Bischof Wiesemann verteidigt moralische Natur des Menschen

Dass moralisches und verantwortliches Handeln im Menschen von Natur aus angelegt sei, hob Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann am Dienstagabend in Speyer in einer Veranstaltung der Reihe „Kultur im Rathaus“ hervor. In seinem Vortrag unter der Überschrift "Ethik und Gesellschaft" knüpfte er an das Epos "Reineke Fuchs" von Goethe an, aus dem an dem Abend der Schauspieler und Regisseur Curt Timm las.

Reineke Fuchs, so Bischof Wiesemann, sei als „eine bitter ironische Verarbeitung des spätmittelalterlichen Stoffes“ ein entlarvender Gesellschaftsspiegel. Goethe habe seine Dichtung eine „unheilige Weltbibel“ genannt. „Es handelt sich um die Weltgeschichte im scharf ironischen Gegensatz zur göttlichen Heilsgeschichte, sozusagen um die unheilige Vorsehung und Fügung des Weltgeschehens, die den rücksichtslos Cleveren immer wieder nach oben spült.“ Der Skandal dieser Art von Weltordnung, die sich für Goethe immer wiederhole, scheine in der Natur des Menschen begründet zu sein. Diese bittere Ironie über die ständige Korrumpierbarkeit des Weltenlaufes und der in ihm stehenden Personen sei nicht an eine bestimmte Staatsform oder Gesellschaft geknüpft, auch wenn die Fabel ganz in der höfischen Welt spiele. Was hier gesagt werde, betreffe auch die Demokratie als freiheitlich-rechtsstaatliche Gesellschaftsordnung, erklärte Wiesemann.

Der Bischof widersprach jedoch der These von der „quasi naturhaften Korruption des Weltenlaufes“. Der Auffassung, dass der Mensch aus angeborenem Überlebenstrieb dem andern gegenüber wie ein Wolf sei – also ein Rivale und Feind -, stellte er die Einsicht des heiligen Thomas von Aquin gegenüber, von Natur her sei der Mensch eigentlich dem Menschen ein Freund. “Der Mensch ist ein moralisches Wesen von Natur aus: Homo homini non lupus, sed amicus. Das zeigt sich besonders in der Not, in der Fähigkeit des Menschen zur Solidarität, auch wenn ihm selbst dadurch Nachteile entstehen könnten“, betonte der Bischof. Wenn die menschliche Natur aber eine Moralnatur sei, dann könne man sich ihr gegenüber nicht moralisch neutral verhalten. „Das bedeutet zunächst, unsere eigene Moralnatur zu schützen: Gut zu leben, weil wir gut gedacht und geschaffen sind.“ Es bedeute aber auch, die Moralnatur des Nächsten zu achten und zu schützen. “Weil Gott ein Freund der Menschen ist, ist es in der Natur verankert, dass der Mensch ein Freund des Menschen ist.“