrem Tun. „Wir empfinden die Verleihung des Preises als großartige Anerkennung unseres ehrenamtlichen Engagements. Er gibt uns Kraft und das Gefühl des Nicht-allein-Seins im Kampf gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Strömungen in unserem Land […]“, sagt Horst Lohmeyer, und seine Frau ergänzt: „Wir möchten Deutschland vor einem Rückfall in eine Diktatur, wie sie unsere Eltern noch am eigenen Leib erfahren haben, bewahren. Gerade die Tatsache, dass unsere Eltern uns nicht glaubwürdig erklären konnten, weshalb sie damals die deutsche Tragödie nicht verhindert haben, stellt eine große Motivation für uns dar, es niemals wieder so weit kommen zu lassen.“

Susanna und Markus Nierth haben sich im vergangenen Jahr für eine Flüchtlingsunterkunft im sachsen-anhaltinischen Tröglitz engagiert, in dem Markus Nierth ehrenamtlicher Bürgermeister war. Nach massiven Drohungen trat der Theologe aus Sorge um seine Familie von dem Amt zurück, setzt sich aber weiterhin für die Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz ein und betreut gemeinsam mit seiner Frau afghanische Familien als Pate. Das Ehepaar Nierth rührt die Verleihung des Preises in besonderer Weise, nicht nur weil sie beide als Paar diese Auszeichnung erhalten. „Ich nehme diesen Preis stellvertretend für unsere Kinder entgegen”, sagt Susanna Nierth. „Weil nicht nur einem Ortsbürgermeister zugesetzt wurde, wie es manchmal in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Tatsächlich war und ist das Leben einer ganzen Familie betroffen und bis heute komplett verändert. Mir persönlich wird dieser Preis deshalb Ansporn sein, besonders in den Zeiten, in denen meine Familie und ich uns von der Gesellschaft schutzlos und alleingelassen fühlen, dennoch den Überzeugungen meines Herzens zu folgen, meine eigene Angst niederzudrücken und mich unerschrocken weiter gesellschaftlich einzumischen, und zu gestalten, um auch in Zukunft in Freiheit in diesem Land leben zu können.” Markus Nierth ergänzt: „Ich nehme gerührt diesen Preis stellvertretend für die vielen Ehrenamtlichen und Kommunalpolitiker an, die in diesen Tagen für ihre Geradlinigkeit, für ihre Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe brutalen Hass und schlimmen Psychoterror, auch gegenüber ihren Familienmitgliedern, ertragen müssen. Ich freue mich sehr über diesen ‘Luther-Preis’, weil mich Martin Luther schon von klein auf begleitete […].”

Zu den früheren Preisträgern gehören der syrische Rechtsanwalt Mazen Darwish und das Syrische Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit, die Journalistin Andrea Röpke und der Liedermacher Stephan Krawczyk.