Wormser Konzept gegen Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen – OB Kissel: „Vermissen Beteiligung der Krankenkassen“

Präventionsprojekt nur mit Spenden allein auf Dauer nicht zu finanzieren / Krankenkassen halten sich bedeckt / OB Kissel bittet Gesundheitsminister Alexander Schweitzer um Unterstützung: „Präventionsarbeit ist die beste Gesundheitsvorsorge und reduziert die Folgekosten für das Krankenkassensystem“

Bei der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen geht Worms mit gutem Beispiel voran. Das vom Kriminalpräventiven Rat mit dem Klinikum und anderen Akteuren auf Beschluss des Stadtrates auf den Weg gebrachte Konzept zeigt positive Wirkung. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, kann das Projekt aufgrund der bekannt schwierigen Haushaltslage der Stadt aber nur durch Spenden örtlicher Stiftungen, Vereine und Firmen finanziert werden. Dies ist bisher auch gelungen. Doch bereits für 2014 zeichnet sich ein finanzielles Defizit ab. Unterstützung könnten die Krankenkassen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge leisten, aber sie sehen dazu bislang keinen Handlungsbedarf.

„Im Vorfeld hatten wir auch die hiesigen Krankenkassen mit in die Vorbereitung und Konzeptplanung einbezogen, da bekannterweise eine gute Präventionsarbeit die beste Gesundheitsvorsorge ist und damit erfolgreich zu einer Minimierung der Folgekosten für das Krankenkassensystem beigetragen wird. Doch gerade die Krankenkassen als Träger der Gesundheitsvorsorge versagten uns bisher jegliche Mitarbeit und Unterstützung“, reagiert Oberbürgermeister Michael Kissel mit Unverständnis auf deren ablehnende Haltung.

In verschiedenen Bundesländern bestehen in dieser Hinsicht bereits verbindliche Rahmenvereinbarungen zwischen den jeweils zuständigen öffentlichen Koordinationsstellen und den Trägern der öffentlichen bzw. privaten Gesundheitsfürsorge in unterschiedlichster Zusammensetzung, in denen die finanzielle Beteiligung der Krankenkassen konkret geregelt wurde.

In Rheinland-Pfalz scheint man sich damit etwas schwerer zu tun. Zwar wird die Möglichkeit einer solchen Rahmenvereinbarung im Landesarbeitskreis Suchtkrankenhilfe thematisiert, doch die Gespräche mit den Krankenkassen dauern bereits seit längerer Zeit an. Vor diesem für Worms wenig zufriedenstellenden Hintergrund, hat sich OB Michael Kissel nun an Gesundheitsminister Alexander Schweitzer gewandt und ihn gebeten, sich dafür einzusetzen, diese Gespräche in absehbarer Zeit zu einem positiven Abschluss zu bringen, um damit über verbindliche Regelungen mit den Trägern der Gesundheitsfürsorge den Fortbestand solcher erfolgreichen Präventionsprojekte zu sichern.

„Für die Behandlung der gesundheitlichen Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum müssen jährlich horrende Summen aufgewendet werden. Durch gezielte Vorbeugung und Präventionsarbeit könnte ein positiver Gegenpol geschaffen werden“, ist sich OB Michael Kissel sicher und sieht auch hier die Krankenkassen in der Pflicht.

Hintergrund:

Exzessiver Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen ist bundesweit zu einem zunehmenden Problem geworden. Die steigenden Zahlen Jugendlicher, die mit der Diagnose „akute Alkoholintoxikation“ stationär in Krankenhäusern eingeliefert werden müssen, sind besorgniserregend.

Dieses Problem des Rauschtrinkens macht auch vor den Toren der Stadt Worms nicht Halt. Nach der Rückmeldung des Wormser Klinikums müssen jährlich regelmäßig zwischen 50 und 60 Kinder und Jugendliche mit vorbenannter Diagnose stationär behandelt werden. Vor dem Hintergrund dieser besorgniserregenden Situation hat der Kriminalpräventive Rat der Stadt Worms im 2009/2010 nach einem entsprechenden Stadtratsbeschluss ein bereichsübergreifendes wirksames Konzept entwickelt, das den um sich greifenden Auswüchsen des Alkoholmissbrauchs bei Jugendlichen entgegnet.

Herzstück des Konzeptes ist der reaktive Baustein, entnommen dem Bundesmodellprojekt „Hart am Limit“ (HaLT). Dieser zielt darauf ab, die stationär aufgenommenen Kinder und Jugendlichen frühzeitig mit einem niedrigschwelligen Beratungsangebot zur Reflexion ihrer riskanten Alkohol-Konsumgewohnheiten zu bewegen und so drohende physische und psychische Schäden präventiv zu vermeiden. Sie werden durch das regelmäßig geschulte Krankenhauspersonal gezielt auf die Problematik angesprochen und zur Teilnahme an einem sogenannten „Brückengespräch“ motiviert.

Das „Brückengespräch“ wird durch nebenamtlich tätiges, externes Fachpersonal der umliegenden Suchtberatungsstellen geführt. Hier werden möglichst zeitnah noch im Krankenhaus gemeinsam mit dem Jugendlichen in dieser für ihn unangenehmen Situation die Gründe für dessen exzessiven Alkoholkonsum eruiert und dieser zu einer Änderung seines Fehlverhaltens motiviert.

In einem darauf folgenden 1 ½ tägigen durch das externe Fachpersonal durchgeführten Gruppenangebot, werden über eine umfassende Anamnese der Teilnehmer („Risikocheck“) die individuellen Gefährdungspotenziale erarbeitet und die Jugendlichen bei Bedarf zu einer weiterführenden Sucht- und/oder Sozialberatung motiviert.

Gestartet wurde dieser Baustein zum Backfischfest 2010 – und wird seitdem von allen Beteiligten als sehr erfolgreich geschildert. Die Erfahrung anderer Städte hat gezeigt, dass sich bei optimaler Vorbereitung und Durchführung etwa 70% der jungen Patienten nach vorheriger Schweigepflichtentbindung zur Teilnahme an einem Brückengespräch motivieren lassen. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass die tatsächliche Bereitschaft in den letzten drei Jahren hier in Worms bei 75% bis 90% lag. Bislang wurden daher Gespräche (meist im Beisein zumindest eines Elternteils) mit insgesamt 140 Kindern und Jugendlichen geführt, welche im Schnitt 15 Jahre alt waren und aus allen Bildungsschichten stammten. Der Jüngste war erst elf Jahre alt. Bei den Gesprächen wurden für die spätere Evaluation gezielt zusätzliche Informationen gesammelt, um die gezeigten Konsummuster besser einordnen zu können.

Das Projekt trifft in der Öffentlichkeit, der Presse und bei den Beteiligten auf durchgehend positive Resonanz, sowohl bei den behandelnden Ärzten als auch den Eltern und den Suchtberatungsstellen. Der Kriminalpräventive Rat ist überzeugt, dass bei den Jugendlichen und deren Eltern mit dem Brückengespräch im Krankenhaus die nötige Betroffenheit erzeugt wird, um diese zu einer veränderten Einstellung gegenüber exzessivem Alkoholkonsum zu führen.

Spenden

Wer für das Wormser Projekt gegen Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen spenden möchte: Stadtverwaltung Worms, Kontonummer: 290, Sparkasse Worms-Alzey-Ried (BLZ: 553 500 10), Verwendungszweck "Projekt Halt 02000.17701".