Karlsruhe: „Theaterzettel sind die Fernsehzeitschriften des 19. Jahrhunderts“

Jan Linders (Chefdramaturg STAATSTHEATER), Dr. Ernst Otto Bräunche (Leitung Stadtarchiv), Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen (Direktorin Badische Landesbibliothek), Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann (Leiter Generallandesarchiv Karlsruhe) (Foto: Staatstheater Karlsruhe)
Jan Linders (Chefdramaturg STAATSTHEATER), Dr. Ernst Otto Bräunche (Leitung Stadtarchiv), Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen (Direktorin Badische Landesbibliothek), Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann (Leiter Generallandesarchiv Karlsruhe) (Foto: Staatstheater Karlsruhe)

Karlsruhe – Die unglaubliche Anzahl von 25.587 Theaterzetteln des STAATSTHEATERS ist ab sofort in den Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe abrufbar. Mit dem heute vergessenen Ritterdrama Barbarey und Größe von Friedrich Wilhelm Ziegler und der Premiere am 1.11.1813 in Großherzoglichen Hof-Theater beginnt die, bis auf zwei Spielzeiten lückenlose, Sammlung der täglich verteilten Theaterzettel aus dem Archiv des STAATSTHEATERS, eine der umfangreichsten Sammlungen im deutschsprachigen Raum. Diesen Schatz hat die Badische Landesbibliothek in mehrjähriger Arbeit gehoben und stellt sie in Zusammenarbeit mit dem STAATSTHEATER unter http://digital.blb-karlsruhe.de zur Verfügung.

„Theaterzettel sind die Fernsehzeitschriften des 19. Jahrhunderts“, beschreibt die Leitende Bibliotheks-Direktorin Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen diese Gattung von Druckerzeugnis, die mit der Einführung von ausführlichen Programmheften Anfang der 1930er Jahre wieder verschwand. Zettelausträger informierten vor 200 Jahren die Abonnenten tagesaktuell darüber, was am Abend auf der Bühne stattfand. Für alle anderen Zuschauer wurden die etwa A3-großen Zettel öffentlich angeschlagen. Diese sind eine höchst aussagekräftige Quelle für die Theater- und Kulturgeschichte der Residenzstadt Karlsruhe. „Sie stehen damit beispielhaft für die Entwicklung der deutschen Theaterlandschaft, die unlängst zum Weltkulturerbe erklärt wurde“, so Chefdramaturg Jan Linders.

Theaterzettel Barbarey und Größe © BLB
Theaterzettel Barbarey und Größe © BLB

Sie liefern nicht nur Informationen zu Spielplänen, Inszenierungen und Akteuren des Musik- und Sprechtheaters, sondern verweisen zugleich auf Tendenzen des Publikumsgeschmacks. Schon im 19. Jahrhundert waren Wagner und Mozart die meistgespielten Komponisten, Schauspiele von Goethe und Schiller standen in der Gunst der großherzoglichen Familie und der Karlsruher ganz oben. Auch über die soziale Wirklichkeit verraten die Zettel Einiges: Schon damals gab es abgestufte Preise und eine Kinderermäßigung, schon damals erfrischte man sich in den Pausen am Büffet, allerdings mit Mandelmilch und einem „Bischof“ genannten Glühwein.

Die Theaterzettel sind nach den Kriterien Titel, Autor / Komponist, Aufführungsdatum und Chronik als pdf-Dokumente abrufbar. Die Volltextsuche erschließt Zuschauern und Theaterwissenschaftlern einen faszinierenden Blick auf die Geschichte und Dramaturgen neue Ideen: Wie oft wurde früher gespielt? Wer hat in Wagners Ring gesungen? Wann hat Hermann Levi zum ersten Mal in Karlsruhe dirigiert? Die Lücken im Bestand werden in den nächsten Monaten durch die digitale Erfassung der Sammlungen im Generallandesarchiv und im Stadtarchiv ergänzt.

Das STAATSTHEATER versteht seine Arbeit maximal international und maximal regional und baut mit der digitalen Öffnung darauf auf. Theaterleute aus aller Welt können virtuell nach Karlsruhe reisen. Zugleich stärkt die Zusammenarbeit mit der Badischen Landesbibliothek, dem Generallandesarchiv und dem Stadtarchiv die Vernetzung eines der größten Mehrspartenhäuser Europas mit seiner Stadt.