Universitätsmedizin Mainz eröffnet Zentrum

Seltene Erkrankungen

Mainz – Rund vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer seltenen Erkrankung. Als selten gilt eine Krankheit, wenn sie weniger als fünf von 10.000 Personen betrifft.

Um die Situation der Betroffenen nachhaltig zu verbessern hat die Universitätsmedizin Mainz das „Zentrum für Seltene Erkrankungen des Nervensystems (ZSEN) Mainz“ gegründet und gestern im Beisein des Aufsichtsratsvorsitzenden und Staatssekretärs im Wissenschaftsministerium, Prof. Dr. Thomas Deufel, offiziell eröffnet. In dem interdisziplinären Forschungs- und Behandlungszentrum wird die klinische Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen des Nervensystems und unklaren Diagnosen des Nervensystems gebündelt sowie eng mit Forschung und Lehre verknüpft.

Experten gehen davon aus, dass es ungefähr 7.000 verschiedene seltene Erkrankungen (SE) gibt. Oft ist bei SE das Nervensystem mit beteiligt, und nicht selten sind weitere Organsysteme betroffen. Zahlreiche SE haben eins gemeinsam: Sie sind schwierig zu diagnostizieren, und um sie zu behandeln, bedarf es der interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Experten. Da etwa 80 Prozent der SE genetisch bedingt sind, ist es beispielsweise sehr wichtig, dass Fachärzte verschiedener klinischer Disziplinen wie etwa Kinderheilkunde, Neurologie, Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Augenheilkunde oder Hals-Nasen-Ohrenheilkunde von Fachärzten für Humangenetik unterstützt werden.

Im neuen ZSEN der Universitätsmedizin Mainz wird klinische Erfahrung insbesondere auf dem Gebiet des Nervensystems gebündelt. So sollen Strukturen geschaffen werden, die es ermöglichen, SE mit sogenannten Manifestationen im Nervensystem besser zu erkennen, zu diagnostizieren und gemäß internationaler Standards behandeln zu können. Zu den seltenen Erkrankungen, die am Mainzer ZSEN behandelt werden zählen unter anderem neuromuskuläre Erkrankungen, genetisch bedingte Epilepsien oder systemische Stoffwechselstörungen mit teilweise oder ausschließlich neuropsychiatrischen Symptomen sowie Mitochondropathien, die sich als Störungen des Energiestoffwechsels durch Funktionsbeeinträchtigungen der „Zell-Kraftwerke“ äußern.

„Patienten mit seltenen Erkrankungen wie auch ihre Angehörigen sehen sich mit hohen Belastungen konfrontiert. Nicht selten haben die Betroffenen eine über mehrere Jahre andauernde Odyssee hinter sich, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Das neue Zentrum für Seltene Erkrankungen des Nervensystems soll dazu beitragen, die Diagnostik, die Therapie und die Forschung voranzutreiben, damit diese Menschen Hilfe erfahren“,

so die Vorstandsvorsitzende und Medizinischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Babette Simon. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Universitätsmedizin Mainz, Wissenschaftsstaatssekretär Prof. Dr. Thomas Deufel, unterstrich:

„Seltene Erkrankungen sind oft Erkrankungen im Verborgenen. Die Patientinnen und Patienten müssen uns als Ärzte und Wissenschaftler besonders interessieren und sie brauchen den Einsatz gerade auch der Universitätsklinika. Die Universitätsmedizin Mainz nimmt durch die Eröffnung des Zentrums für Seltene Erkrankungen des Nervensystems in ganz besonderer Weise ihre Verantwortung wahr. In dem neuen Zentrum bringen die Forscherinnen und Forscher ihre international anerkannte klinische und wissenschaftliche Expertise im Bereich der Neurowissenschaften für die Erforschung, Diagnose und Behandlung von seltenen Erkrankungen des Nervensystems ein. Damit wird die Universitätsmedizin Mainz vor allem einen sichtbaren Beitrag zur Verbesserung der Behandlung der Patientinnen und Patienten leisten – nicht nur hier in Mainz.“

„Die Voraussetzungen für exzellente Forschung am neu gegründeten ZSEN könnten besser nicht sein. Die enge Einbindung des ZSEN der Universitätsmedizin Mainz in die Forschungslandschaft des rhine-main neuroscience network sowie die unmittelbare Einbettung in das Forschungszentrum Translationale Neurowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gibt unserem ZSEN ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland“, so der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann.

Dass der Fortschritt in der Behandlung der seltenen Erkrankungen in besonderem Maße von den Patienten abhängig sei, betonte die Direktorin des Instituts für Humangenetik der Universitätsmedizin Mainz und Sprecherin des neuen Zentrums für Seltene Erkrankungen des Nervensystems, Univ.-Prof. Dr. Susann Schweiger:

„Auf dem Weg zu innovativeren Diagnose- und Therapieoptionen haben unsere Patienten eine Schlüsselrolle. Denn nur über sie können wir die seltenen Erkrankungen besser verstehen. Wir bitten daher alle unsere Patienten aktiv unsere Forschung zu unterstützen.“

Auch sind laut Professor Schweiger die Selbsthilfegruppen von zentraler Bedeutung für das ZSEN. Selbsthilfegruppen ergänzen die professionelle medizinische Versorgung und bieten den Betroffenen die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches und der gegenseitigen Hilfe.

Dr. Christine Mundlos, Lotsin von ACHSE e.V. (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen) an der Charité sprach bei der Eröffnungsveranstaltung ein Grußwort. Prof. Dr. Olaf Riess, Ärztlicher Direktor des Instituts für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik und Sprecher des Zentrums für Seltene Erkrankungen Tübingen, Universitätsklinikum Tübingen, hielt den Festvortrag.

Wie im nationalen Aktionsplan für die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) vorgesehen, ist das ZSEN ein sogenanntes Typ A-Zentrum. Als Typ A-Zentren sind in erster Linie Universitätsklinika vorgesehen.  Das Typ A-Zentrum soll das Referenzzentrum für die in ihm zusammengefassten seltenen Erkrankungen in Rheinland-Pfalz und – in enger Interaktion mit dem Frankfurter Referenzzentrum – für die Rhein-Main-Region werden. Das Typ A ZSEN wird sich zunächst aus 10 Typ B-Zentren zusammensetzen. B-Zentren sind nach dem NAMSE-Plan Zentren, die neben dem ambulanten auch ein stationäres Versorgungsangebot vorhalten. Nach der Gründung der B-Typ Zentren sollen schrittweise weitere Kooperationszentren als Typ C-Zentren gewonnen werden. Diese Typ C-Zentren sollen – in der Peripherie – die wohnortnahe Betreuung der Patienten übernehmen.