Ermittlungen gegen Erzieher einer Kindertagesstätte in Mainz-Weisenau eingestellt

Mainz – Die Staatsanwaltschaft Mainz hat das gegen sechs Erzieherinnen und einen Erzieher einer Kindertagesstätte in Mainz-Weisenau geführte Ermittlungsverfahren nach § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt.

Die durchgeführten Ermittlungen haben weder Beweise für eine Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 Strafgesetzbuch), Körperverletzungsdelikte (§ 223 Strafgesetzbuch) – sei es durch aktives Handeln oder durch Unterlassen – noch für sonstige Straftaten durch die insgesamt sieben Erzieher ergeben. Es bestehen zudem auch keine Anhaltspunkte auf Straftaten zum Nachteil der Kindergartenkinder durch sonstige Personen, wie etwa der Eltern oder sonstiger Bezugspersonen.

In einer am 10. Juni 2015 erhobenen Strafanzeige des Bischöflichen Ordinariats wurde auch unter Hinweis auf verschiedene Ausführungen von Eltern dargelegt, dass es in einer Kindertagesstätte in Mainz-Weisenau über Monate hinweg zu ganz erheblichen sexuellen Übergriffen und herabwürdigendem und/oder gewalttätigem Verhalten zwischen den dort betreuten Kindern gekommen sei. Die Erzieher hätten pflichtwidrig dagegen nichts unternommen. Beispielsweise seien Kinder – teils unter Morddrohungen – gezwungen worden, sich auszuziehen und/oder gegen ihren Willen verschiedene (entwürdigende) Tätigkeiten, wie das Urinieren in eine Spielecke, auszuführen. Kindern seien Gegenstände in den Anus eingeführt worden. Kinder seien erpresst worden, Spielzeug mitzubringen und an andere auszuhändigen. Kinder seien mehrfach auf die Genitalien geschlagen worden.

Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen lässt sich kein Beweis dafür erbringen, dass diese gravierenden sexuellen, herabwürdigenden oder gewalttätigen Verhaltensweisen zwischen den Kindern überhaupt und in der geschilderten Weise stattgefunden haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die erhobenen Vorwürfe letztlich auf unbewusst suggestiv beeinflussten Befragungen von Kindern durch ihre Eltern und dem interpretierenden Austausch von dabei gewonnenen Informationen zwischen Eltern beruhen.

Belegen lässt sich im Kontext der behaupteten sexuellen Übergriffe lediglich, dass sich Kinder im Rahmen selbst erfundener Spiele, aufgrund spielerischer Neckereien und Streiche oder von sonstigen alterstypischen kindlichen Verhaltensweisen freiwillig entblößt haben bzw. ihnen die Hose durch ein anderes Kind heruntergezogen wurde. Anhaltspunkte für Gewalt, Zwang oder Drohung in diesem Zusammenhang bestehen nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht.

Andere Hinweise auf Fehlverhalten von Kindern in der Kindertagesstätte, wie Schubsen oder Schlagen anderer Kinder im Streit, Beleidigungen oder das unerlaubte Wegnehmen von Süßigkeiten und Spielzeug des Kindergartens, haben sich bei den Ermittlungen hingegen bestätigt. Hierzu gehört auch, dass ein Kind eine Kopfplatzwunde erlitten hat, die in einem Krankenhaus ärztlich versorgt worden ist. Auch soll es nach Aussagen erwachsener Zeugen in dieser Kindertagesstätte „lauter“ und „chaotischer“ zugegangen sein als in anderen Kindergärten. Auch wurde nachvollziehbar von einem „weniger liebevollen Umgang“ und dem Eindruck einer zunehmenden Überforderung der Erzieher berichtet.

Aufgrund der Gesamtschau der Ermittlungsergebnisse ist indes davon auszugehen, dass die Erzieher in Fällen von kindlichem Fehlverhalten, insbesondere bei handgreiflich ausgetragenen Streitereien in einer Weise eingeschritten sind bzw. schützende Maßnahmen ergriffen haben, die für den Vorwurf einer gröblichen Verletzung der ihnen obliegenden Fürsorge- und Erziehungspflicht ebenso wenig Raum lässt wie für einen anderen Straftatbestand.

Durch die Vernehmung erwachsener Zeugen sowie die Anhörung von Kindern sind über die ursprüngliche Strafanzeige hinausgehende weitere Vorwürfe gegen einzelne Erzieher bekannt geworden. So gab es, um einige Beispiele zu nennen, Hinweise, wonach ein Kind mehrfach durch eine Erzieherin gegen den Kopf geschlagen worden sei. Ein anderes Kind soll eingesperrt und ein weiteres als Strafe über längere Zeit auf einem Stuhl festgehalten worden sein. Wieder ein anderes Kind soll sich eines achtlos durch eine Erzieherin liegen gelassenen Feuerzeugs bemächtigt und sich beim Spiel mit diesem verbrannt haben.

Im Zuge der Ermittlungen konnten derartige Vorwürfe entweder nicht verifiziert werden oder der letztlich aufgeklärte Sachverhalt erfüllte keinen Straftatbestand.

Auch von einigen Eltern geäußerte Vermutungen, wonach sexualisiertes oder gewalttätiges Verhalten einzelner Kinder auf in der Familie oder dem sonstigen sozialen Umfeld stattfindenden sexuellen Missbrauch oder Misshandlung dieser Kinder hindeute, konnten durch die Ermittlungen nicht bestätigt werden. Es bestand kein Anlass, diesbezüglich Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Insgesamt sind in dem Verfahren 91 Vernehmungen durchgeführt worden, davon 33 Videoanhörungen von Kindern. Außer den Eltern wurden ehemalige Erzieher der Kindertagesstätte, Praktikanten und sonst im Kindergarten tätige Personen vernommen. Weitere Vernehmungen wurden mit behandelnden Ärzten bzw. sonstigen Therapeuten durchgeführt. Weiterhin wurden Gutachten der Rechtsmedizin und einer Aussagepsychologin eingeholt. Von den sieben Erziehern haben sich vier Erzieherinnen über ihre Verteidiger zur Sache eingelassen und die erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Die letzte Stellungnahme eines Verteidigers ging im Mai 2016 bei der Staatsanwaltschaft ein.

Hintergrund

§ 171 Strafgesetzbuch

Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht.

Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 223

Körperverletzung.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.