OB Matheis: „Bundesrat soll sich mit Kommunalfinanzen befassen“

Treffen in Mainz

Pirmasens – Im Ringen um die Wiedergewinnung kommunalpolitischer Handlungsfähigkeit treffen sich morgen, Mittwoch, knapp 50 Vertreter finanzschwacher Kommunen aus acht Bundesländern in Mainz. An der 6. Kommunalkonferenz des parteiübergreifenden Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“ nehmen auch der Pirmasenser Oberbürgermeister Dr. Bernhard Matheis und Finanzdezernent Michael Schieler teil.

Das Aktionsbündnis, dem sechs Städte aus der Pfalz angehören, fordert eine politische Initiative zur grundsätzlichen Neuordnung des kommunalen Finanzsystems durch Bund und Länder unter Mitwirkung der kommunalen Spitzenverbände.

Dr. Bernhard Matheis hofft, dass es nach der Plenardebatte im Bundestag im vergangenen September, jetzt auch in der Länderkammer zu einer fruchtbaren Diskussion über die nicht mehr gegebene Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen kommt. „Noch in der laufenden Legislaturperiode muss sich der Deutsche Bundesrat mit der Not vieler Kommunen befassen“, mahnt Dr. Matheis zur Eile. Schließlich liege die Finanzverantwortung für die Städte und den Gemeinden bei den Bundesländern.

Seit den Gesprächen von Vertretern des Aktionsbündnisses mit den Fraktionschefs aller im Bundestag vertretenen Parteien im vergangenen Herbst habe sich dort die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht nur in den neuen Bundesländern Kommunen gebe, die von der hohen Sozialausgaben erdrückt würden. „Der Bund unternimmt beachtliche Anstrengungen, um die Disparitäten zu beseitigen“, lobt Dr. Matheis die Bemühungen. Von der Umsetzung des Kommunalen Investitionsprogramms 3.0 profitiere Pirmasens mit sieben Millionen Euro. Die Mittel fließen in der Siebenhügelstadt in die dringend notwendige energetische Sanierung von vier Schulgebäuden. Das Maßnahmenprogramm des Bundes sei zwar ein erster wichtiger Schritt, löse aber nicht die grundsätzlich Problematik der strukturellen Unterfinanzierung.

Deshalb fordert das parteiübergreifende Aktionsbündnis, „als Hilfe zur Selbsthilfe“, wie Dr. Bernhard Matheis betont, dass Bund und Länder den Kommunen stärker als bisher unter die Arme greifen. Dazu haben die Verwaltungschef, Kämmerer und Finanzdezernenten mit finanzwissenschaftlicher Unterstützung eine „Mainzer Erklärung 2016“ erarbeitet, die am Mittwoch verabschiedet werden soll. Das Papier soll deutlich machen, dass viele Kommunen die ihnen vom Gesetzgeber – also von Bund und Ländern – übertragenen, jedoch nicht angemessenen finanziellen Aufgaben seit langem nur erfüllen können, indem sie immer neue Kredite aufnehmen.

Der größte Teil der kommunalen Schulden sei eine Folge von Aufgaben, die den Städten Jahrzehntelang ohne ausreichende Gegenfinanzierung per Gesetz von Bund und Land übertragen wurde, so Dr. Bernhard Matheis. Exemplarisch nennt der 60-Jährige die Bereiche Flüchtlingsunterbringung, Inklusion, U3-Betreuung und Schulbuchausleihe. Der Pirmasenser Oberbürgermeister und Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Städtetages steht seit November als politischer Sprecher an der Spitze des Aktionsbündnisses – an der Seite von Alt-OB Dagmar Mühlenfeld (Mühlheim an der Ruhr).

Dr. Matheis mahnt, dass insbesondere Städten im Strukturwandel der Verlust eigener Gestaltungsfähigkeit drohe: „Weil die finanzschwachen Kommunen die Probleme trotz vielfältiger eigener Sparmaßnahmen niemals in den Griff bekommen können, appelliere wir mit Nachdruck an die Gesetzgeber, uns zu helfen“. Die strukturelle Unterfinanzierung sei bei weitem nicht durch weitere Einsparungen bei Personal- und Sachkosten zu lösen, ist er überzeugt. Es sei kein Zufall, dass unter den 20 am höchsten verschuldeten Städten in Deutschland acht aus Rheinland-Pfalz sind. „Hier ist das Land Rheinland-Pfalz in der Pflicht, das originär für eine adäquate Finanzausstattung seiner Kommunen verantwortlich ist“; richtet Matheis seinen Appell an die neue Landesregierung.

Gleichzeitig warnt der Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Städtetages davor, notwendige Anpassungen der Finanzausstattung der Kommunen mit dem Argument auf die lange Bank zu schieben, dass sich deren Finanzmisere durch eine Kommunalreform lösen lasse. Damit weiche man bewusst dem eigentlichen Problem einer permanenten Unterfinanzierung der Städte durch immer neue Aufgabenübertragungen aus.

Hintergrund:

Wegen der von Bund und Land per Gesetz übertragenen, aber nicht ausreichend gegenfinanzierten Pflichtaufgaben sind Kommunen in eine gefährliche Schieflage geraten. Um mit einer Stimme zu sprechen, haben besonders hoch verschuldete Städte aus acht Bundesländern ein parteiübergreifendes Aktionsbündnis gegründet, dem inzwischen 68 Kommunen angehören. Diese Städte, in denen zusammengerechnet mehr als knapp zehn Millionen Einwohner leben, drücken Kassenkredite von insgesamt 22,5 Milliarden Euro.

Aus Rheinland-Pfalz gehören dem Aktionsbündnis acht Kommunen an: Das sind neben Pirmasens die Städte Frankenthal, Kaiserslautern, Koblenz, Lahnstein, Ludwigshafen, Mainz, Mayen, Neustadt/Weinstraße, Trier, Worms und Zweibrücken. In der sogenannten Berliner Erklärung, die am 23. September 2015 verabschiedet worden war, wird die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse durch ein gerechtes Gemeindefinanzsystem reklamiert. Zentrale Forderungen, um Schulden abbauen und Haushalte ausgleichen zu können, sind eine Neuordnung der Soziallastenfinanzierung, eine Strategie zur Stärkung kommunaler Investitionsfähigkeit sowie ein Sondertilgungsprogramm zum Abbau überproportionaler Verschuldung.