Heidelberger Rechtswissenschaftler schließen Evaluation des Europäischen Insolvenzrechts ab

Umfassende Reformvorschläge im Auftrag der EU-Kommission

Im Auftrag der EU-Kommission haben Rechtswissenschaftler der Universität Heidelberg die Anwendung der Europäischen Insolvenzverordnung in der Praxis evaluiert und umfassende Reformvorschläge erarbeitet. Prof. Dr. Burkhard Hess und Prof. Dr. Thomas Pfeiffer vom Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht entwickelten in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andreas Piekenbrock vom Institut für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Insolvenzrecht sowie Prof. Dr. Paul Oberhammer von der Universität Wien zahlreiche Ansätze zur Neugestaltung der prozessualen Abläufe bei Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen. Dabei wurden sie von Nationalberichterstattern aus 26 Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterstützt. Die Ergebnisse der Studie werden unmittelbar in den weiteren Reformprozess auf europäischer Ebene einfließen.

Die Europäische Insolvenzverordnung koordiniert Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen, wie etwa im Fall der Lehman-Insolvenz, umfasst aber auch Kleinverfahren wie den „Insolvenztourismus“ deutscher Verbraucher nach Frankreich oder England. Die Rechtswissenschaftler aus Heidelberg und Wien haben beispielsweise Vorschläge erarbeitet, wie künftig die Abläufe bei Insolvenzverfahren von Großkonzernen zu koordinieren sind, deren Vermögen auf verschiedene EU-Staaten verteilt ist. Dabei geht es unter anderem um die Frage, welche Gerichte zuständig sind und welche Befugnisse die Insolvenzverwalter in den beteiligten Ländern haben. „Es liegt jetzt eine breite Beurteilungsgrundlage vor, um die Europäische Insolvenzverordnung zu einem noch effektiveren Instrument der grenzüberschreitenden Verfahrenskoordination auszubauen“, erklärt Prof. Pfeiffer.

Mit der Reform der Insolvenzverordnung in der Europäischen Union will die EU-Kommission die 2002 in Kraft getretenen Vorschriften an die Entwicklungen anpassen, die es in den vergangenen zehn Jahren im Insolvenzrecht der Mitgliedsstaaten gegeben hat. Die „Modernisierung“ soll die Restrukturierung von Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, erleichtern und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten günstige Rahmenbedingungen schaffen.

Wie die Wissenschaftler weiter erläutern, hat die EU-Kommission bereits einen Vorschlag zur Reform vorgelegt, der auf den Ergebnissen der Studie beruht. Mit dem Änderungsvorschlag muss sich nun das Europäische Parlament befassen. Das Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht berät und begleitet regelmäßig Gesetzgebungsvorhaben in Deutschland und Europa und führt damit Wissenschaft
und Praxis zusammen.

 Die Ergebnisse der Studie zur Europäischen Insolvenzverordnung sind im Internet unter http://ec.europa.eu/justice/civil/files/evaluation_insolvency_en.pdf abrufbar und erscheinen in Kürze in Buchform.