Finanzlage der öffentlichen Haushalte

Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben in ihrer Jahreskonferenz am 24. Mai 2013 in Wiesbaden unter Vorsitz des Hessischen Staatsministers der Finanzen Dr. Thomas Schäfer u. a. die Lage der öffentlichen Finanzen beraten. 

Sie stellen dazu Folgendes fest:

1. Nachdem sich die deutsche Wirtschaft unerwartet schnell von den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt hatte, musste sie im letzten Jahr erstmalig wieder einen deutlichen Dämpfer hinnehmen. Hintergrund waren die schwache Entwicklung der Investitionstätigkeit sowie die sich auf die Auslandsnachfrage auswirkenden Rezessionen in einigen großen Staaten in Europa, die zu einer spürbaren Belastung der deutschen Konjunktur geführt haben.Im vierten Quartal 2012 schrumpfte die deutsche Wirtschaft saison- und kalenderbereinigt gegenüber dem Vorquartal um 0,6 Prozent. Aufgrund dieses schwachen letzten Quartals hat die Bundesregierung ihre Erwartungen für das laufende Jahr nach unten korrigiert und geht mittlerweile davon aus, dass das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2013 nur um 0,5 Prozent steigen wird. Erst im zweiten Halbjahr 2013 soll die deutsche Wirtschaft wieder spürbar an Dynamik gewinnen, wobei diese im Wesentlichen von der Binnennachfrage getragen werde. Auch der Sachverständigenrat hat seine Prognose für das laufende Jahr von einem BIP-Zuwachs in Höhe von real 0,8 Prozent auf 0,3 Prozent reduziert.

2. Die öffentlichen Haushalte haben ihre infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich ausgeweiteten Defizite im vergangenen Jahr zurückführen können. Für 2012 konnte Deutschland einen ausgeglichenen öffentlichen Gesamthaushalt an die Europäische Union melden. Insgesamt verbesserte sich der Maastricht-Finanzierungssaldo auf 0,2 Prozent des BIP, nach einem Defizit von 0,8 Prozent in 2011. Zu diesem erfreulichen Ergebnis haben die Konsolidierungsanstrengungen aller staatlichen Ebenen beigetragen.Zur Wahrung der Solidität der öffentlichen Haushalte ist es unerlässlich, an einer strikten Begrenzung der Ausgaben festzuhalten und die Einnahmenseite zu sichern. Solide öffentliche Finanzen sind eine zentrale Bedingung für eine nachhaltig erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung. Auch mit Blick auf den europäischen Fiskalpakt ist es wichtig, dass Deutschland seinen Konsolidierungskurs fortsetzt.

3. Die Länder haben ihre Defizite seit dem Krisenjahr 2009 in nun drei aufeinander folgenden Haushaltsjahren kontinuierlich abbauen können. Ursächlich dafür war neben der positiven Entwicklung der Einnahmen insbesondere eine wirkungsvolle Begrenzung der Ausgaben: Die Ausgaben der Länder sind im Jahresdurchschnitt um lediglich 1,5 Prozent gestiegen. Dabei hatten die Länder besondere Herausforderungen zu schultern, die auch aus der teilweise schwierigen Finanzlage der Kommunen resultieren. So sind die Zahlungen der Länder an ihre Gemeinden in den letzten drei Jahren überproportional um 2,4 Prozent p. a. angestiegen. Auch im laufenden Haushaltsjahr 2013 werden die Kommunen von den Landeshaushalten stark unterstützt; die Zahlungen der Länder an die Kommunen sollen gegenüber dem Vorjahr sogar um 5 Prozent steigen.Auf Seiten der Länder erfordert die Umsetzung der Schuldenbremse noch erhebliche Konsolidierungsanstrengungen. Zum einen müssen sie das noch bestehende Defizit nach den Vorgaben der neuen Schuldenregel bis zum Jahr 2020 vollständig abbauen, soweit es auf strukturellen Faktoren beruht. Zum anderen werden in den nächsten Jahren die stark ansteigenden Versorgungsausgaben bei den Ländern einen überproportionalen Aufwuchs bei den Personalausgaben bewirken. Während der Bund in seinem Verantwortungsbereich mit sinkenden Versorgungslasten rechnen kann, nimmt die Bedeutung dieser Ausgaben für die Länder kontinuierlich zu und bildet mittelfristig ein erhebliches Haushaltsrisiko. Schließlich wird auf Dauer ein Anstieg des derzeit historisch günstigen Zinsniveaus für öffentliche Anleihen nicht vermeidbar sein. In der Folge sind erhebliche zusätzliche Zinsbelastungen für die öffentlichen Haushalte zu erwarten.

4. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder fordern den Bund vor diesem Hintergrund auf, weitere Beiträge zur Schaffung nachhaltiger gesamtstaatlicher Finanzen zu leisten. Die Länder erinnern den Bund an seine im Rahmen der Ratifizierung des europäischen Fiskalvertrages gemachten Zusagen im Hinblick auf eine Anschlussregelung für die Entflechtungsmittel sowie die Schaffung eines Bundesleistungsgesetzes zur vollständigen Entlastung der Gemeinden im Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.Für die weiterhin notwendige finanzielle Kompensation der im Jahr 2007 abgeschafften Mischfinanzierungen bedarf es für die Zeit nach 2013 dringend einer einvernehmlichen Lösung zwischen Bund und Ländern. Die Länder und die mitbetroffenen Kommunen benötigen – gerade mit Blick auf weiter bestehende und teilweise gestiegene Anforderungen – dringend Planungssicherheit, nicht nur für das Jahr 2014, sondern für den gesamten Zeitraum bis 2019. In Anbetracht weiterhin bestehender und teilweise gestiegener Anforderungen sowie der Kostenentwicklung sind die Kompensationsleistungen anzupassen. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder fordern den Bund auf, den berechtigten Interessen aller Länder nachzukommen und unverzüglich eine Einigung mit den Ländern zu ermöglichen.

5. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder bekräftigen ihre Erwartung flankierender Maßnahmen der Bundesregierung zur Abfederung der mit der Bundeswehrstrukturreform und dem Abzug der alliierten Streitkräfte verbundenen Schließung von Standorten in Abstimmung mit den Ländern. Geeignet sind beispielsweise die Finanzierung zusätzlicher Infrastrukturprojekte, höhere Städtebauförderungsmittel und spezifische Ausgleichszahlungen. Daneben ist es geboten, das Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben durch eine Öffnungsklausel so zu ergänzen, dass die Berücksichtigung strukturpolitischer Ziele des Bundes, der Länder und der Kommunen ausdrücklich ermöglicht wird.

6. Ferner erfährt der Bund durch das schrittweise Auslaufen der Programme des Solidarpakts II erhebliche Entlastungen. Darüber hinaus erhält der Bund wachsende Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag. Im Rahmen der bevorstehenden Verhandlungen zur Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen müssen die dann vorhandenen finanziellen Handlungsspielräume für die Lösung der dringendsten gesamtstaatlichen Strukturprobleme genutzt werden.