Walldorf: Pionierprojekt der Energiewende in Walldorf – Bewerbungen noch bis 10. Oktober

„Es darf simuliert werden“

Bürgermeisterin Christiane Staab begrüßte gemeinsam mit Steffen Link, Matthias Gruber, Sebastian Steuer und Hans Schermeyer (v.l.n.r.) ein sehr kundiges und interessiertes Publikum (Foto: Helmut Pfeifer)
Bürgermeisterin Christiane Staab begrüßte gemeinsam mit Steffen Link, Matthias Gruber, Sebastian Steuer und Hans Schermeyer (v.l.n.r.) ein sehr kundiges und interessiertes Publikum (Foto: Helmut Pfeifer)

Walldorf – Als „ein Projekt mit der und für die Bevölkerung“ kündigte Bürgermeisterin Christiane Staab das „Living Lab – das lebende Labor“ bei der Informationsveranstaltung am 21. September 2016 an.

Dass das Interesse an dem Feldversuch in Sachen Energiewende bereits geweckt war, machten die durchgängig besetzten Stuhlreihen in der Schillerschule deutlich und die Mitteilung, dass sich bereits dreißig Haushalte für eine Teilnahme angemeldet haben. „Bitte bewerben Sie sich noch!“ lautete der Appell von Stadtwerke-Geschäftsführer Matthias Gruber, denn die Bewerbungen seien noch nicht geprüft und es würden schließlich die Haushalte mit der geeignetsten Technik gesucht. Noch bis zum 10. Oktober könne man sich bewerben. Vierzig Pilothaushalte sollen es sein, die im Idealfall bereits über dezentrale Energieerzeuger wie eine Photovoltaikanlage, eine Wärmepumpe, ein Blockheizkraftwerk oder auch Elektrofahrzeuge verfügen. „Wir haben alle an Bord“, erklärte die Bürgermeisterin, „wir brauchen nur noch Sie als Bürger!“ Als etablierte Partner der Stadtwerke Walldorf, mit denen man gemeinsam in das „Schaufenster der Energiewende“ blicke, nannte Steffen Link von der beteiligten Beegy GmbH in Mannheim die MVV Energie AG, das Forschungszentrum Information Karlsruhe, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die KEO GmbH Köln. Dass auch von höherer Stelle großes Interesse an der ökonomischen Verbreitung regenerativer Energien besteht, hat der baden-württembergische Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Franz Untersteller, mit der Übernahme der Schirmherrschaft für die Bürgerforen am 21. und 28. September verdeutlicht. Als wichtigste Ziele des „Living Lab“ nannte Steffen Link die Transformation des Strommarktes, die man mit dem Feldtest simulieren wolle.

Flexibilität ist gefragt

Die Pilothaushalte, die aufgrund des Modellcharakters und der vorgegebenen Kriterien vorzugsweise in Walldorf-Süd gesucht werden, werden zu einer „Community“, also einer Gemeinschaft aus Stromproduzenten und –konsumenten, zusammengeschlossen. Allerdings ist es technisch auch möglich, geeignete Haushalte aus ganz Walldorf in das Forschungsvorhaben zu integrieren.

„Erzeugung und Verbrauch von Strom sollen ausbalanciert werden“, erklärte Sebastian Steuer vom Forschungszentrum Informatik (FZI), der sich gemeinsam mit Hans Schermeyer vom KIT schmunzelnd als „Simulant“ vorstellte. Durch die angestrebte Fähigkeit, im „Living Lab“ die dezentralen Anlagen möglichst flexibel und bedarfsgerecht auszuschöpfen, sollen neue Regeln für den Strommarkt simuliert werden. Wie Schermeyer berichtete, müsse unter anderem untersucht werden, welche Anreize die Flexibilität heben könnten. Sebastian Steuer veranschaulichte anhand des Computerspiel-Klassikers „Tetris“, dass erzeugte und verbrauchte Leistung – in Form von Tetris-Bausteinen – deckungsgleich sein sollten, um zu einer optimalen Netzauslastung zu gelangen. Der Fokus liege darauf, wann Strom verbraucht werde. Mithilfe des Walldorfer Feldversuchs würden effiziente Lösungsverfahren erforscht. Wichtig sei, auftretende Probleme schnell lösen zu können, innerhalb einer Minute in der Community, und ein „dezentrales Optimierungsdesign“ zu erreichen. Als sehr positiv wurde gewertet, dass ein Walldorfer Supermarkt sich an dem Feldtest beteiligt. Damit gewinne man auch Erkenntnisse über die Zeitreihe, wann der Supermarkt Strom brauche. Durch die Einbindung in die LiLa-Community entstünden Synergien.

„Die Rolle des Energielieferanten wird mitbilanziert“, erklärte Stadtwerke-Geschäftsführer Matthias Gruber, der „stolz darauf ist, als kleines Unternehmen Teil eines so komplexen Feldtests zu sein.“ Es gehe zwar um reale Haushalte und reale Anlagen, so Gruber, doch die bestehenden Stromverträge würden nicht angetastet. Auch die Produktion einer Photovoltaikanlage werde nicht beeinflusst. Der Feldversuch sei auch für die Frage der zukünftigen Rolle der Stadtwerke aussagekräftig, so Gruber. Wie funktioniert die Technik in der Praxis? Wie funktioniert der Kunde? Er erklärte auch, was sich in den ausgewählten Haushalten tun werde. Es werde ein Energieerfassungsgerät angeschlossen und über ein Energiemodem die Verbindung zur Energiemanagement-Plattform bei der Beegy GmbH hergestellt. Nach der Auswertung der Daten könne die Plattform dann Signale an den Haushalt zurücksenden.

Auf die Frage nach dem Datenschutz erklärten Matthias Gruber und Steffen Link, dass alle Daten anonymisiert, Personen- und Haushaltsdaten getrennt und sichere Verschlüsselungstechnik verwendet würden. Insgesamt zeigten sich die überwiegend männlichen Besucher des Informationsabends bereits als Experten in Sachen erneuerbarer Energie. Wer am Feldversuch schließlich teilnimmt, erhält nach der Installation und nach Abschluss des eineinhalbjährigen Feldtests jeweils einen 50-Euro-Gutschein für den AQWA Bäder- und Saunapark, ist zu drei begleitenden Workshops eingeladen und kann sich als Pionier der Energiewende fühlen.

Anmeldungen noch bis 10. Oktober möglich unter:
www.living-lab-walldorf.de/mitmachen
Den teilnehmenden Haushalten entstehen keinerlei Kosten.