Im Geist gegenseitiger Achtung und Anerkennung – Deutsch-französischer Pfingstgottesdienst in der Kirche St. Jean in Wissembourg

Unterschiede trennen nicht nur, sie sind auch bereichernd. Diese Erfahrung hat Elodie Müller gemacht. Die Schülerin aus dem elsässischen Wissembourg findet, dass Deutsche und Franzosen viel voneinander lernen können – „gerade weil wir unterschiedlich sind“.

Für Leonie Weyel, Referendarin am evangelischen Trifels-Gymnasium in Annweiler, ist die deutsch-französische Freundschaft, 50 Jahre nach Unterzeichnung des Elysée-Vertrags, „Normalität“. In einem von Deutschlandfunk und Südwestrundfunk aus der evangelischen Kirche St. Jean in Wissembourg übertragenen, deutsch-französischen Pfingstgottesdienst berichteten die beiden Frauen von ihren Erfahrungen diesseits und jenseits der „Grenze“. Der französische Pfarrer und Inspecteur Ecclésiastique Marc Seiwert und der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad hoben in ihren Predigten das Verbindende zwischen den Völkern und das friedliche Miteinander in einem gemeinsamen Europa hervor.

Gute Vorsätze alleine genügten indessen nicht, wenn es um Völkerverständigung gehe, sagte Marc Seiwert. „Der Mensch neigt dazu, Grenzen zu errichten. Das fängt schon mit dem Gartenzaun an.“ Die große Frage sei letztlich, „wie wir miteinander umgehen“. Er wünsche sich eine engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Kirchen in Europa und mehr konkretes Engagement, beispielsweise in der Diakonie, der Entwicklungshilfe oder bei der Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit. Gerade Gottes Geist überwinde die Grenzen der Normalität und gebe den Mut, Neues zu wagen, sagte der französische Pfarrer.

Der Pfingstgeist sei ein Geist gegenseitiger Achtung und Anerkennung, sagte Kirchenpräsident Christian Schad. „Wir gehören zusammen in Europa. Wir sind aufeinander angewiesen.“ Eine „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen, lange Zeit eine Art „Naturgesetz“, sei heute unvorstellbar. Zusammen werde nach den kulturellen und religiösen Wurzeln Europas gefragt, „nicht nur nach der wirtschaftlichen Einheit“, appellierte der pfälzische Kirchenpräsident an ein gemeinsames Europa. „Gemeinsam treten wir dafür ein, dass wir heute unsere wirtschaftlichen, kulturellen und auch religiösen Konflikte nicht mit Gewalt, sondern im freundschaftlichen Diskurs miteinander austragen.“

Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck erinnerte als „Kind der Nachkriegszeit“ daran, wie er mit Gleichaltrigen auf deutscher Seite in den Anlagen des Westwalls gespielt habe und später als Jugendlicher in Frankreich die Maginot-Linie gesehen habe. Der Weg zur Aussöhnung sei nicht selbstverständlich gewesen, Freundschaft sei erst allmählich entstanden und müsse immer wieder erneut gepflegt werden. Auch 50 Jahre nach dem Elysee-Vertrag dürfe man sich nicht auf dem Erreichten ausruhen.

„Mit Christus Grenzen überschreiten“ – in Wissembourg an der deutsch-französischen Grenze sei dies nicht nur „frommer Wunsch, sondern gelebte Wirklichkeit“, sagte die evangelische Rundfunkbeauftragte, Pfarrerin Annette Bassler. Für die musikalische Umrahmung sorgten drei Chöre aus der Region Wissembourg und Bad Bergzabern unter der Leitung des deutschen Bezirkskantors Maurice Croissant und der französischen Kantorin Christiane Martin-Seiwert. Für die Liturgie des Gottesdienstes in der Kirche St. Jean zeichnete der pfälzische Pfarrer und Generalsekretär der Konferenz der Kirchen am Rhein (KKR), Rudolf Ehrmantraut, verantwortlich.

Hinweis: Die evangelische Gemeinde in Wissembourg gehört mit ihren 2.000 Mitgliedern zur Union der evangelischen Kirchen in Elsass-Lothringen und ist Sitz des Kirchenbezirks Wissembourg. Seit vielen Jahren gibt es eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit dem Kirchenbezirk Bad Bergzabern.