Hochrisikomanagement bei Gewalt in engen sozialen Beziehungen

Fortentwicklung in den Polizeipräsidien

Am 29. und 30. Juni 2016 fanden zwei professionsübergreifende Veranstaltungen in den Räumen der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd in Neustadt statt (Foto: Polizei)
Am 29. und 30. Juni 2016 fanden zwei professionsübergreifende Veranstaltungen in den Räumen der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd in Neustadt statt (Foto: Polizei)

Pfalz – Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren hat die rheinland-pfälzische Polizei „Gewalt in engen sozialen Beziehungen“ in ihrem Fokus. ‚Ermitteln und helfen statt nur zu schlichten‘ prägt heute das polizeiliche Handeln, ein Paradigmenwechsel hat sich vollzogen.

„Mit Beginn des veränderten Rollenverständnisses haben wir uns intensiv mit der Entwicklung und Fortschreibung geeigneter Interventionskonzepte zur Optimierung des Umgangs mit Fällen häuslicher Gewalt auseinandergesetzt. Dabei stand die Frage, ob und wie mögliche Gewalteskalationen in Paarbeziehungen im Vorfeld erkannt und durch ein effizientes Risikomanagement verhindert werden können im Vordergrund; denn nur selten gestaltet sich die Gefahrenprognose durch klar zum Ausdruck gebrachte Befürchtungen eines Opfers („Irgendwann bringt er mich um!“) eindeutig.“

In der Zeit vom 01.10.2014 – 30.09.2015 wurde im Polizeipräsidium Rheinpfalz in einem vom Ministerium des Inneren, für Sport und Infrastruktur beauftragten Pilotprojekt landesweit erstmalig die Anwendung wissenschaftlich entwickelter Analyseverfahren zur Identifizierung und Bewertung von Hochrisikofällen bei Gewalt in engen sozialen Beziehungen erprobt.

Die Erfahrungen der Projektbeteiligten, aber auch die Ergebnisse der Evaluation des Zentrums für Methoden, Diagnostik und Evaluation der Universität Koblenz-Landau zeigten, dass zeitnah professionsübergreifend eingeleitete Maßnahmen eine stark deeskalierende Wirkung entfalten. Auch von Seiten der Opfer und sogar eines Täters wurde dieser interdisziplinäre Ansatz positiv bewertet.

Das Evaluationsteam der Universität zeigte auf, dass sich der Einsatz standardisierter Instrumente zur Risikoeinschätzung grundsätzlich bewährt hat und sich auch auf Basis empirischer Forschungsbefunde empfiehlt. Trotz des Mehraufwands, der durch ihren Einsatz mit der Fallbearbeitung einhergeht, ist dieser vertretbar und wird ausdrücklich empfohlen. Ebenso wurden die sogenannten Fallkonferenzen durchweg positiv bewertet. Die Zahl der Rückfälle reduzierte sich substantiell im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.

Abschließend empfiehlt die Universität deshalb, ein System zur kontinuierlichen Begleitung der Fälle in den Fallkonferenzen und derer, die nicht in die Fallkonferenzen kommen, zu etablieren.

Über unsere Erfahrungen hat die Polizei bereits am Montag, den 23.11.2015, anlässlich der Abschlussveranstaltung des Pilotprojekts im Schönstatt-Zentrum Marienpfalz in Herxheim, berichtet. Aufgrund der positiven Ergebnisse werden das Polizeipräsidium Rheinpfalz und das Polizeipräsidium Westpfalz, die im Projekt getesteten Verfahrensweisen fortführen und in ihre Alltagsorganisation implementieren. In Vorbereitung darauf wurden die Polizistinnen und Polizisten in den vergangenen Wochen intensiv beschult.

In einem Grundmodul, am 17.05.2016 bei der Bereitschaftspolizei in Enkenbach wurden sie in die Thematik Hochrisikomanagement eingeführt. Darüber hinaus wurden rechtliche Grundlagen, unter anderem in Hinblick auf datenschutzrechtliche Aspekte in Bezug auf Fallkonferenzen, vermittelt.

Am 29. und 30. Juni 2016 folgten zwei professionsübergreifende Veranstaltungen in den Räumen der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd in Neustadt, wo die Teilnehmer über Anwendung und Erfahrungen mit den Analysetools „Danger Assesment“ und „Odara“ informiert wurden.

„Netzwerkarbeit ist das zentrale Element einer wirkungsvollen Zusammenarbeit und damit der entscheidende Erfolgsfaktor. Deshalb freue ich mich über die professionsübergreifenden Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer bedarfsorientiert fortgebildet werden um das Hochrisikomanagement gemeinsam in der Praxis umzusetzen“,

so Thomas Ebling, Polizeipräsident Polizeipräsidium Rheinpfalz.

Elmar May, Polizeipräsident Polizeipräsidium Westpfalz, ist froh das Hochrisikomanagement nun auch in der Westpfalz zu haben:

„Unsere Kollegen im Polizeipräsidium Rheinpfalz haben in der Projektzeit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich freue mich, dass wir nun auch die Analysetools nutzen werden, um gravierende Gewalteskalationen bis hin zu Tötungsdelikten verhindern zu können.“