Erneuter Erfolg der Heidelberger Kriminalpolizei bei der Aufarbeitung bislang ungeklärter Kapitalverbrechen

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Zum zweiten Mal ist es der Heidelberger Kriminalpolizei gelungen, bei der Aufarbeitung bislang nicht geklärter Mordfälle einen dringend der Tat Verdächtigen zu ermitteln.

Bereits am 30.09.2008 war in Mannheim ein 54-jähriger Mann unter dem dringenden Verdacht festgenommen worden, am 15.Juni 1980 den damals 60 Jahre alten Hans Weberin Leimen/Rhein-Neckar-Kreis getötet zu haben. Dieser Beschuldigte wurde am 13.Juli 2009 vom Landgericht Heidelberg wegen Mordes u.a. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Beim zweiten Fall handelt es sich um den Mord an Bianca Keil im August 1991. Der jetzt dringend Tatverdächtige, ein Großonkel (Bruder des Großvaters) des Opfers,
Jahrgang 1928, kann allerdings nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Er hat sich im Dezember 2000 den Nähe von Bruchsal das Leben genommen.

Bianca Keil, eine aus Erfurt stammende, zur Tatzeit 17 Jahre alte Restaurant-Fachfrau-Auszubildende, war am 14.08.1991 von ihrem Arbeitgeber als vermisst gemeldet worden, nachdem sie mehrere Tage nicht auf der Arbeit erschienen war. Im März 1992 erhielt die Heidelberger Polizeidirektion Nachricht der Polizei aus Besancon/
F, dass dort in einem Waldstück in der Nähe einer Autobahn am 10.August 1991 die Leiche eines mit einer Krawatte erdrosselten jungen Mädchens aufgefunden
worden war.

Erst durch die Nachricht der französischen Behörden wurde diese Leiche als die in Heidelberg verschwundene Bianca Keil identifiziert. Die französischen Ermittler gingen
damals davon aus, dass Fundort nicht gleich Tatort war, konnten aber keine weiteren Ergebnisse hinsichtlich eines Tatverdachtes erzielen. Bereits kurz nach der Vermisstmeldung war die bei der Heidelberger Kriminalpolizei eingerichtete Sonderkommission von einem Kapitalverbrechen an Bianca Keil ausgegangen und hatte den damals 63-jährigen Großonkel des Opfers im Verdacht, die Tat begangen zu haben. Es war ermittelt worden, dass er bis kurz vor der Tatzeit ein intimes Verhältnis mit der 17-Jährigen hatte, bis diese die Beziehung abbrach, als sie in Erfurt einen jungen Mann kennen gelernt hatte. Dieser Tatverdacht war jedoch trotz intensiver offener und auch verdeckt geführter Ermittlungen nicht zu erhärten. Insbesondere gelang es nicht, dem Großonkel die als Tatwerkzeug benutzte Krawatte zuzuordnen.
Nach der Abarbeitung aller Spuren musste die Sonderkommission aufgelöst, die aktiven Ermittlungen eingestellt werden. Die Fallakten wurden beim Dezernat 11 archiviert,
ein Sachbearbeiter war – wie in solchen Fällen üblich – mit der Beobachtung des kriminalpolizeilichen Informationsaustausches befasst, um evtl. neue Ansatzpunkte für Ermittlungen zu finden.

Im Mai 2004 traf die Leitung der Kriminalpolizei Heidelberg die Entscheidung, dass alle bis dato als „nicht geklärt“ in den Akten geführten Mordfälle systematisch auf die Möglichkeiten hin untersucht werden, mit neuen, zum Tatzeitpunkt noch nicht bekannten/möglichen kriminaltechnischen Methoden zu einem Tatverdacht zu kommen.
Im August 2007 übernahm ein Sachbearbeiter des Dezernates Kapitalverbrechen die zentrale Bearbeitung dieser Fälle.
In diesem Zusammenhang wurden auch die Asservate (sichergestellte Gegenstände mit Tat- bzw. Täterbezug), im Mordfall Bianca Keil erneut überprüft, darunter auch die Krawatte, mit der das Opfer erdrosselt worden war.
Diese wurde im Dezember 2009 zusammen mit zwei von Bianca Keil am Tattag getragenen Bekleidungsstücken (T-Shirt, Slip) dem LKA Stuttgart zur kriminaltechnischen
Untersuchung auf „Gebrauchs-DNA-Spuren“ übersandt. Gebrauchsspuren im kriminalistischen Sinn sind kleine und kleinste Mikrospuren, die bei einem norm-typischen
Normalgebrauch an einem Gegenstand zurückbleiben (z.B. Hautschüppchen an Schnürsenkeln). Als Vergleichsprobe hatten die Ermittler drei Postkarten untersucht, die der tatverdächtige Großonkel 1983 von seinen Fernfahrertouren aus Frankreich nach Deutschland geschickt hatte. Aus Speichelresten unter den Briefmarken ließ sich die jeweils gleiche DNA isolieren.

Erfolgversprechende Vergleichsuntersuchungen, in denen kleinste Hautabriebspuren auf übereinstimmende DNA hin untersucht werden konnten, sind in der kriminaltechnischen Anwendung erst seit Mitte der 90iger Jahre möglich; 1994 datiert die erste erfolgreiche Untersuchung in einem Mordfall. In den Jahren davor waren wesentlich größere Mengen des Trägerstoffes für eine erfolgversprechende Untersuchung notwendig.

Im November 2011 übersandte das Kriminaltechnische Institut des LKA Stuttgart die Nachricht an die Heidelberger Ermittler: an der Krawatte, mit der Bianca Keil erdrosselt
wurde, befindet sich DNA-Material, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 1: 16 Billiarden von dem tatverdächtigen Großonkel stammt.Somit ergibt sich aus folgenden Umständen ein dringender Tatverdacht gegen den Großonkel:
– die DNA-Spuren an dem Drosselwerkzeug stammen eindeutig von ihm
– er hatte ein eindeutiges Motiv, da Bianca Keil im August 1991 ein intimes Verhältnis zu ihm beendet hatte, um mit einem jungen Mann zusammenleben zu können
– als Fernfahrer fuhr er häufig die Tour Deutschland – Spanien, die an Besancon vorbeiführt; er dürfte sich also dort ausgekannt haben
– bereits bei der ersten Untersuchung seines Autos im Jahr 1991 waren auf dem Beifahrersitz Mikrofaserspuren des von Bianca Keil zuletzt getragenen T-Shirts festgestellt worden.

Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei Heidelberg sind nach einer Bewertung der Gesamtumstände der Überzeugung, dass der in Rede stehende Großonkel Bianca Keil zu einem nicht mehr ermittelbaren Zeitpunkt um den 10.August 1991 herum ermordet hat. Auch der genaue Tatort war im Nachhinein nicht mehr zu ermitteln.
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat das Ermittlungsverfahren gegen den im Jahr 2000 verstorbenen Beschuldigten formell eingestellt, die Ermittlungen sind abgeschlossen.