Ludwigshafen: Der Kapitän geht von Bord

Philipp Grimm, Kapitän des Handballzweitligisten TSG Ludwigshafen-Friesenheim, wird nach dieser Saison seine Karriere beenden. (Foto: Harry Reis)
Philipp Grimm, Kapitän des Handballzweitligisten TSG Ludwigshafen-Friesenheim, wird nach dieser Saison seine Karriere beenden. (Foto: Harry Reis)

Ludwigshafen – Philipp Grimm ist fit, hat beim Handball spielen noch immer sehr viel Spaß und trifft, das ist seine Lieblingsbeschäftigung, allzu gerne ins gegnerische Netz. Das macht der 31-jährige Linksaußen seit 2007 mit großem Erfolg für die TSG Ludwigshafen-Friesenheim. Man kann sich kaum vorstellen, dass das ab der kommenden Spielzeit nicht mehr der Fall sein wird. Nach mehrmonatiger reiflicher Überlegung entschloss sich der Kapitän des Handball-Zweitligisten, am Ende der laufenden Runde seine Karriere zu beenden.

„Das war meine sportlich schwierigste Entscheidung“, gestand der Torjäger der Eulen. „Ich habe mir unwahrscheinlich lange Gedanken darüber gemacht, denn ich habe ja immer noch sehr viel Spaß. Der Spaß am Handball war schon immer meine Triebfeder und nicht das Finanzielle. Aber seit ich diese Doppelbelastung Sport und Beruf habe, stehe ich unter Dauerstress. Meine Freizeit ist seit fast drei Jahren derart knapp bemessen, dass ich das nicht länger auf mich nehmen will. Künftig möchte ich gerne mehr Zeit für meine Freundin Martina, Freunde und Familie haben. Ich hatte und habe hier bei der TSG eine super Zeit, dafür bin ich unheimlich dankbar. Es hat die ganze Zeit unglaublich viel Spaß gemacht.“

Philipp Grimm kam im Sommer 2007 zur TSG Ludwigshafen-Friesenheim. Der Mann mit der Nummer vier auf dem Rücken entwickelte sich seitdem zu einem Top-Torjäger und Leistungsträger par excellence. Aufgewachsen und erste sportliche Meriten hat sich Philipp Grimm, der in Miltenberg geboren ist, im Heimatort Kirchzell verdient. Philipp war Mitglied der überaus erfolgreichen A-Jugendmannschaft des TV Kirchzell, die 2004 gegen den SC Magdeburg im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft stand und zwei Mal unterlag. Der bodenständige, stets gut gelaunte Rechtshänder wechselte 2005 zur TSG Groß-Bieberau in die 2. Bundesliga, stieg mit den Hessen in die Regionalliga ab und wurde 2006 mit diesem Team in der Regionalliga Südwest Zweiter hinter der SG Wallau-Massenheim. In jener Spielzeit wurde er mit einem Schnitt von über sechs Toren bester Feldtorschütze.

In seiner Premierensaison bei der TSG traf „Grimmi“ 153 Mal ins gegnerische Tor und war bei den Rothemden hinter Nico Kibat zweitbester Werfer. In der folgenden Runde netzte der Ingenieur 199 Mal ein und im Aufstiegsjahr machte er die zweihundert voll. Auch im Erstligajahr 2010/11 traf Philipp Grimm vereinsintern am häufigsten und war am Ende mit 138 Treffern auf Platz 22 der Torjägerliste. In der Spielzeit 2011/12 lieferte sich der Rechtshänder bis ins Frühjahr hinein mit seinem besten Freund Felix Kossler ein Kopf-an-Kopf-Rennen, dessen verletzungsbedingtes Saisonaus zur Folge hatte, dass dieser „Zweikampf“ zu früh zu Ende ging. Am Saisonende standen 229 Tore in der Statistik, nur sechs Spieler hatten noch häufiger das Netz zappeln lassen. Sein 1000. Treffer gelang ihm am 5. Dezember 2012 in der Partie gegen den VfL Bad Schwartau. In den beiden folgenden Spielzeiten belegte Philipp Grimm in der Torjägerliste jeweils Platz zwei, einmal hinter Bobby Schagen und das andere Mal hinter Tim Suton. Auch in den letzten beiden Jahren traf auf Seiten der Eulen keiner häufiger in den gegnerischen Kasten als Philipp Grimm, der mittlerweile auf 1826 Treffer kommt. Eine besondere Wertschätzung erfuhr der Linksaußen im Jahr 2014, als er zur Wahl für das All-Star Game 2014 in der ersten Liga nominiert wurde.

