Die 6.300 Sportvereine in Rheinland-Pfalz mit ihren 1,5 Millionen Mitgliedschaften stehen für ein vielfältiges gesellschaftspolitisches Leistungsspektrum. Der gestern (17.Juli 2013) seitens des DOSB veröffentlichte Sportentwicklungsbericht hat diesen Mehrwert des Politikfeldes Sport und der Vereine eindrucksvoll analysiert und belegt.
Der Sportverein erbringt eine Vielzahl unverzichtbarer Leistungen für die Gesellschaft. Oder anders ausgedrückt: Sportvereine fördern den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. "Unsere Sportvereine sorgen für ein breites und vielfältiges Sportangebot. Sport in der Gemeinschaft ist und bleibt die Kernkompetenz unserer Vereine. Rund 450.000 Menschen engagieren sich in ihnen freiwillig und stellen als Vorstände, Übungsleiter oder Trainerinnen ein breites Angebotsspektrum sicher“, kommentierte LSB-Präsidentin Karin Augustin den jüngsten SEB.
Die rund 6.300 Sportvereine unter dem Dach des Landessportbundes Rheinland-Pfalz und der regionalen Sportbünde bleiben mit großem Abstand die Sportanbieter Nr. 1 im Land und gestalten die gesellschaftlichen Herausforderungen aktiv mit. So kooperieren fast 1.100 Vereine mit Schulen, mehr ein Drittel der Vereine bieten Programme zur Gesundheitsförderung und Prävention an, was einer signifikanten Zunahme im Vergleich zum letzten Sportentwicklungsbericht 2009 entspricht und zudem deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt.
Diese und viele andere Zahlen mehr finden sich im neuen Sportentwicklungsbericht (SEB), der von Prof. Dr. Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln vorgelegt worden ist. Auf 906 Seiten beschreibt der Wissenschaftler darin die gesellschaftspolitische Bedeutung der Sportvereine. Breuer hat dafür zusammen mit seinem Team die Situation der Sportvereine in Deutschland analysiert. Auftraggeber der Studie, die nun zum vierten Mal durchgeführt wurde, sind das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, der DOSB und die Landessportbünde. Die Daten des Sportentwicklungsberichts 2011/2012 wurden mithilfe einer Online-Befragung im Herbst 2011 von Sportvereinen in Deutschland gewonnen, an der sich aus Rheinland-Pfalz knapp 1.000 Sportvereine beteiligt haben.
Die Studie unterstreicht auch die volkswirtschaftliche Dimension der Sportvereine. Im Durchschnitt ist jeder Ehrenamtliche auf Vorstandsebene und in sonstigen Führungsfunktionen (57.600 Menschen) in Rheinland-Pfalz 16,3 Stunden pro Monat für seinen Verein tätig. Landesweit ergibt sich daraus eine Arbeitsleistung von rund 940.200 Stunden, welche in den Sportvereinen jeden Monat für gemeinwohlorientierte Zwecke erbracht wird. Allein auf Vorstandsebene und in sonstigen Positionen ergibt sich damit eine monatliche Wertschöpfung von rund € 14,1 Mio. bzw. eine jährliche Wertschöpfung von € 169,2 Mio. Hierbei ist zu beachten, dass die Ehrenamtlichen auf der Ausführungsebene sowie die freiwilligen Helfer, die sich unentgeltlich bei sonstigen Arbeitseinsätzen für den Vereine engagieren, noch nicht mit eingerechnet sind. Die Sportvereine in Rheinland-Pfalz erweisen sich als Anker in einer sich schneller wandelnden Gesellschaft. So ist ihre gemeinwohlorientierte Grundausrichtung ungebrochen gegeben. Den Sportvereinen in Rheinland-Pfalz ist es besonders wichtig, Werte wie z.B. Fair Play und Toleranz zu vermitteln, eine preiswerte Möglichkeit des Sporttreibens anzubieten und Menschen mit Migrationshintergrund Sport zu ermöglichen. Außerdem legen die Sportvereine viel Wert auf Gemeinschaft und Geselligkeit sowie die Qualifizierung ihrer Trainer und Übungsleiter.
Die Angebote der Sportvereine sind ebenso vielfältig wie preiswert. So sind Sportvereine Garanten für finanziell erschwingliche Sportangebote für die ganze Bevölkerung. Die Hälfte aller Sportvereine verlangt einen monatlichen Mitgliedsbeitrag für Kinder von maximal 2,50 Euro für Jugendliche von maximal 3 Euro für Erwachsene von maximal 5 Euro. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung sowie der derzeitigen schwierigen finanziellen Lage für manche Haushalte bieten über 81 Prozent der rheinland-pfälzischen Sportvereine ermäßigte Beträge, beispielsweise für Senioren, Familien oder armutsbetroffene Kinder an. Der Bundesdurchschnitt liegt hier nur bei 69,9 Prozent.
Auch leisten die Sportvereine in Rheinland-Pfalz einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. So bietet mehr als ein Drittel (35,1 Prozent) der Sportvereine in Rheinland-Pfalz Programme mit Zielsetzungen der Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation an, was eine signifikante Zunahme im Vergleich zu 2009 darstellt. Insgesamt haben im Mittel 13,1 Prozent der Sportangebote einen solchen Gesundheitsbezug. Im Vergleich zu 2009 hat der Anteil an Angeboten der Sportvereine mit einem solchen Bezug signifikant zugenommen. Sowohl bei den Anteilen an Vereinen sowie bei den Anteilen an den Angeboten mit Gesundheitsbezug liegt Rheinland-Pfalz deutlich über dem bundesdeutschen Schnitt.
