Von den Anfängen der Städtepartnerschaften und der 50-jährigen Freundschaft mit Birmingham

Austausch im Zeichen der Aussöhnung

Teilnehmer des Schüleraustauschs mit Birmingham vor der Schule am Ried in Enkheim

Frankfurt am Main – Als internationale Metropole pflegt Frankfurt traditionell Kontakte in nahezu alle Teile der Welt. In diesem Jahr stehen gleich drei Jubiläen an.

Die Städtepartnerschaft mit Birmingham/Großbritannien besteht seit 50 Jahren, die Abkommen mit Krakau/Polen und Granada/Nicaragua wurden jeweils vor 25 Jahren abgeschlossen. Grund genug, um das vielfältige Thema ausgiebig zu beleuchten. Das Presse- und Informationsamt widmet ihm zwei Features, der zweite Teil erscheint in einer Woche.

Von Birmingham über Kairo und Philadelphia bis Yokohama: Die Stadt Frankfurt unterhält Partnerschaften mit 17 Städten auf vier Kontinenten.

„Im Mittelpunkt dieser Verbindungen stehen stets die Menschen: Sie beleben die Partnerschaften, lernen voneinander und finden hier ideale Gelegenheiten, Verständnis für andere Kulturen zu entwickeln“,

sagt Oberbürgermeister Peter Feldmann, der während seiner Amtszeit schon zwölf Partnerstädte besucht hat, darunter Frankfurts jüngste Philadelphia. Ging es in jüngerer Zeit verstärkt um den sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Austausch, stand in den Anfangsjahren der Wunsch nach dauerhafter Aussöhnung im Vordergrund.

„Der Austausch im Rahmen von Städtepartnerschaften war die größte Friedensbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg“,

sagt Eduard Hechler, Leiter des Referates für Internationale Angelegenheiten (RIA) der Stadt. Die Kommunen verfolgten damals das Ziel, Begegnungen zwischen Menschen aus einstmals verfeindeten Staaten zu organisieren. In Deutschland lag der Fokus vor allem auf Frankreich – so begründete auch Frankfurt seine erste Städtepartnerstadt im Oktober 1960 mit Lyon. Seitdem nahmen unzählige Menschen an den Austauschprogrammen mit der wachsenden Zahl von Partnerstädten teil, auch heute noch sind es etwa 3.000 pro Jahr.

Sportfest für die Jugend

Vor allem Jugendliche pflegen die interkommunalen Freundschaften, der gegenseitige Schüleraustausch ist ein zentraler Aspekt. Aber auch Bürgergruppen und Vereine treffen sich und immer wieder beleben neue Ansätze die Partnerschaften. Zum internationalen Jugendsportaustausch zwischen Frankfurt und Lyon trafen sich im vergangenen Juli rund 400 Teilnehmer in der Mainmetropole, maßen sich in verschiedensten Disziplinen von Hip-Hop bis Schach, besuchten abends das Stoffel-Festival im Günthersburgpark und hatten viel Spaß miteinander.

„Das war wirklich ein tolles Modell, sowas habe ich in 28 Jahren im Dienst der Städtepartnerschaften noch nicht erlebt“,

schwärmt Hechler. Die Frankfurter Sportjugend organisiert dieses jährlich stattfindende Sportfest zusammen mit dem Office du Sports in Lyon. Aktuell versuchen die Partner, auch Vereine aus Birmingham für eine Ausweitung der Veranstaltung zu gewinnen.

Mit der zweitgrößten Stadt Großbritanniens ist Frankfurt seit genau 50 Jahren befreundet: Im April 1966 wurde die Partnerschaft offiziell besiegelt. Die Schule am Ried in Frankfurt-Enkheim pflegt seit 30 Jahren einen regen Austausch mit Birmingham; an den Angeboten nahmen im Laufe der Zeit rund 1.000 Kinder und Jugendliche teil. In Zusammenarbeit mit der King Edward VI Boys School in der englischen Partnerstadt bietet die Kooperative Gesamtschule sowohl den klassischen Schüleraustausch für Achtklässler des Real- und Gymnasialzweiges als auch seit 1993 Betriebspraktika für die Jahrgangsstufe neun vor Ort an.

