Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh – Gasversorger ignorieren Rechtsprechung von EuGH und BGH

In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 31.07.2013 entschieden, dass Preisänderungen in Gassonderverträgen in einer Vielzahl von Fällen unzulässig sind. Dennoch lehnen die Versorger Rückforderungen überzahlter Gaspreise von Kunden regelmäßig ab – so die Erfahrungen der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Den Verbraucherschützern ist bisher kein einziger Gasversorger bekannt, der überzahlte Gaspreise zurückerstattet hat. „Ganz im Gegenteil“, moniert Fabian Fehrenbach, Fachberater für Energierecht bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Viele Versorger teilen den Kunden lapidar mit, dass das entsprechende BGH-Urteil nicht für sie gelte und man sich in der Vergangenheit immer nach der Rechtsprechung gerichtet habe.“

Nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale ist dies bei weitem nicht so. Viele Preiserhöhungen haben in der Vergangenheit auf Grundlage unwirksamer Geschäftsbedingungen stattgefunden, so auch das Ergebnis der Stiftung Warentest in einer Untersuchung im August dieses Jahres. Von 30 geprüften Klauseln waren 23 unwirksam und sieben zweifelhaft. Nicht eine wurde als eindeutig wirksam beurteilt. 
„Juristisch ist es kaum haltbar, dass die Versorger Rückzahlungsforderungen ablehnen“, so Fehrenbach. Der Verbraucherzentrale liegen vertraglich vereinbarte Preisänderungsklauseln aus dem betroffenen Zeitraum vor. Diese genügen nach Rechtsauffassung der Verbraucherschützer nicht den vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) und BGH aufgestellten Anforderungen an eine zulässige Preisänderungsklausel. Danach müssen Anlass, Voraussetzung und Umfang der Preiserhöhung erkennbar sein (BGH VIII ZR 162/09 vom 31.07.2013, Rdnr. 38). Die verwendeten Klauseln wären demnach eindeutig unzulässig. „Wer von seinem Versorger ein ablehnendes Schreiben hinsichtlich seiner Rückzahlungsaufforderung erhalten hat, sollte eine Klage in Betracht ziehen“, rät Fehrenbach. Allerdings gilt es vorher zu klären, ob eine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist, die – je nach Lage des Verfahrens – eine Deckungszusage für ein außergerichtliches oder gerichtliches Verfahren abgibt, um möglichen Prozesskostenrisiken vorzubeugen. Die Stiftung Warentest nennt in ihrem Bericht Kanzleien, die Verbraucher dabei unterstützen wollen, ihre Ansprüche gegen den Versorger durchzusetzen.

Nach den aktuellen Erfahrungen mit Preisänderungsklauseln beabsichtigt die Verbraucherzentrale, zukünftig die Entwicklung der allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Preisänderungsbestimmungen auf dem Strom- und Gasmarkt noch kritischer zu beobachten und sie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und zu beurteilen.

Informationen und Beratung zu den Chancen von Rückforderungsansprüchen bietet die Verbraucherzentrale an ihrem Energierechtsberatungstelefon. Bei Anruf sollten dann der Vertrag und das Kleingedruckte bereit liegen. Das Energierechtstelefon ist montags von 14 bis 17 Uhr und donnerstags von 10 bis 13 Uhr unter der Rufnummer 01805 60 75 60 25 (14 Cent pro Minute aus dem Netz der Deutschen Telekom, aus den Mobilfunknetzen maximal 42 Cent pro Minute) zu erreichen.

Zum Hintergrund: 

Der Bundesgerichtshof musste aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sein eigenes Urteil aus der Vergangenheit korrigieren (BGH VIII ZR 162/09 vom 31.07.2013, Rdnr. 38). Der EuGH hat in seinem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass das BGH-Urteil auch für die Vergangenheit gelten muss. Er hat damit dem Begehren der deutschen Regierung, das Urteil in seiner zeitlichen Wirkung für die Vergangenheit zu begrenzen, eine klare Absage erteilt (EuGH C 92/11 vom 21.03.2013, Rdnr. 56 – 64). Der BGH lässt momentan aber nur Widersprüche gegen Gasrechnungen und die darin enthaltenen Preise zu, die nicht älter als drei Jahre sind. Nach Auffassung einiger Juristen hält sich der BGH damit jedoch nicht in vollem Umfang an die europarechtlichen Vorgaben, da er eben doch die Wirkung für die Vergangenheit beschränkt.
Die schriftliche Urteilsbegründung des BGH liegt seit dem 05.09.2013 vor und ist auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs kostenlos erhältlich.