Die Breuer-Studie analysierte auch den starken gesellschaftspolitischen Veränderungsdruck, dem die Vereine ausgesetzt sind. Obwohl sich Vereine anpassungsfähig zeigen, wenn es um die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen geht und beispielsweise im schulpolitischen Bereich mehr als 17 Prozent der Vereine mit einer Ganztagsschule (2009 : 12 Prozent) kooperieren, dürfen Probleme und Herausforderungen der Vereinsentwicklung nicht übersehen werden. Auffällig ist, dass mittlerweile mehr als 35 Prozent der Sportvereine in Rheinland-Pfalz angeben, in ihrer Existenz bedroht zu sein. So hat in den letzten Jahren der wahrgenommene Problemdruck im Bereich der Bindung und Gewinnung von ehrenamtlichen Funktionsträgern wie beispielsweise von Trainern und Übungsleitern sowie von Schieds- bzw. Kampfrichtern zugenommen. Auch die zeitlichen Auswirkungen von achtjährigem Gymnasium und Ganztagsschulen auf den Trainingsbetrieb stellen mittlerweile zahlreiche Vereine vor zentrale Probleme. So stimmen insgesamt 36,4 Prozent der Vereine in Rheinland-Pfalz der Aussage zu, dass das achtjährige Gymnasium eher eine Gefahr als eine Chance für die Entwicklung der Vereine darstellt.
Aber auch die demografische Entwicklung in der Region sowie die Bindung und Gewinnung jugendlicher Leistungssportler stellen existenzbedrohende Probleme dar. Besonders stark zugenommen hat der Problemdruck durch die Auswirkungen der Ganztagsschulen bzw. des achtjährigen Gymnasiums auf den Trainingsbetrieb. 10 Prozent bzw. rund 630 Sportvereine in Rheinland-Pfalz haben Kaderathleten auf D/C-, C-, B- oder A-Kaderebene in ihren Reihen und bilden somit eine wichtige Basis für den Leistungs-/Hochleistungssport in Rheinland-Pfalz. Im Vergleich zu 2009 ist hier jedoch ein signifikanter Rückgang zu verzeichnen.
Zu den Problemen gehört auch die Sportstättensituation. Im Besitz eigener Sportanlagen sind 45,3 Prozent der rheinland-pfälzischen Vereine. Auf der anderen Seite nutzen 63,7 Prozent bzw. insgesamt rund 4.000 Vereine kommunale Sportanlagen (auch Schulsportanlagen). In der Längsschnittbetrachtung sind diese Werte stabil. Dem relativ hohen Anteil an Vereinen, die kommunale Sportanlagen nutzen, steht mit 1,7 Prozent ein geringerer Anteil an Vereinen gegenüber, die eine solche kommunale Anlage übernommen haben bzw. dies zukünftig planen. Insbesondere im Vergleich zum Bundesschnitt (4,2 Prozent) ist dieser Anteil bemerkenswert gering. Von den Vereinen, die kommunale Anlagen nutzen, müssen knapp 22 Prozent Nutzungsgebühren bezahlen. Hier ist im Vergleich zu 2009 ein signifikanter Zuwachs zu verzeichnen. Der Zustand der genutzten Sportstätten wird von vielen Vereinen als großes oder sehr großes Problem erachtet. Betrachtet man das Alter der genutzten Sportstätten so fällt auf, dass fast 63 Prozent aller Sportstätten das Alter von 30 Jahren bereits überschritten haben. Von diesen älteren Sportanlagen wurden rund zwei Drittel in den letzten zehn Jahren saniert bzw. modernisiert. Diese Werte entsprechen in etwa der Lage auf bundesdeutscher Ebene. Was den Unterstützungsbedarf der Sportvereine in Rheinland-Pfalz im Bereich Sportstätten angeht, ist bemerkenswert, dass nur zehn Prozent der Vereine mit den Beratungsangeboten des Landessportbundes und seiner Sportbünde nicht zufrieden sind.
„Die erneut gesteigerte Beteiligungsquote der Vereine deutet nicht nur auf die hohe Akzeptanz der Studie bei den Vereinen hin, sondern verbessert auch die ohnehin schon hohe Belastbarkeit der Analysen nochmals“, sagte Professor Breuer. Der Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, Jürgen Fischer, bilanzierte: „Die Ergebnisse dieser bundesweiten Untersuchung sind ein wichtiger Bestandteil von Entscheidungs- bzw. Organisationsentwicklungsprozessen sowie Grundlage der Politik- und Verbandsberatung. Der Sportentwicklungsbericht hat sich als ein zeitgemäßes und auch international beachtetes Steuerungsinstrument etabliert. Er steht für eine gelungene Kooperation von Sport und Wissenschaft sowie für einen erfolgreichen Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis.“
Den kompletten Sportentwicklungsbericht für Rheinland-Pfalz finden Sie auch im Internet unter www.lsb-rlp.de.