Schulbesuche und Betriebspraktika in Birmingham

20 Schüler waren im März mit dem verantwortlichen Lehrer Timo Wolf eine Woche zu Gast in Birmingham. Sie wohnten in Gastfamilien, gewannen Eindrücke ins britische Schulsystem, lernten den Alltag vor Ort kennen und testeten ihre Sprachkenntnisse.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit meinem Schulenglisch so gut zurechtkomme“,

erzählt Finn (13). Seinem gleichaltrigen Kumpel Max hat vor allem der Ausflug ins Schokoladenmuseum und das gemeinsame Fußballspielen gefallen. Melissa wohnte in einer Familie, die wie viele Einwohner Birminghams indische Wurzeln hat, und genoss authentische Currys zum Abendessen. „Die Woche hat viel Spaß gemacht, wir haben sehr nette Leute getroffen“, berichtet die 14-Jährige. Highlights waren die Ausflüge nach London und in Shakespeares Geburtsstadt Stratford upon Avon. Jetzt plant Lea (15) schon den Gegenbesuch im Oktober: Sie möchte den Jugendlichen aus Birmingham den Frankfurter Zoo und die Aussichtsplattform auf dem Maintower zeigen.

Im Januar absolvierten 20 Jugendliche der Schule am Ried zweieinhalb Wochen lang ihr Betriebspraktikum in Birmingham. Clara (15) arbeitete im Büro einer Sprachschule und besuchte dort auch Deutschkurse, die vor allem ältere Engländer buchen.

„Es war spannend zu sehen, wie unsere Sprache dort vermittelt wird.“

Timo trat seinen Praktikumsplatz in der Kantine des Birminghamer Rathauses an, wo er unter anderem lernte, wie man einen Hummer zerlegt. Elisa (15) war in einer Grundschule tätig, bereitete den Unterricht mit vor und freute sich über den täglichen Umgang mit den Kindern. Da die Kleinen ihre Schuluniformen trugen, kleidete auch sie sich recht schick: „Mit Löchern in der Jeans wirst du nicht ernst genommen.“ Der Job-Dresscode spielt in England insgesamt eine wichtige Rolle, und einige Jungen besorgten sich vor Reiseantritt noch ihr allererstes weißes Hemd.

Austausch stärkt Sprachkenntnisse und Selbstvertrauen

„Durch die Kleidung zeigen die Jugendlichen, dass sie jetzt die Perspektive wechseln und wirklich in einem Betrieb mitarbeiten“,

verdeutlicht die Lehrerin Ute Lembeck, die seit Jahren die Praktikanten begleitet. Dazu gehöre auch, sich das entsprechende Berufsvokabular anzueignen. Nach den zweieinhalb Wochen im Restaurant eines Colleges habe sie schon „auf Englisch gedacht“, sagt Laura (14):

„Das hat mich total überrascht.“

Neben den Sprachkenntnissen stärke so ein Aufenthalt auch das Selbstvertrauen, sind sich die Jugendlichen einig.

„Wer am späten Nachmittag allein im Dunkeln mit dem – hoffentlich richtigen – Bus durch die Millionenstadt fährt, wird einfach schneller selbstständig“,

unterstreicht ihre Lehrerin. Der Gegenbesuch aus Birmingham steht im Sommer an: Die Jugendlichen absolvieren unter anderem Praktika im Reisebüro, in der Gastronomie oder an Frankfurter Kindertagesstätten. Auch hier gibt es jeweils ein gemeinsames Freizeitprogramm, damit sich die Teilnehmer besser kennen lernen.

Weltweite Anfragen erreichen die Mainmetropole

Diese Teilhabe ganz verschiedener Bürger ist für Oberbürgermeister Feldmann „idealerweise“ die Grundlage für eine Städtepartnerschaft. Manchmal gibt es jedoch auch übergeordnete Ziele: Um sich solidarisch mit dem Friedensprozess im Nahen Osten zu zeigen, ging Frankfurt 1979/80 jeweils Freundschaften mit den Metropolen Kairo und Tel Aviv ein – damit wurde der Grundgedanke der Aussöhnung quasi fortgeführt.

Weltweit ist Frankfurt bis heute als Partnerstadt beliebt und begehrt: Beim RIA gingen in den vergangenen zehn Jahren mehr als 100 Anfragen für eine Städtepartnerschaft ein.

„Es melden sich beispielsweise Bürger, Unternehmen oder Honorarkonsule“,

berichtet Hechler.

„Eine Partnerschaft muss immer von der ganzen Stadtgesellschaft getragen werden",

so Feldmann abschließend. Das sei das zentrale Kriterium für eine neue Partnerschaft.