Vor 25 Jahren: Papst Johannes Paul II. besucht Speyer

Es war ein Tag, der die kleine Stadt Speyer schlagartig ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit rückte: Vor 25 Jahren – am 4. Mai 1987 – kam Papst Johannes Paul II. im Rahmen seines zweiten pastoralen Deutschlandbesuches in die alte Bischofsstadt am Rhein und feierte mit fast 60.000 Gläubigen vor dem Dom eine heilige Messe. Es hätten noch einige Tausend mehr werden können, wäre nicht das Wetter an diesem Montag ungewöhnlich kalt und regnerisch gewesen.

Speyer war die letzte Station der fünftägigen Reise, in deren Verlauf der Papst zwei Glaubenszeugen der Nazizeit selig sprach: am 1. Mai in Köln die in Auschwitz ermordete Jüdin und Ordensfrau Edith Stein und am 3. Mai in München den Jesuitenpater Rupert Mayer. Dass Johannes Paul II. auch nach Speyer kommen würde, damit hatte bis zum Bekanntwerden der Nachricht im Juni des Vorjahres niemand gerechnet. Selbst Bischof Dr. Anton Schlembach, der den Heiligen Vater nur sechs Wochen zuvor schriftlich eingeladen hatte, war von der prompten Zusage überrascht.

Ausschlaggebend für die Annahme der Einladung war wohl der Hinweis im Brief des Bischofs, dass Speyer eine entscheidende Rolle im Leben Edith Steins gespielt hatte. "In der Diözese Speyer", so hieß es da, "hatte sie ihr Bekehrungserlebnis; hier wurde sie getauft und gefirmt; hier hat sie neun Jahre als Dozentin gewirkt und wichtige Werke verfasst. In keiner anderen Stadt ist das Andenken an Edith Stein noch so lebendig." Wie aus dem Antwortschreiben hervorging, waren aber auch die Bemerkungen des Bischofs über die historische Bedeutung Speyers und seines Domes, über seine ökumenische und europäische Relevanz im Vatikan "mit regem Interesse" aufgenommen worden.

Schon im Spätjahr 1986 machten sich sechs Kommissionen an die Arbeit, den Besuchstag zu organisieren und zudem ein geistliches Vorbereitungsprogramm für die Pfarreien der Diözese zu erarbeiten. Denn der Papstbesuch sollte nach dem Wunsch von Bischof Schlembach "keine Tournee mit einem Star, sondern ein geistliches Ereignis" werden, zu mehr Glaubensfreude und zu einem entschlosseneren christlichen Leben führen. Die heiße Phase der organisatorischen Vorbereitung begann am 22. Januar 1987, als der "Reisemarschall" des Papstes, der Jesuitenpater Roberto Tucci, nach Speyer kam und die Einzelheiten des Papstbesuches mit dem genauen Zeitplan festlegte. Da Speyer die letzte Besuchsstation war, sollte hier auch die offizielle Verabschiedung des Papstes durch Bundeskanzler Helmut Kohl stattfinden.

Jetzt lief eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt, der Landes- und Bezirksregierung und verschiedenen Hilfsorganisationen an. Insgesamt 1165 ehrenamtliche Mitarbeiter wurden mobilisiert, die am Gottesdienst, an dem mehrstündigen Rahmenprogramm und der Betreuung der Gläubigen mitwirken sollten. 450 Helfer waren auf kirchlicher Seite zum Beispiel als Ordner, an den Informationsständen und auf den Parkplätzen im Einsatz. Den Sanitätsdienst versahen 509 Angehörige des Malteser-Hilfsdienstes, des Roten Kreuzes und der Johanniter Unfallhilfe. Die Feuerwehr hatte 180 Leute im Einsatz, das Technische Hilfswerk 90. Zweitausend Polizisten sorgten für die Sicherheit des hohen Gastes und den reibungslosen Verlauf des Programms. Zudem wurde im Kloster St. Magdalena ein Pressezentrum für die 300 akkreditierten Journalisten aus aller Welt eingerichtet.

Als dann am 4. Mai die Hubschrauberstaffel mit dem Papst den Dom überflog und um 12.38 Uhr auf dem Sportplatz des Schulzentrums Ost landete, gingen für die Verantwortlichen bange Stunden der Ungewissheit zu Ende. Etwa 58 000 Menschen waren am Vormittag – die ersten schon um sechs Uhr – in Sonderzügen, Bussen und tausenden Privatwagen eingetroffen und drängten sich in den Begegnungsbereich in der Maximilianstraße, auf den Domplätzen und im Domgarten. Aber Regen und Sturmböen ließen es bis zuletzt fraglich erscheinen, ob der Besuch des Heiligen Vaters wie geplant ablaufen könne.

Alle Glocken der katholischen Kirchen Speyers läuteten, als genau 931 Jahre nach dem letzten Besuch eines Papstes Johannes Paul II. Speyerer Boden betrat. Noch auf dem Landeplatz wurde er von Bischof Schlembach, Ministerpräsident Bernhard Vogel, Oberbürgermeister Christian Roßkopf und Vertretern des Katholikenrates begrüßt. Beifall und Jubel begleiteten Minuten später die Fahrt des "Papamobils" durch die Straßen der Stadt zum Domplatz. Nachdem sich der Papst zur Mittagspause ins Bischofshaus zurückgezogen hatte, wurde das Rahmenprogramm mit Liedern und Tänzen, aber auch szenischen Spielen und Informationen über den Papst und die selige Edith Stein, über die Geschichte der Stadt und des Kaiserdomes, über Europa und die Partnerschaften des Bistums Speyer fortgesetzt.

