Bevölkerungsrückgang im Neckar-Odenwald-Kreis

„Der Südwesten wirkt wie ein Magnet“ war Mitte Juli in den Zeitungen zu lesen. Gemeint war der Bevölkerungszuwachs in Baden-Württemberg, der freilich nicht auf einem Geburtenüberschuss, sondern auf Zuwanderung beruht. Die Zuwanderung allerdings betrifft nicht alle Landesteile gleichmäßig. Während Städte wie Heidelberg, Mannheim, Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg, Ulm oder Heilbronn samt Umland wachsen, gehört der Neckar-Odenwald-Kreis zu den diesbezüglichen Verlierern. Nur der Kreis Freudenstadt klagt über einen noch größeren Bevölkerungsrückgang.

„Das ist eine sehr beunruhigende Entwicklung, die wir nicht totschweigen wollen“, erklärt Landrat Dr. Achim Brötel, der nicht müde wird, für den Ländlichen Raum zu kämpfen und die Vorteile eines Lebens auf dem Land ins rechte Licht zu stellen. Die Attraktivität der Ballungsräume sei quasi „naturgegeben“ durch die Fülle an vorhandener Infrastruktur, an Schulen, Arbeits- und Ausbildungsplätzen und Freizeitangeboten, so der Landrat: „Deshalb müssen wir gegen die derzeitigen Zentralisierungsbemühungen auf vielerlei Ebenen angehen, die uns nehmen, was bei uns jetzt schon selten ist, um es denen zu geben, die diesbezüglich im Überfluss leben.“
Gleichzeitig betont Dr. Brötel aber auch, dass „der Ländliche Raum einfach oft schlecht geredet“ würde: „Denn tatsächlich hat unsere Region, die zentral im Herzen Deutschlands und im Herzen Europas liegt, viel Potenzial für die Zukunft.“

Laut Statistik hat der Kreis allein im letzten Quartal 2011 (1. Oktober bis 31. Dezember) 362 Personen verloren. Das entspricht einem Dorf von der Größe Daudenzells oder Bofsheims. Ende 2011 lebten damit nur noch 146.158 Menschen in den 27 Städten und Gemeinden mit ihren Ortsteilen. Zum Vergleich: Zum Stichtag 31. Dezember 2004 gab es noch 151.131 Neckar-Odenwälder und Neckar-Odenwälderinnen. Drei Jahre später, Ende 2007, waren es noch 149.572 Einwohnerinnen und Einwohner. Eine Entwicklung, die negativer ist, als es entsprechende Prognosen vorher gesagt haben.

Der Bevölkerungsrückgang hat auch massive finanzielle Auswirkungen. Denn die Landkreise erhalten im Rahmen des Finanzausgleichs jährlich Schlüsselzuweisungen, die an die Anzahl der Einwohner gekoppelt sind. Vergleicht man vor diesem Hintergrund allein die Jahre 2007 und 2012 mit einem Bevölkerungsrückgang von insgesamt 3414 Personen, so schlägt diese Entwicklung mit jährlich 1.236,209 Euro weniger an Schlüsselzuweisungen zu Buche. „Das ist viel Geld für uns, die wir in finanzieller Hinsicht ohnehin noch nie auf Rosen gebettet waren“, erklärt der Landrat.

Aber wird der Sog der Ballungsräume tatsächlich immer stärker? Das will Dr. Brötel so nicht stehen lassen. Das vielfältige Schulsystem im Kreis beispielsweise sieht er als großen Pluspunkt: „Die schlechteste Schule bei uns ist garantiert immer noch besser als die beste in irgendeiner Großstadt.“ Dass junge Abiturienten zum Studium weggehen, sei schon immer so gewesen. Trotzdem behielten viele ihren Lebensmittelpunkt hier. „Dass sie nach Beendigung ihrer Ausbildung hier eine qualifizierte Arbeit finden, dafür müssen wir uns einsetzen“, erklärt Dr. Brötel, der in diesem Zusammenhang die ständig prosperierende Duale Hochschule – „das ist der richtige Weg“ – und auch die Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaft lobt. Ein „Schlüsselthema“, so der Landrat, sei die Mobilität: „Ein gutes Straßennetz und die Anbindung an die Schiene sind lebensnotwendig.“ Einen ähnlichen Stellenwert räumt er der Breitbandversorgung ein, die unter anderem die Einrichtung von Telearbeitsplätzen ermöglicht: „Aber auch das haben wir früh erkannt und dank der gemeinsamen Initiative von Kreis und Kommunen gibt es fast keine weiße Flecken mehr auf der Landkarte. Und die Versorgung wird weiter verbessert.“

Dass die Zuwanderung, die früher den Weggang zumindest kompensiert hat, mittlerweile stagniert, bedauert der Landrat: „Zuwanderung macht eine Gesellschaft bunt.“ Dieser Trend könne sich aber auch wieder umkehren. Dann nämlich, wenn die Qualitäten, die das Land auch in gesellschaftlicher Hinsicht zu bieten hat – Stichworte Vereinsleben, überschaubare Strukturen, viel Natur – wieder mehr wertgeschätzt werden. „Das wird kommen“, gibt sich Dr. Brötel überzeugt, der gleichwohl nicht die Hände in den Schoss legen und abwarten, sondern entsprechend seinen Möglichkeiten an den genannten Baustellen weiter arbeiten will.