Bistum Speyer und Caritasverband widersprechen den Äußerungen des ehemaligen Sozialministers zur Lage der Ökumenischen Sozialstationen

Das Bistum Speyer und der Caritasverband nehmen kritisch Stellung zu den Äußerungen von Dr. Heiner Geißler bezüglich der Ökumenischen Sozialstationen.

Der frühere rheinland-pfälzische Sozialminister und heutige Vorsitzende der Ökumenischen Sozialstation Edenkoben-Herxheim-Offenbach hatte die Kirchen in einem am 18. Januar veröffentlichten Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in mehreren Punkten scharf angegriffen.

„Heiner Geißler entwirft ein Bild von der Lage der Ökumenischen Sozialstationen, das nicht der Realität entspricht“, hält der Pressesprecher des Bistums Speyer Markus Herr den Äußerungen Geißlers entgegen. „Geißler baut dramatische Bedrohungsszenarien auf, für die überhaupt kein Anlass besteht.“ Für beide Kirchen stehe fest, dass die Sozialstationen heute wie auch in Zukunft ein unverzichtbares kirchliches Angebot im Netzwerk sozialer Einrichtungen sind. „Das hat zu keinem Zeitpunkt in Frage gestanden“, bekräftigt Herr.

Geißler hatte ein stärkeres finanzielles Engagement der Kirchen für die Sozialstationen gefordert. Demgegenüber weist das Bistum auf die Unterstützung der Sozialstationen durch die Pfarreien, Kirchengemeinden und kirchlichen Krankenpflegevereine hin. „Geißler scheint zu vergessen, dass auch Pfarreien, Kirchengemeinden und Krankenpflegevereine Kirche sind.“ Bei den Zuschüssen des Bistums und der Landeskirche an die Gemeinden sind Mittel zur finanziellen Unterstützung der Sozialstationen enthalten. Außerdem bilden Caritas und Diakonie die Arbeitsgemeinschaft für die Ökumenischen Sozialstationen. Diese Arbeitsgemeinschaft berät mit mehreren Fachreferenten die Sozialstationen in pflegerischen und betriebswirtschaftlichen Fragen. Sie sichert den fachlichen Austausch zwischen den Sozialstationen und vertritt deren gemeinsamen Interessen gegenüber der Politik und den Pflegekassen.

Das Bistum widerspricht dem Vorwurf Geißlers scharf, andere kirchliche Anbieter würden den Sozialstationen zum Teil mit Dumpinglöhnen und nicht qualifiziertem Personal Konkurrenz machen. „Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage“, so Herr. Durch die Zuordnung zu den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden sind alle kirchlichen Anbieter in der ambulanten Krankenpflege verpflichtet, qualifiziertes Personal zu beschäftigen und die geltenden Tariflöhne zu bezahlen.

Im Gespräch mit dem epd hatte Geißler die Sorge geäußert, dass durch die neue Pfarreistruktur, die das Bistum Speyer derzeit im Rahmen des Konzepts „Gemeindepastoral 2015“ umsetzt, die Trägerstruktur der Ökumenischen Sozialstationen in Gefahr sei. Durch die „totale pastorale Zentralisierung“ werde der „persönliche Kontakt von Tausenden Krankenschwestern in den von Pflegebedürftigkeit betroffenen Familien unmöglich gemacht“. „Diese Äußerung geht komplett an der Wirklichkeit vorbei“, kritisiert Markus Herr. „Bei der Trägerstruktur geht es vorrangig um eine juristische Frage. Konkret müssen die Satzungen der Sozialstationen so verändert werden, dass die ökumenische Ausgewogenheit auch in Zukunft gewahrt ist.“ Dazu bestehe zwischen dem Bistum und der Landeskirche ein hohes Einvernehmen.

„Davon unberührt ist die konkrete Arbeit der Ökumenischen Sozialstationen, also die Betreuung pflegebedürftiger Menschen im häuslichen Umfeld, die unverändert weitergeführt wird“, so Herr. Ein Ausstieg der Kirchen aus der ambulanten Krankenpflege, vor dem Geißler warnt, habe nie zur Diskussion gestanden. „Geißler zettelt hier eine Phantomdebatte an, die vom Diskussionsstand in den Beratungs- und Entscheidungsgremien der Kirche komplett losgelöst ist.“

Die sozialpolitische Interessensvertretung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände hatte Geißler als unzureichend kritisiert und eine „landesweit einheitliche und ökumenische Vertretung“ gefordert. „Auch in diesem Punkt erweist sich Heiner Geißler als schlecht informiert“, so Herr. Caritas und Diakonie arbeiten bei der sozialpolitischen Lobbyarbeit seit vielen Jahren eng zusammen. Auch in den Pflegegesellschaften von Rheinland-Pfalz und dem Saarland wirken beide Wohlfahrtsverbände gemeinsam daran mit, Perspektiven zur Zukunft der pflegerischen Versorgung zu entwickeln und dadurch die Situation von hilfe- und pflegebedürftigen Menschen kontinuierlich zu verbessern.

In Abgrenzung zu den Äußerungen von Geißler sehen das Bistum Speyer und der Caritasverband andere Ansatzpunkte, um den Platz der Sozialstationen im Feld der ambulanten Krankenpflege langfristig zu sichern. Schon 2008 haben die Wohlfahrtsverbände Modelle vorgelegt, die einen Zusammenschluss mehrerer Sozialstationen zu einem größeren Verbund vorsehen. „Dadurch ließe sich die Effektivität steigern und der Anteil der Verwaltungskosten reduzieren“, so Herr. Eine weitere Zukunftsperspektive sei die engere Verzahnung der Sozialstationen mit Krankenhäusern und Altenheimen. In der Pflege werde immer weniger zwischen stationärer und ambulanter Versorgung unterschieden. Gefragt seien vielmehr durchgängige Versorgungssysteme aus einer Hand. „Das würde jedoch bedeuten, dass sich die Ökumenischen Sozialstationen konzeptionell und strukturell neu aufstellen müssten.“ Darüber hinaus sehen das Bistum und der Caritasverband die Notwendigkeit einer klaren Zuordnung der Sozialstationen zu einem der beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände. „Nur so kann man unter den heutigen Bedingungen die wirtschaftlichen und fachlichen Interessen wirksam in den Dialog mit der Politik bringen“, so der Pressesprecher des Bistums. Damit sei keinesfalls eine Absage an die Ökumene verbunden. „Es gibt deutschlandweit viele ökumenische Sozialeinrichtungen, die jedoch alle eindeutig einem der beiden Wohlfahrtsverbände als Spitzenverband zugeordnet sind. Eine solche Zuordnung behindert nicht den gemeinsamen Dienst an den Menschen, die unsere Hilfe brauchen, und den wir auch in Zukunft leisten werden.“ Gefragt seien sachgerechte Lösungen anstatt „mit übertriebener Polemik und falschen Informationen eine Verunsicherung und Polarisierung herbeizuführen“, kritisiert Bistumssprecher Markus Herr Geißlers Äußerungen.