Im Anschluss an die kurze Mittagspause besuchte der Papst mit Bischof Schlembach und Mitgliedern des Domkapitels den Dom. Vor der Marienstatue kniete er sich zum Gebet nieder, bevor er sich über das Bauwerk und seine Geschichte informieren ließ. In der Grablege der Kaiser begann er spontan das kirchliche Totengebet zu sprechen, dann segnete er die Gräber. Es war bereits 16 Uhr, als der Gottesdienst vor dem Dom und damit der Höhepunkt des Tages begann. Mit dem Papst am Altar standen die Kardinäle Agostino Casaroli, Joseph Höffner, Joseph Ratzinger und Friedrich Wetter, Bischof Schlembach und Weihbischof Ernst Gutting; weitere 30 Bischöfe waren unter den Mitfeiernden. Der protestantische Kirchenpräsident Heinrich Kron, Synodalpräsident Gustav Adolf Bähr und der gesamte Landeskirchenrat dokumentierten durch ihre Teilnahme die guten ökumenischen Beziehungen in der Pfalz. Der prominenteste Politiker unter den Gottesdienstteilnehmern war Bundeskanzler Kohl.

Seine Predigt vor dem fast tausendjährigen Kaiserdom, "dem Zeugen der Größe des christlichen Europas und zugleich seines selbstverschuldeten Niedergangs", stellte der Papst unter das Thema "Die Verantwortung der Christen für Europa". Sie wurde – zweieinhalb Jahre vor dem Fall der Mauer – zu einem eindringlichen Appell, in Verantwortung vor Gott und unter Achtung aller Grundwerte und Grundrechte ein geeintes Europa vom Atlantik bis zum Ural zu schaffen. Johannes Paul II. betonte, dass das Zeugnis der Christen für die Menschenwürde und die Menschenrechte wirkungsvoller werde, wenn es mit gemeinsamer Stimme und von einer geeinten Kirche vorgetragen werde. Der Speyerer Dom als Zeuge der Trennung zwischen West- und Ostkirche wie auch der reformatorischen Spaltung stelle ein Denkmal der Einheit und Mahnmal zur Einheit dar. Der Papst bat die getrennten Kirchen, auf diesem mühsamen Weg zur Einheit weiterzugehen und alles zu vermeiden, was Gräben erneut vertiefen könnte. Im Hinblick auf die drei Tage zuvor selig gesprochene Edith Stein mahnte er die Gläubigen der Diözese Speyer: "Seid treue Hüter ihrer Botschaft und ihres Lebenszeugnisses!"

Weltkirchliche Solidarität bewiesen die Gottesdienstbesucher während der Gabenbereitung, als sie für die Gemeinschaft Sant’ Egidio, die sich in Rom um Randgruppen kümmert, über 50 000 Mark spendeten. Zugleich wurden in einer eindrucksvollen Gabenprozession typische Produkte aus den Regionen des Bistums zum Altar gebracht. Dabei überreichte auch eine Dominikanerin des Klosters St. Magdalena dem Papst als Geschenk eine kleine bronzene Stele, die an den Lebens- und Glaubensweg Edith Steins erinnerte. Nach dem Gottesdienst, der vom ZDF live übertragen wurde, kam es im Bischofshaus zu einem halbstündigen Gespräch des Papstes mit Bundeskanzler Kohl.

Überaus herzlich war die Verabschiedung des Heiligen Vaters. Wie schon am Mittag kam lauter Beifall auf, als der Papst durch die dicht gedrängte Menschenmenge zum Landeplatz fuhr. Vor dem Abflug würdigten sowohl der Bundeskanzler als auch Kardinal Höffner in kurzen Ansprachen den Deutschlandbesuch des Papstes. Johannes Paul II. selbst nutzte seine Abschiedsrede zu einem herzlichen Dank für die "großzügige Gastfreundschaft". Und es klang wie eine Zusammenfassung der Themen seiner fünftägigen Pastoralreise, als er noch einmal an die Christen in Deutschland appellierte, sich einzusetzen für die Wahrheit, für Recht und Gerechtigkeit in der Gesellschaft, für Solidarität und Brüderlichkeit in der Arbeitswelt, für die Einheit der Christen und für ein geeintes christliches Europa, das Ausgangspunkt eines weltweiten Friedens werden könne.

Nur sieben Stunden lang weilte der Papst in Speyer. Die Bedeutung dieses kurzen Besuches fasste Bischof Schlembach nach der Abreise so zusammen: "Es war ein großes Fest für das ganze Bistum, ein Fest des Glaubens, ein Fest des Bekenntnisses zur Kirche." Johannes Paul II. sei nicht als Tourist in Speyer gewesen, sondern als Seelsorger. "Als oberster Hirte kam er, damit wir miteinander im Glauben bestärkt werden", so der Bischof damals. Inwieweit der Papstbesuch in diesem Sinn Früchte trug, ist in Zahlen nicht fassbar. Messbar aber ist, was er für Speyer und seinen Dom gebracht hat, deren herausragende historische Bedeutung am 4. Mai 1987 – noch vor der 2000-Jahr-Feier der Stadt und der großen Salierausstellung – neu ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wurde, und zwar weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Die seitdem jährlich anwachsenden Besucherzahlen sind ein deutlicher Beleg dafür.