Karlsruhe – Im Zeichen des doppelten kapitalen Rs der Autofirma Rolls Royce gründete der Künstler Ingo Günther 1992 eine Republik der Flüchtlinge – mit eigenem Pass und einer besonderen politischen Ökonomie.
Auf Einladung der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe reaktiviert und aktualisiert er das Projekt im Sommersemester 2016 und erfindet es mit der heutigen Generation von Studierenden neu. Er übernimmt in diesem Rahmen eine Projektprofessur.
„Es formt sich ein staatenloser Staat unfreiwilliger Gemeinsamkeiten. Jenseits von Ursachen und politischer Verantwortung sind Flüchtlinge und Migranten seit Jahrhunderten (siehe die großen Völkerwanderungen) ein historisches Phänomen, was u.a. das mächtigste Land der Welt hervorgebracht hat, die Vereinigten Staaten von Amerika. Eine statistisch emotionslose Perspektive mag helfen nicht nur individuelle Tragödien und Traumata einzuordnen sondern auch das Phänomen zu kontextualisieren und im besten Sinn des Wortes zu instrumentalisieren. Wir werden uns sowohl als Reiseleiter unfreiwilliger Abenteurer verstehen als auch als Chronisten spekulativer Weltgeschichte. Im Zeitraum von April bis Juli 2016 werden wir uns in mehreren Phasen der ‚Materie‘ psychologisch, real und medial in Selbstversuchen aussetzen. Ein Projekt aus den 1990er Jahren, ‚Refugee Republic‘, wird unser konzeptioneller Ausgangspunkt sein. Wir werden uns kritisch damit auseinandersetzen, nach seiner Nützlichkeit fragen und es im Hinblick auf seine aktuelle Wirksamkeit überprüfen“,
beschreibt Ingo Günther sein kommendes Projekt an der HfG Karlsruhe.
Der in New York lebende und arbeitende Medienkünstler Ingo Günther studierte zunächst Ethnologie und Kulturanthropologie, danach besuchte er die Düsseldorfer Kunstakademie. Unter Fritz Schwegler, Günther Uecker sowie später unter Nam June Paik entwickelte er eine ganz eigene Handschrift eingreifender politischer Ästhetik. Seine frühen Arbeiten mit Video führten ihn beispielsweise zu Projekten mit Nachrichtenmedien, in denen er eine Schlüsselrolle bei der Evaluierung, Interpretation und Veröffentlichung von Satellitendaten aus Krisengebieten spielte.
Sein Projekt „Refugee Republic“ war die erste Website zum Thema Flüchtlinge. Nach Lehrtätigkeiten in Braunschweig, Münster sowie am San Francisco Art Institute arbeitete er vorwiegend in den USA. Von 1990 bis 1994 war er Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln, 2001 bis 2003 an der Zürcher Hochschule der Künste und 2006/07 an der Hochschule der Künste Tokio. Seine Werke sind beispielsweise in der Nationalgalerie in Berlin, auf der Biennale in Venedig und documenta 8 in Kassel sowie im Guggenheim Museum in New York gezeigt worden.