Gemeinsam für die Sortenvielfalt in Rheinland-Pfalz

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Unter diesem Motto fand am Mittwoch, den 31. Oktober 2012, das Symposium „Förderung historischer Nutzpflanzen“ am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach statt. Mehr als sechzig Teilnehmer aus ganz Rheinland-Pfalz informierten sich über die aktuelle Situation der Erhalter und Vermarkter von historischen oder nicht registrierten Sorten.

Sortenvielfalt ein Bürgerrecht

Verschiedenste Betriebe, private und öffentliche Institutionen stellten sich dem Publikum über Vorträge und Infostände vor. Es zeigte sich schnell, dass doch sehr unterschiedliche Strategien verfolgt bzw. verfolgt werden müssen, um die Sortenvielfalt in Rheinland-Pfalz vor weiterer Errosion zu schützen. Dass diese Strategien nicht einfach sind und viele Hürden bergen können, machte beispielsweise Herbert Ritthaler von der Baumschule Ritthaler aus Hütschenhausen klar. Die Baumschule vermarktet mit mehr als 400 Obstsorten ein ausgesprochen breites Sortiment an Haupt- bis Liebhabersorten. Dabei finden in der Baumschule auch neue Zufallssämlinge und historische oder unbekannte Sorten ein Quartier. „Sortenvielfalt ist ein Bürgerrecht“, gibt er zu bedenken, „seit Jahrhunderten züchteten Menschen für ihren Bedarf neue Sorten und gaben diese in den Umlauf. Die heutigen rechtlichen Vorgaben bedrohen diese Freiheit.“

Aber „damit die Menschen erst einmal wieder verstehen, warum die Sortenvielfalt für sie ein hoher Wert haben sollte, müssen sie Möglichkeiten haben, diesen Wert zu erleben. Das Geschmackserlebnis hat dabei eine Schlüsselrolle“, ergänzt Frank Böwingloh vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westerwald-Osteifel. Diese Strategie wird in dem von ihm vorgestellten Projekt „Mittelrheinkirsche“ in Zukunft einen hohen Stellenwert erhalten. Unterstützung erhält das Projekt bereits von Erzeugern, Gastronomen und qualifizierten Botschaftern aus der Region.

Sortenvielfalt zukünftig im Gartencenter

Einen großen Schritt für die Sortenvielfalt in den Verkaufsregalen der Fachgeschäfte will Christian Havenith von der Vielfaltsgärtnerei in Wassenach wagen. Er selbst erhält seit 1998 mit dem Start des Gemüsesorten-Projekts Rheinland(+)Pfalz mehr als 450 Bohnensorten und viele weitere Gemüse- und Kräutersorten der Region. „Wir wollen gemeinsam mit dem Verband Deutscher Garten-Center (VDG) eine kleine Linie von historischen Gemüsesorten den VDG-Mitgliedern exklusiv anbieten. Dabei handelt es sich um Sorten, welche in Deutschland bzw. in der EU registriert sind“, erläutert Christian Havenith das Konzept.

Warum nur registrierte Sorten den Weg in den Handel finden dürfen, dazu referierte Sabine Wüst, Rechtsanwältin und Mitglied im Verein Freie Saaten e. V. in Hassloch. Eindrücklich erläuterte sie die Auswirkungen des Saatgutverkehrsgesetz auf das in Verkehrbringen von u. a. historischem und nicht registriertem Gemüsesaatgut. Eine Erleichterung des in Verkehrsbringens sollte die Erhaltungssortenverordnung mit sich bringen. „Leider ist die vereinfachte Registrierung von Erhaltungssorten mit derart hohem bürokratischen Aufwand verbunden, der von den Erhaltern kaum zu stemmen ist“, weiß Sabine Wüst, „ die Regelung lässt zudem Raum für Grauzonen, die viele Erhalter bei der Abgabe von Saatgut verunsichert.“ In ihrer jetzigen Form verhindert die Erhaltungssortenverordnung die Vermarktung der Vielfalt statt dass sie diese fördert, so das Fazit der Runde.

Aus alten Sorten neue züchten

Dabei schlummern viele Schätze in Sammlungen, die auf eine Wieder-Entdeckung durch die Öffentlichkeit warten. So stellte Hans-Werner Ollig vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz das Netzwerk Pflanzensammlungen vor. In dem Projekt der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V. können sich private Sammler und Paten von Zierpflanzen in einer Online-Datenbank registrieren. Ziel ist jedoch nicht, Sortenvielfalt in Sammlungen zu konservieren, sondern für die Nachwelt lebendig zu halten.

In diesem Zusammenhang berichtet Udo Hennenkämper aus dem Alltag der Getreidezüchtung für den Ökolandbau. Sein Institut, das Keyserlingk-Institut im Verein zur Förderung der Saatgutforschung im biologisch-dynamischen Landbau mit Sitz in Salem, züchtet auf Basis von alten Hofsorten moderne Regionalsorten. „Neben der Anpassung an das regionale Klima und die ökologische Kulturführung sind Geschmack, Verträglichkeit und Lebensqualität die obersten Züchtungsziele für die neue Sortenvielfalt“, erklärt Udo Hennenkämper. Er verweist dabei auf Erfolge in den klimatisch doch sehr verschiedenen Regionen Schwäbische Alb und Raum Bodensee hin. Aus dem in der Region gezüchteten und angebauten Korn wird in teilnehmenden Demeter- und anderen Bäckereien beispielsweise das Regionalbrot „SaatGut-Brot“ gebacken und verkauft. Der geschlossene Kreislauf von der Zucht bis hin zum Verbrauch des Korns ist hier die gewählte Strategie zu Erhaltung der Sortenvielfalt.

Um dem interessierten Verbrauchern den Weg zu Saatgut, Pflanzmaterial und Erzeugnissen aus historischen Sorten zu erleichtern, wirbt Rolf Pietrowski vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten für den Aufbau eines Art Einkaufsführers, wie er bereits in anderen Bereichen etabliert ist. Eine ähnliche Funktion übernimmt bereits die Infoplatt-Plattform rund um die Nutzpflanzenvielfalt in Rheinland-Pfalz unter www.biodiversitaet.dlr.rlp.de. Das Webangebot wurde von Frau Staatsministerin Ulrike Höfken bereits im Jahre 2011 eröffnet.  Neben dem Informationsangebot ist die Erfassung von Sorten ein wichtiger, wenn nicht sogar der zentrale Bestandteil der Webseite. Jedermann kann dort Sorten melden und sich ein eigenes Bild über die Existenz und die Verbreitung von bereits gemeldeten Sorten machen.  Die Freischaltung von rund 2.000 Sortenmeldungen zu Obst, Gemüse, Kräuter, Reben, Ackerfrüchte und Feldfutterpflanzen steht bevor.  Damit die Sortenerfassung als auch der Erhalt der Sortenvielfalt als solches im Land weiter vorangetrieben wird, sicherte das Ministerium für 2013 eine weitere Förderung zu.

Sortenmeldungen und Anfragen über das Projekt „Förderung historischer Nutzpflanzen“ richten Sie bitte an das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum, Rüdesheimer Str. 60 – 68 in 55545 Bad Kreuznach unter 0671 / 820-488 oder an biodiversitaet@dlr.rlp.de bzw. unter www.biodiversitaet.dlr.rlp.