Philipp Grimms Vereinstreue ist bemerkenswert. Vor seinem Engagement bei der TSG Ludwigshafen-Friesenheim spielte der Rechtshänder nur noch für zwei weitere Klubs, für seinen Heimatverein TV Kirchzell und für die TSG Groß-Bieberau auf der Platte unterwegs. Nur drei Punktspiele hat der 31-jährige Linksaußen in seinen bis jetzt neuneinhalb Jahren bei den Eulen verpasst, auch das ist ein außergewöhnlicher Wert. Philipp Grimm, der in der letzten Runde 223 Treffer setzte und damit wieder einmal die interne Torjägerlist anführte, übernahm offiziell 2013 das Kapitänsamt vom heutigen Cheftrainer Ben Matschke.

„Der Kapitän geht von Bord, das ist schade“, sagte Ben Matschke, der, ebenso wie Philipp Grimm, 2007 zur TSG gekommen war. „Philipp war immer ein absolutes Vorbild und er hatte stets eine super Einstellung. Was der Dauerbrenner in den Jahren geleistet hat, davor kann man nur den Hut ziehen.“

„Der Verlust von Philipp wiegt nicht nur sportlich schwer“, bemerkt Gunnar Dietrich. „Gerade das Menschliche zeichnet ihn unheimlich aus. Er war jahrelang Kapitän der TSG und hatte somit immens Einfluss, nicht nur auf die Mannschaft, sondern auch auf den Verein. Er war ein Bindeglied zwischen allen Personen, Ansprechpartrer für Trainer, aber auch für junge Spieler. Ich kann mich noch an meine Anfangszeit erinnern: Er hat es einem immer leicht gemacht, sich in der Mannschaft zu integrieren, so dass man sich schnell wohlfühlen konnte. Der Abgang von Philipp ist schwer zu verkraften. Er hinterlässt eine große Lücke, die durch eine einzelne Person so nicht aufgefangen werden kann. Er wird nicht nur mir persönlich sehr fehlen, da ich einen Freund auf dem Parkett verliere, sondern mit ihm verliert die TSG eine Identifikationsfigur.“

Mit Felix Kossler verbindet Philipp Grimm eine enge Freundschaft, die 2006 bei der TSG Groß-Bieberau begann und auf der Abschlussfahrt 2007, die auf Mittelmeerinsel Mallorca ging, intensiver und enger wurde. Als die beiden Freunde bei der TSG Ludwigshafen-Friesenheim nochmals vier weitere Jahre miteinander auf der Platte standen, ging ein Wunschtraum in Erfüllung. Felix beschreibt Philipp als „ein Spieler, der kaum ein Training verpasst hat, der immer topmotiviert war und immer alles gewinnen wollte, egal ob es das Kicken zum Aufwärmen oder ein Punktspiel war. Es zeichnet ihn auch noch heute aus, dass er immer kämpft bis zum Abpfiff und ein Spiel erst verloren gibt, wenn es nach 60:00 Minuten abgepfiffen ist. Da war es ihm auch immer egal, ob der Winkel von außen zu klein, ein Gegenstoßpass als Kempa zu nehmen zu riskant oder ein direkter Einwurf vielleicht keine so gute Idee ist. Solche „Aktionen“ hat er des Öfteren mal gebracht, auch gerne in der entscheidenden Phase eines Spiels und sie waren auch fast immer erfolgreich. Deshalb wurde er relativ schnell und liebevoll „Dr. Wahnsinn“ getauft. Was ich menschlich noch sehr an ihm schätze ist seine Eigenschaft, dass ihm Freundschaften wichtig sind und dass er ein Familienmensch und sehr heimatverbunden ist. Er ist immer ehrlich, loyal und hilfsbereit. Beim Handball verkörpert er das, was für mich einen guten Kapitän auszeichnet. Er geht voran, stellt sich vor seine Mannschaft und kämpft vorbildlich. Die Kommunikation mit dem Trainer, der Mannschaft oder auch der Presse hat er einfach drauf, wenn man mal von seinem Kirchzeller Dialekt absieht. Ich bin froh und stolz, Philipp als Freund zu haben!“

Informationen zu Philipp Grimm:

Geburtsort: Miltenberg
Geburtsdatum: 27. Januar 1985
Wohnort: Ludwigshafen
Größe: 1,85 Meter
Gewicht: 83 kg
Position: Linksaußen
Rückennummer: 4
Tore für die TSG Lu-Friesenheim: 1826
Bisherige Vereine: TV Kirchzell, TSG Groß-Bieberau
Beruf: Ingenieur
Arbeitsstelle und -ort: Sirona Technologie GmbH & Co in Bensheim
Interessen neben dem Handball: Kumpels, Sport
Meisten Tore in einem Bundesligaspiel: gegen HSC Coburg – 14/7
Meisten Tore überhaupt: in einem Jugendspiel um die deutsche Meisterschaft – 15/7
Mein schönstes Tor: Ein direkter Freiwurf 15 Sekunden vor Schluss von links außen. Das war im Derby gegen die HG Oftersheim/Schwetzingen und wir gewannen mit 28:27.