OB heißt ehemalige jüdische Bürgerin willkommen

v.li. Annerose Schaefer, OB Hansjörg Eger, Marlies Hirsch-Behrstock, Don Behrstock, Spencer Glesby, Paul-Philipp Schaefer

„Ich fühle mich hier zuhause, hier sind meine Wurzeln“ betont die 80-jährige Marlies Hirsch-Behrstock, beim gestrigen Empfang durch Oberbürgermeister Hansjörg Eger. „Sehr emotional“ sei dieser erste offizielle Besuch im Speyerer Stadthaus, bei dem die gebürtige Domstädterin Ehemann Don Behrstock und Enkelsohn Spencer Glesby an ihrer Seite weiß.

1932 in Speyer als Kind jüdischer Eltern geboren, floh die Familie 1937 vor der Naziherrschaft und wanderte in die USA aus. Auch wenn sie seither in Los Angeles lebe, sei da dieses ambivalente Gefühl von Verlangen nach Rückkehr und dem Schmerz der Wiederkehr in die alte Heimat Speyer. „Die vielen Fragen und Bilder im Innern haben mich zwei Nächte keinen Schlaf finden lassen“, lässt sie den OB wissen. Die Verbindung in die Domstadt ist dank der freundschaftlichen Bande zur Familie Schaefer, den Hoteliers des Goldenen Engels, nie ganz abgerissen. Marlies Mutter schwang mit Paul Schaefer, 1946-49 Speyers Oberbürgermeister, in den 1920er Jahren das Tanzbein und war mit dessen Schwester befreundet. Die Nachfolgegenerationen, im Stadthaus vertreten durch Annerose und Sohn Paul-Philipp, haben den Kontakt zu den Hirschs nach Kalifornien weitergepflegt. Diese Freundschaft war Motivation, in die deutsche Heimat als Besucher zurückzukehren. Schmerzlich und tränenreich war der erste Speyer-Besuch 1969 mit ihren drei Kindern, erinnert sich Marlies. Der Folgebesuch aufwühlend: Marlies blickt mit ihrer Mutter auf das einstige Zuhause, die Maximilianstraße 31. Hier betrieben Karoline, gen. Lilly, und Hugo Ernst Otto Hirsch einst ihr „Herrenmaßgeschäft und Modeartikel“. Vor dem Anwesen Maximilianstraße 25 gedachten sie der Großeltern, Lina und Hermann Kaufmann, die dort Manufakturwaren und Damenkonfektion anboten, bevor sie 1939 den Hirschs ins Exil nach Los Angeles nachfolgten, um wie diese bei null zu beginnen: keine Sprachkenntnisse, kein Geld. Denn weder das mit Initialen bestickte Leinen noch das Besteck mit Gravur fand in Amerika Kaufinteressenten. Lebendig sind die Erinnerungen der geistig wie körperlich vitalen 80-Jährigen nicht nur an die Entbehrungen nach der Auswanderung, sondern auch an die frühe Kindheit in Speyer. An der Hand von Hermine, ihrer liebevollen Kinderfrau, sei sie oft in den Speyerer Dom gegangen. Auch hinunter in die Krypta habe sie die gut gläubige Katholikin geführt und ihr an der Grablege von den salischen Kaisern erzählt. In positiver Erinnerung ist ihr bis heute auch die Suppenspeisung durch Ordensfrauen geblieben, vermutlich eine Mildtätigkeit der Dominikanerinnen des Klosters St. Magdalena. Wie als Kleinkind wird sie Speyer auch als 80-Jährige in positiver Erinnerung behalten, nämlich als eine freundliche, weltoffene, tolerante Stadt, mit Menschen, die sie herzlich willkommen heißen. Dank dem Besuch des Judenhofes, wird sie Speyer als Stadt erinnern, die ihr großes jüdisches Erbe pflegt und, wie sie sich bei der Besichtigung der neuen Synagoge Beith Schalom überzeugen konnte, das zarte Pflänzchen „jüdisches Leben“ tatkräftig beim Wachstum unterstützt. –Ein echtes zuhause eben.