Mainz: Nach der Pflicht folgt die Kür

Klinikseelsorger verabschiedet

Porträt Dr. Günther Emlein
Porträt Dr. Günther Emlein (Foto: Loreen Fetthauer)

Mainz – In einem feierlichen Gottesdienst wurde der langjährige Klinikseelsorger im Evangelischen Dekanat Mainz, Dr. Günther Emlein, in den Ruhestand verabschiedet.

In seiner Ansprache hob Propst Dr. Klaus-Volker Schütz die zunehmende Bedeutung der seelsorgerlichen Arbeit in Krankenhäusern hervor und dankte Emlein für sein Engagement „in großer Kontinuität und über viele Jahre.“

Das Amt als Klinikseelsorger, das Emlein über rund 21 Jahre innehatte, habe ihn in vielseitiger Weise geprägt. Begonnen hat er seinen Pfarrdienst nach Familientherapieausbildung und Spezialvikariat in Philadelphia, USA als Gemeindepfarrer in Frankfurt-Goldstein. Später war er in der Behindertenarbeit tätig, ehe er 1995 nach Mainz kam, um in der Universitätsmedizin als Klinikseelsorger zu arbeiten. Seine häufigsten Einsatzorte waren die Intensivstation der Klinik für Anästhesiologie sowie die Abteilung Psychiatrie. Die Arbeit, berichtet er selbst, unterscheide sich deutlich von der eines Gemeindepfarrers.

„Meine Kirchengemeinde bestand aus 300 Betten und alle zehn Tage lagen neue Menschen drin.“

Dabei waren es nicht nur die Patienten, die der Pfarrer betreute, sondern auch deren Angehörige sowie Ärzte und Pflegepersonal.

„In der Klinikseelsorge sprechen wir mit Menschen über das, was sie hier in der Klinik bewegt.“

Mit rund 2.500 Betten und drei hauptamtlichen Mitarbeitenden ist die Klinikseelsorge ein wichtiger thematischer Bestandteil im Evangelischen Dekanat Mainz und hat einen guten Stand beim Mainzer Klinikpersonal.

„Viele diensthabende Ärzte und Pflegende rufen uns, wenn sie nichts mehr tun können“,

so Emlein.

Im Angesicht von Tod und schwerer Krankheit sei es wichtig, den Betroffenen Zeit und vor allem Trost zu schenken.

„Menschen in Krisensituationen stehen vor vielen Fragen, auf die es keine Antwort gibt“,

erzählt er.

„Auf religiöser Seite haben wir die Möglichkeit, damit umzugehen, indem wir unsere Fragen im Gebet an Gott weitergeben oder Gottes Segen geben.“

Kurz vor und kurz nach dem Tod könne Seelsorge etwas leisten, das jenseits menschlicher Kompetenz liege, weiß der Pfarrer. Geprägt habe ihn dabei der Lebensmut Betroffener angesichts schwerer Krankheit und quälender Behandlung. Besonders die positiven Momente seien hängen geblieben und haben die Arbeitsmotivation aufrechterhalten.

„In der Klinikseelsorge erleben wir schlimme Fälle, aber auch kleine Weltwunder.“

Doch nicht nur in der Praxis, sondern auch auf theoretischer Basis setzte Emlein sich dem Thema auseinander. In der Psychiatrie habe er zu Beginn vor der Frage gestanden, wie man betroffenen Menschen die bestmögliche Unterstützung bieten könne. Viel Theoretisches habe es damals dazu noch nicht gegeben, deshalb entwickelte er kurzerhand ein Konzept für Psychiatrieseelsorge, das er in der Praxis testete. Seine Ergebnisse veröffentlichte er dann in unterschiedlichen Aufsätzen. Schon als Kind habe ihn die Wissenschaft interessiert.

„Mein Traum war es immer, eines Tages fürs Denken und Forschen bezahlt zu werden“,

erinnert er sich.

Als klassischer „Scientist-Practicioner“, also als Mensch, der zwischen Wissenschaft und Praxis pendelt, arbeitete Emlein als Supervisor und Lehr-Supervisor, gab nebenamtlich Seminare im Zentrum Seelsorge und Beratung in Friedberg und entwickelte die Ausbildung für Ehrenamtliche in der Klinikseelsorge an der Universitätsmedizin Mainz mit.

„Langeweile ist für mich Stress“,

lacht er. Sich zur Ruhe setzen will der Theologe auch jetzt noch nicht. Stattdessen möchte er wieder an der theologischen Fakultät der Mainzer Universität zum Thema Seelsorge lehren.

„Wenn ich all das mache, worauf ich jetzt Lust habe, dann habe ich zu tun, bis ich achtzig bin.“

Das Schöne daran, findet er:

„Ich beginne einfach eine neue berufliche Phase. Dabei habe ich keine Pflichten, sondern nur Kür.“

Auf seine Arbeit als Klinikseelsorger wird Emlein jedoch weiterhin gerne zurückblicken:

„Ich nehme viele Erinnerungen aus meinem Beruf mit, viele Erfahrungen. Mich diesen Erfahrungen und Grenz-situationen auszuliefern, hat meine gesamte Sichtweise verändert.“

Besonders wichtig sei ihm dabei, einen Dienst verrichtet haben zu können.

„Erst, wenn ich von Menschen höre, dass ich geholfen habe, weiß ich, was ich getan habe, war gut.“